War da nicht mal was? Menschenleere Flughäfen, Himmel ohne Kondensstreifen? Die grösste Krise in der Geschichte der internationalen Luftfahrt ist nicht lange her. Doch sie scheint weit weg. Die über Monate hinweg gegroundeten Airline-Flotten düsen wieder um die Welt. Die Buchungszahlen haben die Covid-Fallzahlen hinter sich gelassen und die Fluggesellschaften erzielen wieder Rekordgewinne.
Doch war da nicht noch etwas anderes? Vor der Krise? Bis zum Ausbruch der Coronapandemie war die Luftfahrtindustrie mit einer anderen Herausforderung konfrontiert - der Nachhaltigkeitsdebatte. Kaum eine andere Branche stand derart am Pranger für ihre Umweltbelastung wie jene von Swiss, Emirates und Co. Und nun, mit dem Abflauen der Pandemie, rückt diese Debatte in vielen Ländern wieder ins Zentrum. Masken und Covid-Tests mögen vorerst Vergangenheit sein, die Diskussion rund um Ticketsteuern und Kerosinabgaben ist es nicht.
Dies zeigt eine neue Umfrage. Diese hat die britische Billigairline Easyjet - die Nummer eins an den Flughäfen Genf und Basel - beim Marktforschungsinstitut Yougov in Auftrag gegeben. «CH Media» liegen die Resultate vor. Befragt wurden je 1000 Personen in der Schweiz, Frankreich, Deutschland, Italien, Portugal, Spanien und in den Niederlanden.
Bemerkenswert ist, dass die Schweiz gleich bei mehreren Fragen heraussticht. So zum Beispiel beim Thema Flugscham. Über 40 Prozent der Befragten in der Schweiz geben an, ein Schuldgefühl zu verspüren wegen der negativen Auswirkungen des eigenen Flugs auf die Umwelt. Die Flugscham ist in keinem anderen der Länder aus der Umfrage grösser. Der Schnitt liegt bei 35.6 Prozent.
Das schlechte Gewissen kommt denn auch nicht von ungefähr. Denn die Studie bringt zum Vorschein, was schon frühere Studien aufgezeigt haben: Die Schweizer Bevölkerung verreist besonders gern mit dem Flugzeug. Im Vergleich zu den anderen sechs Ländern der Easyjet-Auftragsstudie sogar am häufigsten. 24.7 Prozent der Schweizer Umfrageteilnehmenden geben an, in den vergangenen fünf Jahren fünf oder mehr Europaflüge absolviert zu haben. Dahinter folgen die Spanier mit 22.3 Prozent. Die Frage nach Langstreckenflügen wurde nicht gestellt.
Thomas Haagensen, Europa-Chef von Easyjet, verweist im Gespräch auf die knapp 85 Prozent der Befragten, die sich für emissionsfreie Flüge interessieren. «Das zeigt, dass das Bedürfnis nach neuen Technologien auch bei der Kundschaft gross ist», sagt Haagensen. Nur: So weit ist die Industrie noch lange nicht.
Laut Haagensen setzt Easyjet insgesamt auf sechs Massnahmen, um nachhaltiger zu werden. Drei davon sind schon heute machbar - oder wären es zumindest. «Eine grosse Hebelwirkung haben die neuen Flugzeuge, in die wir investieren», sagt Haagensen. Easyjet habe 168 Airbus-Neo-Maschinen in der Pipeline, zusätzlich zu den bestehenden 59, die bereits im Einsatz sind. «Sie reduzieren dank moderner Technologie die CO2-Emissionen der Flotte um 15 Prozent.»
Im November 2021 hat sich Easyjet der von den Vereinten Nationen unterstützten «Race to Zero»-Initiative angeschlossen. Damit verpflichtet sich die Billigairline, bis 2050 Netto-null-Emissionen zu erreichen. Als Zwischenziel gilt 2035 mit einer Reduzierung der Treibstoffemissionen um 35 Prozent gegenüber 2019.
