Einmal Patron, immer Patron. Wirtschaftsminister Johann Schneider-Ammann gibt gern den Winkelried der Schweizer Exportwirtschaft. Als ehemaliger Konzernchef der Ammann-Gruppe kennt er die Sorgen der Firmenchefs à fond. Die unvermeidbare Nähe zum Unternehmen seiner Familie – heute ist sein Sohn Hans-Christian CEO – schafft aber Potenzial für Interessenkonflikte. Zum Beispiel nächste Woche, wenn sich Schneider-Ammann in offizieller Mission in Moskau aufhält. Eine Herzensangelegenheit für den FDP-Bundesrat.
Schneider-Ammann tut es nach eigener Aussage «enorm weh», wenn er sieht, wie die Exporte von Schweizer Firmen nach Russland seit 2014 als Folge der Sanktionspolitik des Westens eingebrochen sind. Zufall oder nicht: Auch der russische Ableger der Ammann-Gruppe leidet unter dem von den Sanktionen verursachten «schwierigen Marktumfeld», wie ein Sprecher auf Anfrage bestätigt.
Bereits im Januar sprach sich der Wirtschaftsminister am Rande des World Economic Forum offen gegen das Vorgehen des Westens aus – obwohl der Trend international, etwa in den USA, in eine andere Richtung geht. In einem Interview bezeichnete er «das Ende der Sanktionen gegenüber Russland» als «Priorität». Was unerwähnt blieb: Davon würde auch die Ammann-Gruppe profitieren, der es wirtschaftlich zurzeit nicht sonderlich gut geht.
Der seit 2007 bestehende Russland-Ableger des Baumaschinen-Konzerns lieferte lange Zeit vielversprechende Ergebnisse. Dutzende Mitarbeiter vertreiben im ehemaligen Sowjetstaat die Produktepalette der Ammann-Gruppe. Beton- und Asphaltmischanlagen, Walzen und Stampfer. Zu den Umsätzen äussert sich die Ammann-Gruppe nicht.
2008 bezifferte der damalige Firmenchef und heutige Bundesrat Schneider-Ammann die Verkaufserlöse auf 30 Millionen Euro, rund drei Prozent des Gruppenumsatzes: «Wir sind dabei, ein eigenständiger Brand im russischen Strassenbau zu werden.» Das jährliche Marktwachstum bei den Baumaschinen schätzte er auf 10 bis 25 Prozent.
Sollten diese Wachstumsraten eingetroffen sein, belief sich der Umsatz 2013 zwischen 48 und 91 Millionen Euro. Das wären gut zehn Prozent des heutigen Gruppenumsatzes. Kein unerheblicher Betrag. Die zentrale Frage lautet deshalb: Verträgt sich das Vorpreschen Schneider-Ammanns in der Causa Russland mit der notwendigen Unabhängigkeit eines Bundesrates von den Interessen eines privatwirtschaftlichen Unternehmens?
Aussenpolitiker Carlo Sommaruga (SP, GE) sagt, gerade wegen der wirtschaftlichen Interessen der Ammann-Gruppe in Russland sei es «seltsam», wenn sich der Wirtschaftsminister so deutlich gegen die Sanktionen ausspreche. «Ich hoffe, dass es in der Schweiz nicht zu einer Trumpisierung der Politik kommt.» Grünen-Präsidentin Regula Rytz (BE) findet bundesrätliche Reisen nach Russland aufgrund der Menschenrechtssituation «grundsätzlich problematisch». «Sollten auch noch persönliche Interessen ins Spiel kommen, wäre es umso heikler.»
Rechtlich ist Schneider-Ammann gemäss heutigem Wissensstand nichts vorzuwerfen. Der Basler Staatsrechtsprofessor Markus Schefer sagt, aus juristischer Sicht zähle nur, ob ein Amtsträger tatsächlich befangen ist – nicht, ob er als befangen erscheine. «Wenn die Sanktionen gegen Russland direkt Produkte der Ammann-Gruppe beträfen, würde dies für Bundesrat Schneider-Ammann ein Problem darstellen. Solange dies nicht der Fall ist, müssten weitere Indizien dazukommen, um eine Befangenheit anzunehmen.»
Das Wirtschaftsdepartement bestreitet auf Anfrage auch nur den Hauch eines Interessenkonfliktes: «Angesichts seines konstanten, jahrelangen aussenwirtschaftlichen Engagements wäre der Vorwurf absurd, Bundesrat Johann Schneider-Ammann handle bezüglich Russland mit Blick auf die Ammann-Gruppe», so sein Sprecher.
Wie ein Bericht des «St.Galler Tagblatt» zeigt, sind die Bedenken von linken Politikern aber nicht völlig aus der Luft gegriffen. Die Zeitung hat Zugang zur Liste der Wirtschaftsvertreter erhalten, die den Bundesrat in Moskau begleiten. Darauf steht der Name des Leiters der russischen Ammann-Tochter.