Die «Gruppe für die M-Werte» holt Hilfe beim Erfolgswerber, die Gottlieb-undAdele-Duttweiler-Stiftung enthält sich der Stimme – und fürchtet den Flickenteppich.
Florence Vuichard und Benjamin Weinmann / ch media

Migros-Gründer Gottlieb Duttweiler, 1950, vor einer Migros-Filiale in Zürich-Oerlikon.Str / Photopress-ArchivStr / Photopress-Archiv
Nicht mein Bier! Mit diesem Slogan steigt das Viererkomitee von Ex-Migros-Konzernchef Herbert Bolliger in den Abstimmungskampf: Die «Gruppe für die M-Werte» stemmt sich gegen die Pläne der aktuellen Migros-Führungsriege, das Alkohol-Verkaufsverbot aufzuheben, um künftig auch Bier, Wein und Schnaps ins Regal stellen zu dürfen.

Ex-Migros-Chef Herbert Bolliger ist gegen eine Statutenänderung und damit gegen den Alkoholverkauf in Migros-GeschäftenBild: KEYSTONE
Beauftragt mit der Gestaltung hat die «Gruppe für die M-Werte», zu der nebst Bolliger auch die frühere Migros-Kommunikationschefin Monica Glisenti, der ehemalige Migros-Pressesprecher Urs Peter Naef sowie der frühere Migros-Cheflobbyisten Martin Schläpfer gehören, nicht einfach irgendwen, sondern einer, der schon so manchen Abstimmungskampf gewonnen hat: den Grafiker und Werber Peter «Pesche» Merz aus Trubschachen im Emmental BE.
Zehn Kampagnen geführt, keine einzige verloren
Merz hat bis heute nicht weniger als zehn Volksabstimmungen gewonnen – und zudem noch keine einzige verloren: Er war Kampagnenleiter – damals noch im Sold der SBB – für die Abstimmungen zur Bahn 2000 und zur Neat, später weibelte er etwa für die Einführung der Leistungsabhängigen Schwerverkehrsabgabe (LSVA) oder für die Lockerung der sonntäglichen Ladenöffnungszeiten in den Bahnhöfen. Ebenso erfolgreich waren seine Nein-Kampagnen zur Buchpreisbindung oder zur Gastrosuisse-Initiative, mit welcher der Wirteverband den Mehrwertsteuersatz für Restaurants senken wollte.
Eigentlich macht Merz keine Abstimmungskampagnen mehr, er arbeitet heute als Maler, sein Atelier hat er im alten Worber Stationsgebäude eingerichtet. Aus Verbundenheit zu Schläpfer, mit dem er im Auftrag der Migros oder der Detailhandelsbranche manchen Abstimmungskampf geführt hat, macht er nun eine Ausnahme und nochmals eine Kampagne.
Die Angst vor dem Flickenteppich
Abgestimmt wird am 4. Juni, stimmberechtigt bei diesem symbolträchtigen Urnengang sind die insgesamt rund 2.3 Millionen Genossenschafterinnen und Genossenschafter der 10 Migros-Genossenschaften, welche parallel zu einander 10 Abstimmungen organisieren. Es ist also durchaus möglich, dass einige Genossenschaften der Aufhebung des Alkoholverbots mit der geforderten Zweidrittelsmehrheit zustimmen und andere nicht. Das hätte zur Folge, dass zum Beispiel die Migros Genf Bier und Wein verkaufen könnte, die Migros Luzern jedoch nicht. In anderen Worten: Es droht ein Flickenteppich.
Und das wiederum passt David Bosshart überhaupt nicht: Der Präsident der Gottlieb- und Adele-Duttweiler Stiftung, und damit so etwas wie der Sprecher des moralischen Gewissens der Migros, moniert: «Die Stiftung hätte für die Urabstimmung eine Zusatzfrage begrüsst, ob zum Beispiel bei einer Mehrheit von sechs Genossenschaften für den Alkohol die anderen vier ebenfalls verpflichtet werden sollen, dies umzusetzen.»
Und umgekehrt ebenso, wie Bosshart in einem diese Woche erschienen Interview mit dem «Migros Magazin» erklärt. Der Flickenteppich schade der kommerziellen und der ideellen Gemeinschaft, der Solidarität und der Einfachheit des Angebots. «Das gehört zum Kern der Migros-Werte.»
Nicht so einfach wie ein neuer Käse
Mit einer Stiftung wollten Gottlieb und seine Frau Adele Duttweiler einst garantieren, dass die Migros im Sinn ihrer Gründer weiterarbeitet. Dass es nun zur Abstimmung über die Alkohol-Frage kommt, stört Bosshart nicht:
«Man kann auf demokratischem Weg alles ändern in der Migros.»
Das begrüsse man. Nur liessen sich Wein und Bier nun mal nicht so einfach einführen wie eine neue Käsesorte.
Das Alkoholverbot sei ein Kernwert der Migros-Identität, der über Jahrzehnte gewachsen sei, betont Bosshart. Deshalb erwarte er, dass die Migros erklärt, wie sie dieses Alleinstellungsmerkmal ersetzen würde, sollte Alkohol künftig in den Regalen stehen. «Zu sagen, sie leiste zum Beispiel über das Kulturprozent schon viel für die Gesellschaft, ist zwar richtig und gut, aber auch ein bisschen bequem.»
Was Dutti wohl sagen würde?
Die Stiftung hat die Stimmfreigabe beschlossen. Auf die Frage, wie wohl Gottlieb «Dutti» Duttweiler selbst stimmen würde, antwortet Bosshart nicht eindeutig: «Aufgrund seiner Schriften liegt die Vermutung nah, dass er weiterhin alles der Frage unterordnen würde, was die Gemeinschaft und die Ideen der Migros langfristig stärkt.»
Allerdings betont er auch, dass die hiesige Kundschaft nach wie vor höhere Ansprüche an die Migros stelle als an ihre Mitbewerber:
«Das ist gut so, und das müssen wir bewahren. Es wäre traurig, einem schleichenden Wandel nachzugeben und irgendwann feststellen zu müssen, dass man austauschbar geworden ist.»
Erst kürzlich hatte die ehemalige LdU-Politikerin und Migros-Managerin Monika Weber, die als ausgesprochene Dutti-Expertin gilt, sich in der «Schweiz am Wochenende» gegen den Alkoholverkauf ausgesprochen. (aargauerzeitung.ch)
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quelle: watson
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