Susanne Wille entmachtet den Zuständigen des UKW-Desasters
Wie einschneidend wird der Abbau bei der SRG?
Die Frage stand im Raum, seit Generaldirektorin Susanne Wille im vergangenen Juni Einsparungen angekündigt hatte. Jetzt teilt Wille mit: Die SRG müsse 900 Vollzeitstellen abbauen, und zwar bis 2029.
Das entspricht 16 Prozent der Vollzeitstellen, über welche die SRG im vergangenen Jahr verfügte. Es wäre eine grosse Reduktion.
Die Zahl ist aber mit Vorsicht zu geniessen. Die SRG selber schreibt, dass «voraussichtlich» 900 Stellen wegfallen. Es gibt Unwägbarkeiten. Einige von ihnen können sich als Vorteil für den Rundfunk erweisen.
Die Ertragsausfälle sind hoch geschätzt
Die Radio- und Fernsehgesellschaft verliert Geld, weil der Bundesrat die Medienabgabe von 335 auf 300 Franken pro Haushalt senkt. Diese Massnahme ist als Gegenvorschlag zur 200-Franken-Initiative zu verstehen, über welche die Schweizer Stimmberechtigten am kommenden 8. März befinden.
Die SRG rechnet bei einer Gebührenreduktion um 35 Franken mit Mindereinnahmen von 120 Millionen. Dazu komme bis 2029 ein Rückgang von 90 Millionen bei den kommerziellen Einnahmen sowie «eine teuerungsbedingte Erhöhung der Betriebskosten» um mehr als 60 Millionen Franken.
Beide Zahlen sind hoch angesetzt. Die SRG hat bei ihren Schätzungen eine Reihe von Parametern definiert und geht dabei jeweils von einer negativen Entwicklung aus.
90 Millionen weniger Werbe- und Sponsoringeinnahmen würden einen Einbruch um 43 Prozent in nur vier Jahren bedeuten. Das wäre sehr schlecht. Und 60 Millionen Mehrkosten aufgrund der Teuerung? Von September bis Oktober 2025 war die Teuerung in der Schweiz negativ – die Preise sanken. Im Vergleich zum Oktober 2024 betrug die Teuerung 0,1 Prozent. Es ist nicht plausibel, dass bei ausbleibender Inflation die Produktionskosten der SRG steigen.
Ein weiterer Unsicherheitsfaktor ist die Zahl neuer Wohnungen. Derzeit wächst die Zahl neuer Haushalte in der Schweiz um rund 40'000 pro Jahr. Jeder einzelne hat die Medienabgabe zu bezahlen. Nun soll der Wohnungsbau im Land intensiviert werden – womit mehr Geld im Gebührentopf des Rundfunks landen würde.
Die SRG schreibt denn auch, dass das gesamte Sparvolumen von 270 Millionen Franken auf «aktuellen Annahmen» basiere. Und Susanne Wille macht keine Angaben dazu, welche Abteilung in welcher Sprachregion vom Stellenabbau betroffen sein wird.
Seit 14 Jahren in der Geschäftsleitung – nun tritt er ab
In einem Interview mit dem Branchenmagazin «Persönlich» erklärt die Generaldirektorin: Erfahrungsgemäss könne gut die Hälfte der Stellen über die natürliche Fluktuation und über Pensionierungen abgebaut werden. Der Abbau sei aber «hart». Denn es gehe nicht um abstrakte Zahlen, sondern um Menschen, die ihre Stellen verlieren werden.
Susanne Wille kündigt ausserdem Veränderungen in der Geschäftsleitung der SRG an. Diese Mitteilung wirkt wenig bedeutend – erweist sich aber als relevant.
Die Zahl der Mitglieder der Geschäftsleitung werde reduziert, teilt Wille mit. Das sorgt für Verwirrung unter Experten. Derzeit gehören dem Gremium acht Personen an, künftig sind es acht. Was für eine Reduktion soll das sein?
Der Direktor für Entwicklung und Angebot, Bakel Walden, verliess die SRG im Herbst 2024. Über die Nachfolge hat Wille bisher nicht entschieden. Jetzt kündigt sie an: In der Geschäftsleitung ist künftig jemand für Angebot und Distribution zuständig und jemand für Operationen, Technologie und Produktion.
Die beiden Stellen werden ausgeschrieben. Aus der Geschäftsleitung der SRG fliegen Larissa Bieler, die Direktorin von Swissinfo. Und Marco Derighetti, Direktor Operationen. Derighetti ist zuständig für den technologischen Wechsel beim Radioempfang: weg von UKW, hin zu DAB+.
Diese Umstellung, vollzogen Anfang Jahr, hat sich zu einem Desaster für die SRG entwickelt. Hunderttausende Radiokonsumenten hören nun private Sender oder Stationen im Ausland. Derighetti, Mitglied der Geschäftsleitung seit 2011, rechtfertigte in Zeitungsinterviews die Änderung. Er sagte, dass sich die Hörerzahlen erholen würden. Das ist aber in deutlich geringerem Ausmass geschehen, als es die SRG-Spitze erwartet hatte.
Ob Willes Reformen greifen, muss sich erst zeigen
Der Radioempfang über UKW hätte Ende 2026 auch für die privaten Sender beendet werden sollen. Im vergangenen September befürwortete der Nationalrat aber eine Verlängerung der analogen Radiokonzession über das Jahr 2027 hinaus. Der Ständerat entscheidet im Dezember über die Angelegenheit.
Für die SRG ist es eine Peinlichkeit. Sie wollte 15 Millionen Franken pro Jahr einsparen mit dem Wechsel auf DAB+, stiess damit zahllose Hörerinnen und Hörer vor den Kopf und wirkte zunehmend planlos. Es ist unklar, ob die SRG zu UKW zurückkehrt, sollte die kleine Kammer gleich entscheiden wie die grosse.
Wille reagiert nun, indem sie Marco Derighetti aus der Geschäftsleitung der SRG weist. Derighettis bisherige Funktion wird angepasst, und das Unternehmen sucht einen neuen Zuständigen. Eine Mediensprecherin teilt mit, dass Derighetti ab 1. April 2026 die Transitionsphase «aktiv mitgestalten» werde. Ob er danach die SRG verlässt, ist nicht bekannt.
Die Generaldirektorin greift damit erneut durch. Sie hatte den Direktoren der Radio- und Fernsehstationen bereits die Zuständigkeit für den Sport und für fiktionale Serien entzogen. Das kam einer Entmachtung gleich. SRF-Direktorin Nathalie Wappler kündigte an, dass sie ihre Funktion im Frühling 2026 abgeben werde.
Wille teilt mit:
Ob das funktioniert, wird sich erst noch weisen. Ebenso bleibt offen, wie viele Stellen die SRG tatsächlich aufhebt, falls das Stimmvolk die Halbierungsinitiative ablehnt. Konkret umgesetzt wird bisher erst die Reduktion von 300 Stellen. Die Streichung von 900 Vollzeitstellen – sie wäre ein Worst Case. (aargauerzeitung.ch)
