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Ex-BDP-Chef Martin Landolt wird neuer Santésuisse-Präsident

Ex-BDP-Chef Martin Landolt wird neuer Santésuisse-Präsident

Der langjährige BDP-Präsident und Nationalrat sattelt um – und steigt als Wirtschaftspolitiker in die Gesundheitspolitik ein.
23.03.2022, 14:31
Florence Vuichard / ch media
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Martin Landolt, BDP-GL, diskutiert mit einem Fraktionskollegen an der Sondersession des Nationalrats, am Dienstag, 7. Mai 2019 im Nationalrat in Bern. (KEYSTONE/Alessandro della Valle)
Martin LandoltBild: KEYSTONE

Es ist eine ebenso überraschende wie auch bemerkenswerte Wahl: Der langjährige Glarner Mitte-Nationalrat und frühere BDP-Präsident Martin Landolt soll das Präsidium des Krankenkassenverbands Santésuisse übernehmen. Überraschend ist die Personalie dahingehend, dass Landolt nie Mitglied der begehrten Gesundheitskommission war – und es auch nicht mehr werden will. Bemerkenswert ist sie, weil die Wahl eines Wirtschafts- statt eines Gesundheitspolitikers, der zudem Ende 2023 aus dem Nationalrat zurücktreten will, eine Art Strategiewechsel beim Kassenverband markiert.

Gefragt ist offensichtlich nicht mehr ein Dossierkenner, der sich in die Paragrafen des Krankenversicherungsgesetzes verbissen hat, sondern schlicht eine «dynamische sowie unternehmerisch denkende Führungspersönlichkeit mit strategischer Denk- und Handlungsweise». So jedenfalls stand es im Stelleninserat, das sich explizit auch an «ehemalige» Bundesparlamentarier oder Regierungsräte richtete. Und so sieht auch Landolt seine Rolle: als Präsident, der strategisch lenke und die grossen Linien vorgebe, «und nicht als Cheflobbyist», wie er betont. «Sonst hätte ich dieses Mandat nicht übernommen.» Santésuisse sei mehr als eine politische Kampforganisation, es sei eine Branchenorganisation mit rund 200 Mitarbeitenden, welche für ihre Mitglieder verschiedenste Dienstleistungen erbringe – etwa die Aushandlung von Tarifen.

Bescheidener Lobbyingerfolg der Kassen

Noch vor nicht allzu langer Zeit war der Verband stolz darauf, mit dem früheren SVP-Nationalrat Heinz Brand einen Präsidenten zu haben, der «die Gesundheitspolitik im Nationalrat ganz direkt mitlenken und mitprägen kann», wie dem PR-Filmchen zum 125-Jahr-Jubiläum von Santésuisse zu entnehmen ist. So komme «die grosse Arbeit» des Verbands «noch besser zum Tragen».

Die Realität hingegen sieht freilich etwas weniger rosig aus: Reformpflöcke werden in der Gesundheitspolitik schon seit geraumer Zeit keine mehr eingeschlagen, die unterschiedlichen Interessengruppen legen sich seit Jahren gegenseitig lahm. Auch die von links gerne als übermächtig kritisierte Kassenlobby bringt kaum etwas zu Stande. Daran sind die Versicherer bis zu einem gewissen Grad auch selber schuld: Sie haben sich selbst geschwächt, seit sie mit ihren zwei konkurrenzierenden Verbänden, Santésuisse und Curafutura, immer wieder auch gegeneinander antreten.

Zwei zerstrittene Verbände

Nun soll also ein Aussenstehender Abhilfe schaffen, dessen gesundheitspolitische Engagement sich bis heute auf ein Verwaltungsratsmandat bei der Glarner Krankenversicherung sowie einer Mitgliedschaft in der sogenannten «Groupe de réflexion» der Groupe Mutuel beschränkt, welche viermal pro Jahr zum Gedankenaustausch einlädt und die Teilnehmenden mit 4000 Franken pro Treffen beglückt.

In diesem Club Mitglied war einst auch FDP-Ständerat Josef Dittli, der das Mandat aber niederlegen musste, als er 2018 das Präsidium von Curafutura übernahm. Schliesslich war es die unversöhnliche Position der Groupe Mutuel, welche 2013 CSS, Helsana, Sanitas und KPT zum Santésuisse-Austritt und zur Curafutura-Gründung bewogen hatte.

Staenderat Josef Dittli, FDP-UR, vom ueberparteilichen Komitee aeussern sich an einer Medienkonferenz zum Freihandelsabkommen mit Indonesien, am Dienstag, 12. Januar 2021, in Bern. Am 7. Maerz hat die ...
Josef DittliBild: keystone

Eine Wiedervereinigung der beiden Kassenverbände ist wohl illusorisch, aber gut möglich, dass sich das Verhältnis mit Landolt und Dittli etwas entspannt. Schliesslich bringt Landolt gewisse Erfahrung mit beim Zusammenführen von unabhängigen Organisationen – im Kleinen wie im Grossen: So war er beteiligt bei der Zusammenlegung der drei Glarner Jagdverbände, der Fusion der Glarner Gemeinden – und beim Zusammengehen von CVP und BDP.

140'000 Franken Lohn

Landolt erhält für sein 40-Prozent-Pensum als Santésuisse-Präsident 140'000 Franken, und damit gleichviel wie sein Curafutura-Konterpart Dittli, der für sein Kassenmandat in der ständerätlichen Gesundheitskommission sitzt. Aber anders als dieser will sich Landolt, der im Sommer 54 Jahre alt wird, zum Ende der laufenden Legislatur aus der nationalen Politik zurückziehen und 2023 nicht mehr kandidieren.

Nationalrat Martin Landolt, Praesident BDP Schweiz, spricht an der Parteiversammlung der BDP Schweiz am Samstag, 27. August 2016, in Altdorf. (KEYSTONE/Alexandra Wey)
Bild: KEYSTONE

Landolt, der vor seinem Gang in die nationale Politik bei der Glarner Kantonalbank, der Fondsanbieterin Swisscanto, der Bank Vontobel und zuletzt als politischer Berater für die UBS gearbeitet hatte, will sich künftig auf seine Karriere als Multiverwaltungsrat konzentrieren. Zu seinen Mandaten gehören Sitze im Verwaltungsrat des unabhängigen Glarner Vermögensverwalters Belvédère Asset Management sowie bei Targens Suisse, dem im Februar 2021 gegründeten Schweizer Ableger der gleichnamigen deutschen Finanzsoftwarefirma, die wiederum der Landesbank Baden-Württemberg (LBBW) gehört. Zudem ist Landolt auch Präsident des Vereins Energo, der die Energieeffizienz bei Gebäuden verbessern will. Offiziell gewählt zum Santésuisse-Präsidenten wird Landolt an der Generalversammlung vom 22. Juni.

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