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Massenentlassung bei Comparis - schwere Vorwürfe gegen Finma

ARCHIV -- ZUM TAGESGESCHAEFT DER FRUEHJAHRESSESSION AM DIENSTAG, 5. MAERZ 2019, STELLEN WIR IHNEN FOLGENDES THEMENBILD ZUR VERFUEGUNG -- 
Eine junge Frau beim Vergleichen verschiedener Krankenkassen- ...
Laut internen Quellen werden bei Comparis 30 der 180 Stellen gestrichen.Bild: KEYSTONE

Massenentlassung bei Comparis – schwere Vorwürfe gegen Finanzmarktaufsicht

Comparis ist der führende Anbieter für Vergleiche von Krankenkassen, Hypotheken und Handy-Abos. Nach jahrelangem Wachstum ist die Firma in eine Krise geraten. Nun hat sie die Mitarbeitenden über drastische Einschnitte informiert. Schuld daran seien auch die Behörden.
02.03.2023, 20:3302.03.2023, 22:52
Patrik Müller / ch media
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Hiobsbotschaft für das Personal des Vergleichsdienstes Comparis: An einer internen Information erfuhren die Mitarbeitenden, dass jede sechste Stelle gestrichen wird. Wegen der vielen Betroffenen muss das gesetzliche Konsultationsverfahren für eine Massenentlassung eingeleitet werden. Es geht laut internen Quellen um 30 der 180 Stellen.

Der neue CEO Ingo Kopido sagte den Angestellten am Donnerstag, es sei «bitter, aber notwendig», die Kosten massiv zu senken. Er deutete an, dass ohne drastische Massnahmen sogar das Überleben von Comparis gefährdet sei. Wie er bekannt gab, ist die Comparis-Gruppe (Decisis Holding) im vergangenen Jahr in die roten Zahlen gerutscht. Der Umsatz war rückläufig, während die Kosten angestiegen sind. Gemäss internen Quellen sagte Kopido, im laufenden Jahr drohe erneut ein Verlust.

Comparis wurde 1996 gegründet und stieg zu einer der meistgenutzten Schweizer Websites auf. Das Unternehmen entdeckte sehr früh, dass sich aus dem Bedürfnis nach Preis- und Produktvergleichen im digitalen Zeitalter ein Geschäftsmodell bauen lässt. Zum Beispiel in der Krankenkassenbranche. Wer sich informieren wollte, welche Kasse für ihn am günstigsten ist, klickte fortan auf Comparis.

Doch in jüngster Zeit häuften sich negative Schlagzeilen. Comparis wurde vorgeworfen, nicht immer neutral zu sein. Trotzdem bleibt das Portal reichweitenstark, vor wenigen Tagen stieg es durch eine Kooperation mit dem TCS in den Vergleich von Benzinpreisen ein.

«Existenzielle Risiken»

Reichweite bedeutet nicht automatisch Umsatz. Als Ingo Kopido Anfang Januar 2023 CEO wurde, stellte er Kostenüberschreitungen und Überkapazitäten fest. Zuerst glaubte er, ein Einstellungsstopp reiche aus, doch nähere Prüfungen zeigten laut Insidern ein dramatisches Bild, sogar von «existenziellen Risiken» ist die Rede. Darum nun die Massenentlassung.

Es ist nicht nur die Geschäftsentwicklung, die dem neuen Firmenchef Sorgen bereitet, sondern auch ein juristisches Risiko. Comparis steht in einem Rechtsstreit mit der Finanzmarktaufsicht (Finma). Dieser begann im Sommer 2019 und hat sich seither verschärft; in einem Schreiben der Aufsichtsbehörde von Februar 2023 droht diese, die in früheren Jahren erzielten Firmengewinne einzuziehen. Deshalb hat Comparis Rückstellungen gebildet. Diese belasten das Ergebnis enorm und seien «mitschuldig» an den Entlassungen, wurde dem Personal mitgeteilt.

