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Von der Rolle: Das WC-Papier dürfte deutlich teurer werden

Von der Rolle: Das WC-Papier dürfte deutlich teurer werden

Hakle ist in Deutschland insolvent, in der Schweiz hält sich die Marke. Dennoch leidet beliebte WC-Papier auch hierzulande unter den hohen Energiepreisen. Das wird Folgen haben, sagt der Chef.
18.11.2022, 06:4718.11.2022, 06:47
Florence Vuichard / ch media
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Frau mit Toilettenpapier
Erst war es knapp, jetzt wird es teuer: das WC-Papier.Bild: Shutterstock

Frühjahr 2020: Plötzlich waren die Regale leer – in den Supermärkten, im Quartierladen, in den Onlineshops. Das WC-Papier war ausverkauft, der Nachschub stockte, die Nachfrage blieb hoch, und das Geschäft brummte. Doch offensichtlich nicht sehr lange. Und nicht für alle: Nur gerade zweieinhalb Jahre später, im Herbst 2022, musste der WC-Papier-Hersteller Hakle in Deutschland Insolvenz anmelden, ein Traditionsunternehmen, gegründet 1928 von Hans Klenk, aus dessen Anfangsbuchstaben der Firmenname abgeleitet ist.

In der Schweiz stehen die Hakle-Rollen weiterhin im Regal, und daran dürfte sich auch nichts ändern. Denn die hierzulande beliebteste Marke auf dem stillen Örtchen hat nichts mit der gleichnamigen Firma in Deutschland zu tun – oder besser gesagt: nichts mehr.

Historisch gehörten die beiden Hakle-Einheiten zwar mal zum gleichen Unternehmen, doch vor rund zehn Jahren verkaufte der amerikanische 20-Milliarden-Konzern Kimberly-Clark den deutschen Ableger an eine Private-Equity-Firma, welche die mit Profitabilitätsproblemen kämpfende Firma 2019 weiterverkaufte an die heutigen Besitzer, die nun vor einer drohenden Pleite stehen.

Hugo ter Braak leitet die Schweizer Ländergesellschaft von Kimberly-Clark.
Hugo ter Braak leitet die Schweizer Ländergesellschaft von Kimberly-Clark.Bild: ZVG/Hakle

Hakle Deutschland dürfte nicht der einzige WC-Papier-Hersteller sein, der in Nöte gerät. Das jedenfalls sagt Hugo ter Braak, Chef der Schweizer Ländergesellschaft von Kimberly-Clark. Er betont:

«Ich arbeite nun seit 22 Jahren im Hygienepapiermarkt, und so etwas habe ich noch nie erlebt. Noch nie gab es solche Kostensprünge bei der Produktion von WC-Papier.»

Die Preise für Zellstoff hätten sich in weniger als zwei Jahren annähernd verdoppelt, sagt ter Braak. Doch noch schmerzhafter für die äusserst energieintensive WC-Papier-Herstellung: «Die Preise für Energie sind im gleichen Zeitraum durch die Decke gegangen.»

Früher hätte eine Megawattstunde Gas zwischen 15 und 20 Euro gekostet, im August kletterte der Preis bis fast auf rekordhohe 350 Euro und liegt mit aktuell mit über 100 Euro noch immer mehr als 500 Prozent über dem langjährigen Schnitt.

Auch Hakle Schweiz schreibt keinen Gewinn

Der Chef und Inhaber von Hakle Deutschland macht derweil nebst den hohen Energiekosten den Staat für die Insolvenz seiner Firma verantwortlich. «Hätten wir die Staatshilfe schneller bekommen, wären wir jetzt nicht zahlungsunfähig», sagte Volker Jung dem «Handelsblatt». Dass seine Firma schon vorher mit der Profitabilität zu kämpfen hatte, lässt er freilich unerwähnt.

Auch das Geschäft von Kimberly-Clark Schweiz leidet unter den hohen Energiekosten. Zahlen gibt ter Braak für seine Ländergesellschaft jedoch keine bekannt. Er lässt aber im Gespräch mit CH Media durchblicken, dass er mit seinen in Norditalien produzierten und in der Schweiz und Österreich verkauften Hakle-Rollen derzeit kein Geld verdient - und dies obwohl Kimberly-Clark die defizitäre Schweizer Fabrik im bernischen Niederbipp mitsamt den 265 Mitarbeitenden bereits 2020 an den Konkurrenten und WC-Papier-Eigenmarkenhersteller Fripa verkauft hat. Zusätzlich wurden, wie ter Braak mehrmals betont, seitdem intern schon «viele zusätzliche, erfolgreiche Energie- und sonstige Sparmassnahmen ergriffen, mit denen auch die strengen Nachhaltigkeitsziele von Kimberly-Clark umgesetzt werden können».

