Das Europaparlament hat das EU-Lieferkettengesetz zum Schutz von Menschenrechten gebilligt. Das umstrittene Vorhaben ist auf den letzten Metern abgeschwächt worden. Auch Schweizer Unternehmen sind von der neuen Regelung betroffen. Die Mitgliedstaaten müssen dem Gesetz noch offiziell zustimmen.
Das Parlament der Europäischen Union machte am Mittwoch den Weg frei für ein europäisches Lieferkettengesetz zum Schutz der Menschenrechte. Eine Mehrheit der Abgeordneten stimmte in Strassburg für das Vorhaben, wie das Parlament bekannt gab.
Ziel des Vorhabens ist unter anderem, dass Unternehmen künftig vor europäischen Gerichten zur Verantwortung gezogen werden können, wenn sie von Menschenrechtsverstössen in ihren Lieferketten profitieren. Denn wenn beispielsweise grosse Modeunternehmen ihre Pullis und Hosen von Kindern in Asien nähen lassen, sollen die Opfer solcher Ausbeutung nach dem neuen Lieferkettengesetz künftig auch Schadenersatz verlangen können.
Betroffen von den neuen EU-Regeln sind – vor allem wegen Bedenken unter den EU-Staaten – weniger Unternehmen als ursprünglich vorgesehen. Das Lieferkettengesetz soll nicht mehr für Firmen mit mehr als 500 Beschäftigten und mindestens 150 Millionen Euro Umsatz gelten. Die Grenze wurde auf 1000 Beschäftigte und 450 Millionen Euro angehoben. In den ersten Jahren sind beide Schwellen sogar noch höher.
Nicht-EU-Unternehmen, die einen Nettoumsatz von über 450 Millionen Euro in der EU erzielen, sind auch von der Richtlinie betroffen. Es werde Aufgabe der Kommission sein, eine Liste der Nicht-EU-Unternehmen zu veröffentlichen, die in den Anwendungsbereich der Richtlinie fallen, schrieb der Rat der Mitgliedstaaten im vergangenen Dezember.
Die betroffenen Unternehmen müssten sich bei einer Überwachungsbehörde eines EU-Staates melden, in der Regel im EU-Staat, in welchem das Unternehmen am meisten Umsatz generiert, wie es im Gesetzestext heisst. Grundsätzlich begrüsst die Koalition für Konzernverantwortung das EU-Gesetz, wie die Schweizer Organisation der Nachrichtenagentur Keystone-SDA auf Anfrage mitteilte.
Allerdings könnten ausländische Aufsichtsbehörden Schweizer Unternehmen für die Nichteinhaltung der Richtlinie nicht büssen. «Und auch zivilrechtlich haften die Unternehmen dort, wo sie ihren Sitz haben», erklärt Dominique de Buman, Alt-Nationalrat (Mitte) und Vorstandsmitglied der Koalition für Konzernverantwortung.
Damit auch Schweizer Unternehmen für Menschenrechtsverletzungen geradestehen müssen, kündigte die Koalition für Konzernverantwortung im vergangenen November eine mögliche Initiative für einheitliche Regeln wie in der EU an. Sie will Druck auf den Bundesrat machen und sicherstellen, dass das Thema nicht auf die lange Bank geschoben wird.
Die EU-Staaten müssen dem Vorhaben ebenfalls noch offiziell zustimmen, das gilt aber als Formsache. Denn Mitte März hatte im Ausschuss der ständigen Vertreter der Mitgliedstaaten eine ausreichende Mehrheit der EU-Staaten ihre Zustimmung signalisiert.
Das EU-Parlament hat grünes Licht für schärfere Grenzwerte gegen Luftverschmutzung gegeben. Die Abgeordneten stimmten am Mittwoch in Strassburg für neue Obergrenzen unter anderem für Feinstaub, Stickstoffdioxid (NO2) und Schwefeldioxid (SO2).
Schlechte Luft bleibt nach Einschätzung der EU-Umweltagentur EEA das grösste von Umweltbedingungen ausgehende Gesundheitsrisiko. Nach jüngsten Zahlen gab es im Jahr 2021 rund 253'000 Todesfälle in der EU, die im Zusammenhang mit Feinstaubwerten über den empfohlenen Grenzen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) standen.
Künftig sollen Bürger unter anderem eine Entschädigung bekommen können, wenn sie wegen nicht eingehaltener Grenzwerte krank werden. Der sozialdemokratische EU-Abgeordnete Javi López, der im Parlament für das Vorhaben zuständig war, sagte:
Die EU-Staaten müssen noch zustimmen, das gilt aber als Formsache.
Das EU-Parlament hat für eine Regelung gestimmt, mit der sexuelle und häusliche Gewalt in der EU künftig einheitlich schärfer geahndet wird.
Cyber-Stalking, Zwangsheirat, weibliche Genitalverstümmelung oder wenn intime Bilder ohne Einverständnis weiterverschickt werden, sollen demnach künftig in der gesamten EU unter Strafe stehen, entschied eine Mehrheit der Europaabgeordneten am Mittwoch in Strassburg.
Ausserdem müssten Betroffene Zugang zu geschützten Unterkünften haben. Die Behörden der Mitgliedstaaten müssen künftig zudem die Öffentlichkeit darauf aufmerksam machen, dass nicht einvernehmliche sexuelle Handlungen als Straftat gelten.
In der Richtlinie wurden keine EU-weiten Standards zu Vergewaltigungen geregelt. Das Parlament hatte eine solche Regelung gefordert, wonach jeder sexuellen Handlung zugestimmt werden müsse: Nur Ja heisst Ja. Mehrere Länder in der EU, darunter Deutschland, hatten das aber blockiert.
Die Kritiker argumentierten, dass es für eine solche einheitliche Regelung keine rechtliche Grundlage im Europarecht gebe, die EU damit ihre Kompetenzen möglicherweise überschreite. Ein entsprechender Artikel hat es daher nicht ins Gesetz geschafft.
Die EU-Staaten müssen dem Vorhaben noch zustimmen. Das gilt aber als Formsache. Für die Umsetzung der Bestimmungen haben die Mitgliedstaaten dann drei Jahre Zeit. (rbu/sda/dpa)