Schweiz
Wirtschaft

US-Justiz erhebt Anklage gegen 6 Schweizer

US-Justiz erhebt Anklage gegen 6 Schweizer Helfershelfer von Steuerhinterziehern

Die New Yorker Staatsanwaltschaft erhebt Anklage gegen sechs Banker, Anwälte und Treuhänder im Umfeld der Privatbank IHAG Zürich AG. Sie sollen mitgeholfen haben, den US-Fiskus um 60 Millionen Dollar geprellt zu haben. Sind die Vorwürfe kalter Kaffee, oder geht die US-Justiz nun gegen Schweizer Helfershelfer vor?
29.09.2021, 08:53
Renzo Ruf, Washington / ch media
Mehr «Schweiz»
FILE - In this Dec. 1, 2015, file photo prisoners stand while being processed for intake at the Georgia Diagnostic and Classification Prison in Jackson, Ga. The U.S. Department of Justice on Tuesday,  ...
Wer Ärger mit den US-Behörden hat, könnte so enden.Bild: keystone

Vor fast fünf Jahren verkündete das amerikanische Justizministerium das Ende des Bankenprogramms. Und zog, nachdem Schweizer Finanzinstitute Hunderte von Millionen Dollar an Bussen bezahlt hatten, einen Schlussstrich unter den transatlantischen Steuerstreit. Doch nun zeigt sich: Die Spezialistinnen und Spezialisten der Steuerabteilung im Department of Justice lassen nicht locker. Vielmehr ermitteln sie weiter gegen den Finanzplatz Schweiz. Nun aber stehen nicht mehr die Institute im Visier, sondern einzelne Akteure.

Einblick in diese Ermittlungen gibt eine Anklageschrift, die am Dienstag mit einiger Verspätung von der New Yorker Staatsanwaltschaft veröffentlicht wurde. Sie dreht sich um die Machenschaften von gleich sechs Bankern, Anwälten und Finanzberatern, die alles daransetzten, das Geld amerikanischer Kunden der Privatbank IHAG Zürich AG vor dem US-Fiskus zu verstecken. Allem Anschein nach gelang dies, dank einer recht kreativen Lösung, die den Beinamen «Singapore Solution» trug. Die Herkunft von gegen 60 Millionen Dollar sollen die Beteiligten, allesamt Männer, verschleiert haben. Möglich wurde dies dank Transaktionen von Zürich nach Hongkong, Singapur und wieder zurück in die Schweiz, wobei immer wieder auch Bargeld floss.

Nach der Heimreise aus Spanien verlor R. seinen Job

Eine wichtige Rolle spielten dabei drei hochrangige Mitarbeiter der IHAG, und die Zürcher Zweigstelle des Liechtensteiner Finanzberaters Allied Finance Gruppe. Sie organisierten die «Rundfahrten» für das Geld reicher Amerikaner. Und sie stellten sicher, dass alle den Überblick behielten und die Pläne nötigenfalls angepasst wurden. Die IHAG und der Finanzberater Allied Finance kassierten dabei «substantial fees», erhebliche Gebühren. (Gegenüber dem US-Portal Tax Notes sagte ein IHAG-Sprecher, die Zürcher Privatbank, nach dem Zweiten Weltkrieg von der Industriellenfamilie Bührle gegründet, habe aktuell kein «anhängiges Verfahren» mit den amerikanischen Behörden.)

Wer der eigentliche Drahtzieher in diesem Komplott war, lässt sich aus der 35 Seiten zählenden Anklageschrift nicht ablesen. Eine wichtige Rolle spielte aber R. Der heute 61 Jahre alte Banker war bis vor kurzem die Nummer zwei der IHAG. Dann wurde er aber vor einigen Tagen entlassen, nachdem er sich den spanischen Justizbehörden fluchtartig entzogen hatten, wie das Finanzportal «Finews.com» diese Woche berichtete. Die Spanier hatten R. im August am Flughafen von Palma de Mallorca verhaftet, aufgrund eines (geheimen) amerikanischen Haftbefehls. (Mit seiner Flucht in die Schweiz stellte R. sicher, dass er nicht gegen seinen Willen nach Amerika überstellt wird.)

Ebenfalls unter den Angeklagten befindet sich S. Der Schwyzer Steuerberater und Treuhänder hatte vor einigen Jahren öffentlich behauptet, dass die IHAG in ihrem aussergerichtlichen Vergleich mit dem US-Justizministerium nicht die ganze Wahrheit gesagt habe. (Die Bank bezahlte damals eine Busse von fast 7.5 Millionen Dollar.) Er schwärzte die Privatbank im Jahr 2015 auch beim Justizministerium in Washington an, und bezeichnete sich als Whistleblower. Weil S. aber in der Schweiz mit rechtlichen Problemen kämpfte, sorgten seine Vorwürfe nur kurz für Wirbel. Die ungewöhnlich detaillierte Anklageschrift deutet aber nun darauf hin, dass zumindest einige amerikanische Staatsanwälte S. sehr wohl zuhörten.

Das erstaunlichste an der Anklageschrift ist aber, wie alt die Vorwürfe sind. In der Anklage heisst es, dass die Verschwörung von 2008 bis November 2014 angedauert habe. Und eigentlich beträgt die Verjährungsfrist im amerikanischen Strafrecht fünf Jahre. Kann es tatsächlich sein, dass die Anklageschrift zwei Jahre unter Verschluss blieb? Und wenn Ja: Gegen wie viele andere Schweizer Helfershelfer von US-Steuerhinterziehern sind noch Anklagen anhängig?

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Das könnte dich auch noch interessieren:
Hast du technische Probleme?
Wir sind nur eine E-Mail entfernt. Schreib uns dein Problem einfach auf support@watson.ch und wir melden uns schnellstmöglich bei dir.
2 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
2
Auch die EZB senkt die Zinsen – aber nur um 0,25 Prozentpunkte

Die Europäische Zentralbank (EZB) reagiert mit der vierten Zinssenkung in diesem Jahr auf wachsende Sorgen um die Konjunktur im Euroraum. Ökonomen rechnen damit, dass die Notenbank die Leitzinsen im nächsten Jahr noch weiter herabsetzen wird. Denn Handelskonflikte etwa mit den USA unter neuer Führung könnten die schwächelnde Konjunktur in Europa zusätzlich unter Druck setzen.

Zur Story