Die Konkurrenz hat schon aufgeschlagen

Doch trotz garstigen Umfelds: Kimberly-Clark hält am Schweizer Markt fest, wie Hugo ter Braak verspricht, der mit einem kleinen Team von 25 Personen von Niederbipp aus die Märkte Schweiz und Österreich unter anderem mit Hakle und Kleenex beliefert. «Hakle wird hier nicht verschwinden.» Das sei einer der Vorteile, wenn man zu einem Grosskonzern gehöre: «Das gibt in schwierigen Zeiten Stabilität.»

Dennoch: Tatenlos zusehen kann ter Braak nicht. Und so macht er, was er tun muss, um die Profitabilität wenigstens ein bisschen zu verbessern: Er plant, die Preise zu erhöhen. «Die meisten anderen Hygieneprodukte sind bereits teurer geworden, und es ist zu erwarten, dass es weitere Preiserhöhungen geben wird», sagt der Kimberly-Clark-Manager.

Streit mit der Migros

Hakle ist in der Schweiz mit einem Marktanteil von rund 27 Prozent die klare Nummer eins - oder war es jedenfalls bis 2021. Die jüngsten Zahlen dürften nicht so gut ausfallen, denn die Migros hatte Hakle Ende des vergangenen Jahres für einige Monate ausgelistet und im Gegenzug die Konkurrenz von Tempo ins Regal gestellt. Mittlerweile haben die beiden Verhandlungspartner offensichtlich ihre Differenzen bereinigen können. Die Hakle-Produkte können jedenfalls wieder bei der Migros gekauft werden. Um wie viel der WC-Papier-Hersteller der Migros entgegenkommen ist, will ter Braak nicht verraten.

Hakles Beliebtheit in der Schweiz begründet ter Braak auch damit, dass die Marke den Qualitätsbedürfnissen der hiesigen Klientel am besten gerecht werde. Denn diese seien speziell für die Schweizer Konsumentinnen und Konsumenten entwickelt worden. Die Ansprüche würden sich erheblich von jenen in anderen Ländern unterscheiden, betont der 54-jährige Manager, der aus den Niederlanden stammt und vor 27 Jahren für einen Job bei der Swatch-Gruppe in die Schweiz kam. «WC-Papier hat hier zum Beispiel mindestens drei und geht bis sechs Lagen.» Das gebe es sonst eigentlich nirgends.

Und das hat natürlich auch seinen Preis.

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88 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Bits_and_More
18.11.2022 06:59registriert Oktober 2016
Stört mich nicht, nutze seit Jahren die praktische Bürste welche bei jedem Klo gleich daneben steht.
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Caulfield
18.11.2022 07:37registriert Januar 2016
Oh, schnell in die Läden und Hamsterkäufe des noch billigen WC-Papiers machen 🙃
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Hirngespinst
18.11.2022 07:48registriert August 2019
6-Lagen?
Da verstopfts das WC nur schon beim lesen. 🙃
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    Bei Migros, Coop und Co. wird immer mehr geklaut – die Sonntagsnews
    Schweizer Detailhändler kämpfen mit zunehmendem Ladendiebstahl, IT-Fachkräfte fürchten um ihre Arbeitsplätze und das geplante Wasserkraftwerk Gornerli sorgt für Kontroversen: Das und mehr findet sich in den Sonntagszeitungen.

    Der Schweizer Detailhandel hat laut «NZZ am Sonntag» wegen zunehmender Ladendiebstähle im Jahr 2023 ein Krisentreffen mit den kantonalen Polizeikommandanten initiiert. Beim Treffen hätten demnach Branchenvertreter eine bessere Zusammenarbeit gefordert, da sich viele Händler in mehreren Kantonen mangelhaft geschützt gefühlt hätten. Die Polizeikommandanten-Konferenz (KKPKS) habe das Treffen gegenüber der Zeitung bestätigt, jedoch keine weiteren Angaben gemacht. Auslöser sei eine Welle organisierter Diebstähle gewesen, seit der Coronapandemie seien die Zahlen explodiert, schrieb die «NZZ am Sonntag» weiter. Laut Polizeistatistik habe es 2024 fast 26’000 Fälle gegeben – gegenüber 15’600 im Jahr 2014. Die Swiss Retail Federation, welche über 1900 Detailhändler vertrete, gehe zudem von einer erheblichen Dunkelziffer aus. «Die Hemmschwelle, Ladendiebstähle zu begehen, scheint in der Schweiz gefallen zu sein», sagte deren Direktorin Dagmar Jenni zur Zeitung.

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