The Comparis website on a smart phone, pictured in Zurich, Switzerland, on September 4, 2014. (KEYSTONE/Gaetan Bally)
Comparis bietet verschiedene Preis- und Produktvergleiche an. Bild: KEYSTONE

Der Streit dreht sich um die Frage, ob sich Comparis als Versicherungsvermittler registrieren müsse. Seit der Firmengründung hat sie dasselbe Geschäftsmodell, darum erschütterte das Verfahren der Finma das Unternehmen. Gemäss Aufsicht ist Comparis als Vergleichsdienst auch ein Versicherungsvermittler und muss sich registrieren. Comparis-Gründer Richard Eisler kämpft gegen diese mit vielen Auflagen und Rechtskosten verbundene Registrierung.

Finma droht dem Gründer mit happiger Strafe

Laut internen Unterlagen hat die Finma Eislers Widerstand nicht goutiert und den Ton mit jedem Schreiben verschärft. Zuletzt drohte die Aufsicht dem Firmengründer ein Strafverfahren an, der Strafrahmen reiche von Busse bis zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren, hiess es.

Eisler gibt bis zum heutigen Tag nicht klein bei. Schon eine Million Franken an Anwaltskosten hat er gemäss zuverlässigen Quellen für seinen Kampf aufgewendet. Es geht für ihn um viel, nicht nur persönlich: Wenn die Finma tatsächlich die Gewinne seit 2015 einzieht, wie sie androht, dann wäre dies womöglich das Ende von Comparis. Eisler spricht von «Drohkulisse» und von möglicherweise existenzbedrohenden Folgen, falls die Finma ihren Drohungen Taten folgen lasse.

Eisler macht geltend, er habe auf die Kritik der Finma ja reagiert. Wer auf Comparis Prämien vergleicht, kann eine konkrete Offerte der Versicherung nicht mehr direkt bei Comparis bestellen, sondern nur noch über eine bei der Finma registrierte Brokerfirma.

Der Rechtsstreit ist für die Beteiligten bei Comparis zermürbend. Eisler wirft der Finma vor, sie drangsaliere ihn – und er bekomme nicht einmal eine beschwerdefähige Verfügung, die er dann am Bundesverwaltungsgericht anfechten würde. Eisler ist verbittert und sieht sein Lebenswerk bedroht: «Ich habe den Glauben an den Rechtsstaat verloren», sagte er gegenüber Mitarbeitenden. (aargauerzeitung.ch)

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67 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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MartinZH
02.03.2023 21:45registriert Mai 2019
Ich begrüsse es sehr, dass diesem Unternehmen mit seinen obskuren und unlauteren Methoden endlich der Riegel geschoben wird.

Das Unternehmen hat sich von seinem Anspruch aus der Gründerzeit als objektives Vergleichsportal im Sinne des Konsumentenschutz' schon längst verabschiedet:

Aufmerksame Konsumenten haben dies schon längst begriffen, weshalb der Geschäftsrückgang (inkl. Entlassungen) darauf – und auf nichts anderes – zurückzuführen ist.

Bsp. KK-Vergleich: Das unabhängig Portal vom Bund arbeitet korrekt. Bei "anderen" Portalen erscheinen Angebote, wo keine Provision gezahlt wird, nicht.
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N. Y. P.
02.03.2023 22:34registriert August 2018
Comparis soll ein Vergleichsportal sein?

Lustig. Wessen Geld ich nehm, dessen Lied ich sing.

Comparis hatte einen richtig guten Ruf. Dann wurden sie geil auf Geld und der gute Ruf schmolz wie Butter in der Pfanne.

Ohne Not haben die geldgeilen Lenker Comparis in den Ruin getrieben. Spätestens in 12 Monaten ist Schluss.
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namib
02.03.2023 22:29registriert März 2018
Es sind immer die anderen schuld. In diesem Fall die FINMA, die sich erdreistet, für ein bewilligungspflichtiges Geschäftsmodell tatsächlich eine Bewilligung zu verlangen🤔

in einem Rechtsstaat braucht es im Normalfall Bewilligungen, die vom Regulator verlangt werden. Den „Glauben an den Rechtsstaat verlieren“ würde ich nur, falls das nicht so ist.
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