Welche Verantwortung tragen international tätige Unternehmen für Menschenrechte und Umweltstandards? Eine grosse, fand eine knappe Mehrheit des Schweizer Stimmvolks im November 2020, als die Konzernverantwortungs-Initiative einzig am Ständemehr scheiterte. Dafür müssen grosse Unternehmen seit 2022 über Risiken in besagten Bereichen berichten.
Die Diskussion war damit nicht zu Ende. Auf internationaler Ebene hat sich einiges getan. Die OECD verabschiedete im letzten Jahr eine Aktualisierung ihrer «Leitsätze für multinationale Unternehmen». Und im Dezember einigte sich die EU auf eine neue Richtlinie zur Konzernverantwortung (CSDDD), die innerhalb von zwei Jahren umgesetzt werden muss.
Die verschärften Sorgfaltspflichten gelten für Unternehmen mit mehr als 500 Mitarbeitenden und einem Jahresumsatz von 150 Millionen Euro. In Risiko-Sektoren sind Firmen ab 250 Angestellten und 40 Millionen Umsatz betroffen. Sie müssen sicherstellen, dass es in ihrer gesamten Lieferkette zu keinen Menschenrechts- und Umweltverstössen kommt.
Das hat unweigerlich Auswirkungen auf die Schweiz, die wirtschaftlich stark mit der EU verflochten ist. Eine Studie des Basler Beratungsunternehmens BSS im Auftrag des Bundes kam zum Schluss, dass mehrere tausend Firmen direkt oder indirekt von der EU-Richtlinie betroffen sein werden. Sie wurde vom Bundesrat Ende 2023 veröffentlicht.
Unmittelbaren Handlungsbedarf erkennt der Bundesrat nicht. Er will abwarten, bis die EU ihre Richtlinie definitiv verabschiedet, was in diesem Frühjahr der Fall sein dürfte. Bei der Koalition für Konzernverantwortung, die auch nach der Abstimmung 2020 am Thema dranbleibt und in Bern intensiv lobbyiert, stösst diese Haltung auf Kritik.
Im Abstimmungskampf habe der Bundesrat versprochen, «international abgestimmt» vorgehen zu wollen, meint Vorstandsmitglied Dominique de Buman, ein ehemaliger Freiburger CVP/Mitte-Nationalrat: «Nun ist die Schweiz bald das einzige Land in Europa ohne Konzernverantwortung.» Dabei wurden in letzter Zeit einige heikle Fälle publik:
«Noch mehr Hochglanzbroschüren sorgen leider nicht dafür, dass Konzerne die Menschenrechte wirklich einhalten und die Umwelt nicht zerstören», meint Dominique de Buman mit Verweis auf die mit dem Gegenvorschlag eingeführte Berichterstattungspflicht. Im Prinzip haben die Schweizer Firmen das Problem erkannt, zeigt die besagte BSS-Studie.
Sie basiert auf einer repräsentativen Umfrage unter 650 Unternehmen. Die grosse Mehrheit habe sich für die CSDDD ausgesprochen, also die neue EU-Richtlinie, heisst es im Bericht. Bei den KMU sei die Zustimmung etwas niedriger als bei Grosskonzernen, die direkter betroffen sind. Dieser Befund spiegle sich in den Ergebnissen mehrerer Befragungen.
Unter den Verbänden sind die Meinungen geteilt. Für eine rasche Angleichung des Schweizer Rechts sprechen sich der Verband multinationaler Unternehmen (GEM) in Genf und die IG Detailhandel mit den «Schwergewichten» Migros und Coop aus. Economiesuisse hingegen findet gemäss «24 Heures», die Schweiz könne sich bis 2027 Zeit lassen.
Dabei geht es bei der Konzernverantwortung auch um einen oft unterschätzten Aspekt: den guten Ruf einer Firma. Das zeigte sich auf dem Finanzplatz beim Kollaps der Credit Suisse oder letzte Woche, als bei der Bank Julius Bär die Konsequenzen aus dem Benko-Debakel gezogen wurden: «Es ist ihre letzte Chance, die Reputation zu retten», meinte die NZZ.
Die Zürcher Transformations- und Reputationsexpertin Diana Brasey hat zum Scheitern der CS einen Gastbeitrag im «Tages-Anzeiger» veröffentlicht. Sie ist überzeugt, dass sich Firmen mehr um ihre Reputation kümmern, und das nicht nur auf dem Finanzplatz: «Es braucht eine Person in der Geschäftsleitung, die sich um das Reputationsmanagement kümmert.»
Bei den Banken fehlte das Sensorium dafür, und auch sonst ist Brasey ernüchtert, was ihre Erfahrungen mit Schweizer Firmen angeht: «Sie haben das Gefühl, dies gehe sie nichts an.» Dabei mache die Reputation 90 Prozent des Unternehmenswerts aus. Am WEF in Davos habe sie gemerkt, dass selbst Firmen aus Dubai «weiter sind und ganzheitlich denken».
«Es geht uns zu gut», meint Diana Brasey: «Sie haben das Gefühl, erst dann reagieren zu müssen, wenn die Krise da ist, und dann ist es leider zu spät.» Die in Umfragen erklärte Bereitschaft, die EU-Regeln zu übernehmen, könnte auf ein Umdenken hindeuten. Der Bundesrat aber will vorerst nur bei der Nachhaltigkeitsberichterstattung nachbessern.
Zuständig ist der neue SP-Justizminister Beat Jans. Die Koalition für Konzernverantwortung wiederum analysiert aktuell die finale EU-Richtlinie. Man habe vor, noch dieses Jahr eine weitere Volksinitiative zu lancieren, sagte Vorstandsmitglied Dominique de Buman.
Der Bundesrat geht mir langsam aber sicher auf die Eier mit seinem devensivem Verhalten!
Er zeigt null Haltung bei so vielen wichtigen Dingen.