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VW-Skandal: Für Schweizer Kunden gab es Sackmesser statt Entschädigungen

VW-Skandal: Für die Schweizer Kundschaft gab's Sackmesser statt Entschädigungen

Seit Jahren kämpft die Stiftung für Konsumentenschutz für Entschädigungen. Bislang vergeblich. Ein letzter Strohhalm ist der Ständerat.
26.05.2025, 15:4226.05.2025, 16:27
Maurizio Minetti / ch media
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Ein Gericht in Deutschland hat zehn Jahre nach dem Auffliegen des VW-Dieselskandals vier frühere Manager und Ingenieure wegen Betrugs schuldig gesprochen. In vielen Ländern gab es in den letzten Jahr für die Kundschaft Genugtuung. Weltweit erhielten zahlreiche Kundinnen und Kunden Entschädigungen von VW; in Österreich zum Beispiel konnten die Kläger pro VW-Fahrzeug eine Entschädigung von rund 2000 Euro mittels einer Sammelklage erstreiten.

Die Importeure von Neuwagen mussten 2019 rund 78 Millionen Franken Busse bezahlen, weil die verkauften Fahrzeuge die CO2-Grenzwerte nicht einhielten. (Archivbild)
VW-Fahrzeuge bei Amag im Jahr 2019.Bild: sda

Der VW-Skandal hat in den letzten Jahren auch die Schweiz beschäftigt. Hierzulande ging die Kundschaft aber leer aus. Die rund 175'000 Schweizer Autofahrerinnen und Autofahrer, die vom Dieselskandal betroffen waren, erhielten 2017 vom VW-Generalimporteur Amag lediglich ein Geschenkpaket. Darin enthalten: Ein 100-Franken-Gutschein für den nächsten Service, ein kleines Sackmesser, ein Schlüsselanhänger, ein Etui und eine Broschüre. Das Paket sei «eine rein schweizerische, freiwillige Goodwill-Aktion seitens des Markenpartners und der Amag», sagte ein Amag-Sprecher damals.

«Dieses Geschenkpaket ist ein Hohn für die betroffenen Kunden», sagte Sara Stalder, Geschäftsleiterin der Stiftung für Konsumentenschutz. Sie ist heute noch im gleichen Amt tätig und kämpft weiterhin für die Rechte der hiesigen Kundschaft. Im Mittelpunkt steht dabei die Tatsache, dass hierzulande keine Sammelklagen möglich sind. Die Stiftung für Konsumentenschutz hatte 2017 für 6000 Schweizer Autohalter Schadenersatz eingeklagt, doch das Bundesgericht ging nicht darauf ein.

Vorlage zu Sammelklagen klar abgelehnt

Politisch hat sich seitdem nicht viel getan. Schon 2013, zwei Jahre vor diesem VW-Skandal, beauftragte das Parlament den Bundesrat, die Sammelklage auch hier zu ermöglichen. Jahrelang passierte aber nichts, bis im vergangenen März zum ersten Mal eine Vorlage im Nationalrat beraten wurde. «Es ist keine strenge Vorlage, die wichtigsten Zähne wurden ihr gezogen», sagte Stalder im Vorfeld bereits resigniert. Selbst diese harmlose Vorlage wurde klar abgelehnt. Zur Freude des Wirtschaftsdachverbands Economiesuisse. Die Vorlage hätte in Wahrheit «einen tiefgreifenden Paradigmenwechsel im Schweizer Rechtssystem bewirkt und eine Entwicklung in Gang gesetzt, die vor allem eine Klageindustrie nach ausländischem Vorbild begünstigt hätte», teilte Economiesuisse mit.

Die Diskussion ist allerdings noch nicht vorbei. Die Rechtskommission des Ständerats hätte die Vorlage bereits Anfang April beraten sollen, doch sie hat beschlossen, vor der Debatte zur Vorlage zum kollektiven Rechtsschutz internationale Expertinnen und Experten anzuhören. Sie hat nun von der Bundesverwaltung zusätzliche Informationen verlangt. Die Kleine Kammer kann damit frühstens in der Herbstsession über das Geschäft befinden. Verweigert auch der Ständerat die Zustimmung, ist die Vorlage endgültig vom Tisch – das ist angesichts der politischen Mehrheiten im Ständerat das wahrscheinlichste Szenario. (aargauerzeitung.ch)

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58 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Tim3000
26.05.2025 16:16registriert März 2021
Das Problem ist hier nicht primär VW, sondern das bürgerliche Parlament das Sammelklagen verhindert. Man kann nicht erwarten, dass ein Konzern von sich aus hunderte Millionen an Entschädigungen ausbezahlt. Dafür braucht es die Sammelklagen um sie dazu zu zwingen.

Unser bürgerliches Parlament schützt lieber Unternehmen gegen berechtigte Sammelnklagen, als sich in dieser Sache auf die Seite des Volkes zu stellen und uns dieses Instrument zu geben.

Wieder mal ein Paradabeispiel dafür, wie sehr die selbst ernannte Partei für das Volk namens SVP wirklich Politik fürs Volk macht.
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ich_habe_da_mal_eine_frage
26.05.2025 16:12registriert November 2024
Die damaligen Kundinnen und Kunden haben das nicht vergessen, weder das Verhalten des Volkswagen-Konzerns noch die Nicht-Kommunikation der AMAG als Importeurin. Ich hatte auch so einen Schummeldiesel. Und meide diese Hersteller / Händler seither konsequent.
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Brat Wurst
26.05.2025 16:12registriert November 2017
Ich habe einen VW Touran TDi, welcher auch betroffen war. Habe mich (nach Aufruf der Stiftung für Konsumentenschutz) an eine Sammelklage angehängt, welche in Österreich über die Bühne ging. Letzten Dezember war das Urteil: es gibt nix, da die Vorstände (VR) nicht haften und da der Konzern schon eine Busse (1 Mia EUR) bezahlen musste.
Der deutsche Staat hat also kassiert, obwohl er bei der Zertifizierung versagt hat, der Konsument hat ein zertifiziertes Produkt, welches nicht dem entspricht, was er gekauft hat und der VR ist raus…
Gut, werden die Verantwortlichen jetzt angepackt!
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