Stark juckender Ausschlag, Gesichtsschwellungen, im Extremfall gar ein allergischer Schock: Dies hatten Soja-Allergiker zu befürchten, die bei der Migros Zürich oder Luzern das vegane Ersatzprodukt mit dem vielversprechenden Namen «Die geschmackvolle Alternative» gekauft und gegessen hatten. Bei internen Kontrollen stellte die Migros Anfang März nachträglich fest, dass das Allergen Soja nicht deklariert worden war. Dasselbe bei zwei weiteren Käsealternativen der Linie V-Love.
Dass Händler wie die Migros Produkte aus dem Regal nehmen und Konsumentinnen und Konsumenten darüber informieren, ist keine Seltenheit. Im Februar musste die Migros Erdmandeln der deutschen Biokette Alnatura wegen Salmonellen aus den Läden entfernen. Zuvor waren es bei Ikea die vegetarischen Bällchen Huvudroll wegen Plastikteilchen gewesen, und Coop rief das Produkt Aladdin Baklava wegen Mykotoxin zurück. Das sind giftige, von Pilzen gebildete Stoffwechselprodukte.
Eine Auswertung aller öffentlich zugänglichen Rückrufe und Warnungen bis ins Jahr 2020 von CH Media zeigt nun, dass es bei den Fällen, die die grossen Detailhändler betrafen, beträchtliche Unterschiede gibt. So musste die Migros in diesem Zeitraum 15 öffentliche Warnungen und 7 Rückrufe veranlassen – insgesamt mehr als dreimal so viele wie Konkurrent Coop mit zwei Rückrufen und vier Warnungen. Danach folgen Aldi, Lidl und Denner.
Einen Rückruf müssen Händler hierzulande tätigen, wenn ein Produkt die Gesundheit gefährdet und bereits verkauft wurde. Sie müssen in Absprache mit dem kantonalen Labor die Lebensmittel aus dem Regal nehmen und in den betreffenden Filialen und im Internet informieren.
Ist die ganze Schweiz betroffen, ordnet das Bundesamt für Lebensmittelsicherheit zusätzlich eine öffentliche Warnung an. Eine Rücknahme ist die mildeste der drei Massnahmen: Sie erfolgt, wenn auf einer Etikette etwa Inhaltsstoffe – sofern keine Allergene – vertauscht wurden. In diesem Fall besteht keine Gefahr für die Gesundheit und die Produkte werden ohne Information aus den Regalen genommen.
Die Migros musste jüngst gleich drei vegane Ersatzprodukte zurückrufen, weil diese nicht deklariertes Soja enthielten. Ansonsten waren Pilze, Metallteile oder Sulfit der Grund für Rückrufe. Bei den öffentlichen Warnungen dominierten bei der Migros Belastungen mit Ethylenoxid – ein Phänomen, mit dem der Bund branchenweit die zuletzt steigende Zahl an Meldungen begründete.
Ethylenoxid ist ein krebserregendes Mittel, das die Industrie zur Desinfektion von Lebensmitteln einsetzt und das 2020 in Sesamsamen aus Indien entdeckt wurde. Seither kommt es immer wieder zu Rückrufen. Weitere Warnungen, welche die Migros aussprechen musste, betrafen Fertigsalate mit Listerien. Listerien sind vor allem für immungeschwächte Personen und Schwangere gefährlich.
Die Migros kann aus den vorliegenden Daten kein Qualitätsproblem ableiten. «Die Behandlung mit Ethylenoxid führte tatsächlich zu mehr Rückrufen als üblich. Ansonsten sind die Gründe vielfältig und haben jeweils unterschiedliche Ursachen.» Die Migros weist darauf hin, dass bei Coop das kantonale Labor in Basel-Stadt zuständig ist, bei der Migros hingegen die Aufsicht beim Zürcher Labor liegt.
Tatsächlich ist jeweils das Labor am Hauptsitz eines Händlers für Warnungen und Rückrufe zuständig. Doch arbeitet der Kantonschemiker in Basel wirklich anders als der Kollege in Zürich? Für den Zürcher Kantonschemiker Martin Brunner ist das keine Erklärung dafür, dass die Migros deutlich mehr Produkte zurückrufen musste.
Die Bestimmungen seien schweizweit harmonisiert, sagt Brunner. Neben den Analysen der Händler führt jeder Kanton zwar regelmässig eigene Untersuchungen durch, meist mit Produkten, bei denen die Kantonschemiker erhöhte Risiken vermuten. Die Labordetektive holen sich aber Stichproben aus allen Läden, bei der Migros sowie bei Coop und den restlichen Anbietern.
Zudem ist klar geregelt, wann ein Rückruf erfolgen muss – da gibt es für die Händler keinen Spielraum. Ausser sie wollen selbst ein Produkt, bei dem es etwa Kundenreklamationen gegeben hatte, zurücknehmen. «Unterschiedliche Häufigkeiten von Rückrufen sind kaum auf die unterschiedliche Zuständigkeit der kantonalen Behörden zurückzuführen», betont Brunner.
Natürlich ist die Migros mit über 600 Supermärkten und einem breiten Angebot exponiert. Allein die eigene Industrie produziert 20’000 verschiedene Produkte. Damit steigt automatisch das Risiko für Fehler im Vergleich zu Konkurrenten mit einem schmaleren Sortiment.
Zuletzt hängt die Zahl der Rückrufe auch davon ab, ob sich Händler und Behörden dazu entscheiden, in denselben Rückruf oder in dieselbe Warnung gleich verschiedene ähnliche Produkte zu integrieren. Und die tatsächlich betroffene Menge, die jeweils beanstandet wird, fehlt in den öffentlich zugänglichen Daten. Mit dieser Information könnte beleuchtet werden, welcher Händler mengenmässig am meisten Qualitätsprobleme bekundet.
Bei den kantonalen Labors ist die Zahl der Beanstandungen konstant und liegt bei und zehn Prozent der Proben. Dass es seit 2020 jedoch deutlich mehr Ethylenoxid-Fälle gegeben hatte, rief die Behörden auf den Plan. Die Importregeln wurden verschärft und die Labors testen auch andere Produkte auf die Substanz.
Die Händler ihrerseits versprechen, die Zahl der Rückrufe in ihrer Qualitätssicherung zu berücksichtigen. «Sicherheit geht vor und wenn eine Gesundheitsgefährdung vorliegen könnte, rufen wir ein Produkt auch zurück», hält die Migros fest. Man prüfe laufend die Prozesse und die Einhaltung der Vorgaben entlang der gesamten Lieferkette.
Dasselbe bei Coop: «Wir berücksichtigen neue Erkenntnisse beim Qualitätsmanagement laufend und treffen entsprechende Massnahmen.» Dies betreffe auch die Ethylenoxid-Problematik, bei der man neue Lieferungen nun vorgängig prüfe und dann freigebe. (aargauerzeitung.ch)
Kant. Labore führen schweizweit Stichproben durch, was bedeutet, dass z.B. auch ein Kant. Labor aus Genf Stichproben bei der Migros macht.
Auch sind die Grenzwerte von Inhaltsstoffen gesetzlich festgelegt, woran sich natürlich alle schweizweit halten müssen.
Ergo: Migros hat in den letzten Jahren mehr Rückrufe wegen Produktemängel und nicht wegen dem Standort des Hauptsitzes gehabt.
Ich bin selber Produzent und kenne darum die Gesetzlage zu den Kant. Laboren.