120 Entlassungen bei FWG: Velokuriere fordern 24 Monatslöhne Abfindung
«Entlassen! Und durch Uber ersetzt» – vor dem Lieferstandort der Familie Wiesner Gastronomie (FWG) in Zürich protestieren am Mittwochmittag knapp zwei Dutzend Velokuriere gegen ihren baldigen Ex-Arbeitgeber.
Die FWG, zu der Ketten wie Nooch, Negishi, Miss Miu oder The Butcher gehören, schliesst per Ende Oktober den hauseigenen Kurierdienst in allen Schweizer Städten. Begründung: anhaltende Defizite und Wettbewerbsdruck durch Plattformen wie Uber Eats und Just Eat.
Die Folge: 120 Menschen verlieren ihren Job. Viele von ihnen sind damit, wie es zu den Massenentlassungen kam, überhaupt nicht einverstanden. Sie machen der Unternehmensleitung Vorwürfe.
Gewerkschaft: «Das ist sinnlos»
Die Stimmung vor der KitchenRepublic an der Zürcher Heinrichstrasse ist an diesem Mittag angespannt. Hier holen die Kuriere normalerweise das Essen ab, das drinnen für sechs FWG-Marken zubereitet wird – heute stehen sie mit Forderungen davor. Botschaften wie «FWGahts no?» und «Sozialplan jetzt!» prangen auf metergrossen Transparenten. Für die Kuriere geht es nicht nur um die Entlassungen, sondern vor allem darum, was jetzt verbindlich geregelt wird.
«Die Verhandlungen über den Sozialplan sollen erst am 30. Oktober beginnen – also am zweitletzten Tag des Arbeitsverhältnisses. Das ist sinnlos», kritisiert Dominik Fitze, Mediensprecher der Gewerkschaft Syndicom, gegenüber watson. Zusammen mit den Kurieren hat die Gewerkschaft die Demonstration organisiert, um Druck aufzubauen.
Fitze sagt: «Die Gekündigten brauchen jetzt Sicherheit, nicht nachträgliche Versprechen.» Syndicom fordert schnelle, verbindliche Regelungen zu Abfindungen, Lohnsicherung, Deutschkursen und Jobcoaching – einen umfassenden Sozialplan.
Kuriere: «Plötzlich Ballast»
Die Kuriere selbst formulieren fünf Forderungen: Sie wollen unter anderem finanzielle Entschädigungen in der Höhe von 24 durchschnittlichen Monatslöhnen, bezahlte Deutschkurse für Kolleginnen und Kollegen mit geringen Sprachkenntnissen und Jobcoachings.
«Die FWG macht fast 100 Millionen Umsatz, eröffnet ständig neue Restaurants und behauptet, unser Lieferdienst sei nicht rentabel», sagt Mario*, der seit sechs Jahren als Kurier im 40-Prozent-Pensum arbeitet. «Wir waren jahrelang Marketingvehikel – ‹schaut, wie nachhaltig wir liefern› – und jetzt sind wir plötzlich Ballast.»
Auch Claudio* fährt seit sechs Jahren als Kurier für die FWG. Für ihn ist ein Wechsel zu Uber Eats keine Option: «Die Menschen erhalten dort angeblich nur 16 bis 17 Franken pro Stunde. Damit kann man nicht überleben.»
Genauso wenig möchte Lea*, die in einem 80-Prozent-Pensum bei FWG arbeitet, zu Uber Eats: «Das ist eine Scheinselbständigkeit ohne Sozialversicherung.» Sie werde vermutlich beim RAV landen.
FWG kontert
FWG-Co-Chef Daniel Wiesner widerspricht dem Vorwurf der Verzögerungstaktik in einer Mail an watson. Der Termin für die Sozialplan-Verhandlungen sei in Abstimmung mit Delegierten und Gewerkschaften festgelegt worden – mit vielen Beteiligten sei die Terminfindung anspruchsvoll. «Zudem wird die Sitzung von einer neutralen Mediatorin begleitet, die aufgrund von Ferienabwesenheit erst Ende Oktober teilnehmen kann.»
Auf der Website bündelt die FWG die Massnahmen: bis zu 1000 Franken pro Person für Deutschkurse, Bewerbungs-Support (CV-Check, Fotos), interne Wechsel in eines der rund 30 Restaurants der Gruppe, dazu der Härtefallfonds mit 50’000 Franken für Mitarbeitende mit mindestens 40-Prozent-Pensum, Kinderbetreuungspflichten oder gebundenem Aufenthaltsstatus.
Wiesener widerspricht auch der Gewerkschaft: «Wir haben mit den Delegierten und Syndicom viele Gespräche geführt und in E-Mails sämtliche Termine transparent festgehalten.» Dem Terminplan, inklusive dem Start Ende Oktober und der Mediation, habe auch Syndicom zugestimmt.
Ob die gekündigten Kuriere und die FWG nun doch noch einen früheren Termin finden, bleibt offen.
*(Namen von der Redaktion geändert.)