Kürzlich hat Easyjet angekündigt, seine Flugzeugflotte mit der sogenannten «Descent Profile Optimization»-Software von Airbus auszurüsten. Dies soll das Landeverfahren effizienter machen und so den Kerosinverbrauch um rund ein Prozent senken. Und dann gäbe es da noch das Projekt Single European Sky, über das die Luftfahrtindustrie seit Jahren spricht, doch bis heute ohne Resultat.
«Mit einer Vereinheitlichung des europäischen Luftraums könnten bis zu 10 Prozent der CO2-Emissionen verhindert werden», sagt Haagensen. Denn heute werde der Luftraum zu fragmentiert gesteuert, was zu ineffizienten Routen führe. «Leider fehlt es hier noch immer am politischen Willen für eine Veränderung.»
Nebst diesen nennt Haagensen drei weitere Massnahmen, die allerdings erst auf kleinem Niveau oder in Zukunft realisierbar sind. Dabei geht es um innovative Technologien. Bei der ersten handelt es sich um das sogenannte Sustainable Aviation Fuel - kurz SAF. Vor allem die Lufthansa-Gruppe - und mit ihr die Swiss - setzt grosse Hoffnungen darauf.
Das SAF wird aus erneuerbaren Abfall- und Restrohstoffen hergestellt und soll laut den Herstellern rund 80 Prozent weniger Treibhausgasemissionen verursachen im Vergleich zu fossilem Treibstoff. Die Swiss und die Lufthansa-Gruppe sind mit dem ETH-Spin-off Synhelion zuletzt eine strategische Zusammenarbeit eingegangen für die Markteinführung von solarem Treibstoff. Die Swiss soll damit 2023 zur weltweit ersten Fluggesellschaft werden, die Solarkerosin nutzen wird.
Die zweite Zukunftshoffnung ruht laut Easyjet-Manager Haagensen auf der Entnahme von CO2 aus der Atmosphäre und dessen Speicherung. Und die dritte lautet Wasserstoff. Easyjet ist dafür mit dem Triebwerkshersteller Rolls-Royce eine Kooperation eingegangen. Gemeinsam möchten sie die Entwicklung von Wasserstoffverbrennungsmotoren für den Antrieb verschiedener Flugzeuge vorantreiben. Durch die Partnerschaft soll nachgewiesen werden, dass Wasserstoff das Potenzial hat, ab Mitte der 2030er-Jahre eine Reihe von Flugzeugtypen anzutreiben.
Jörg Au, Geschäftsleitungsmitglied von Rolls-Royce Deutschland, betonte diese Woche an einem Branchenanlass in Berlin, dass die Entwicklung der Wasserstoffverbrennung mit «wahnsinnig grossen Risiken» verbunden ist. Es brauche viel Unterstützung vom Staat, damit Rolls-Royce diese Risiken auf sich nehme. «Denn für uns als Industrie ist das Risiko damit verbunden, dass es nicht funktioniert.» Zudem gilt Wasserstoff in der Branche nur als potenzielle Kerosinalternative für kurze Flüge, nicht für Flüge über den Atlantik oder Pazifik.
Und so bleibt der gesellschaftliche und politische Druck. In manchen europäischen Ländern wie Deutschland oder Frankreich sind Flugticketsteuern bereits seit längerem Tatsache. Auch in der Schweiz ist die Debatte darüber nicht vom Tisch - zum Ärger von Haagensen: «Die Billigairlines haben viel zur Demokratisierung des Fliegens beigetragen. Zusätzliche Steuern und Taxen würden diese bedrohen und bringen wenig zur Reduktion von CO2-Emissionen.»
Ein Drittel der befragten Schweizer lehnen eine Ticketsteuer hierzulande ab. 19 Prozent finden derweil, dass Passagiere eine Steuer bezahlen sollten abhängig der Flugdistanz. Sprich: Der Aufschlag für den Flug ab Zürich nach San Francisco wäre deutlich grösser als für die Reise nach Berlin. Und 17 Prozent möchten Business-Class-Passagiere stärker besteuern als jene in der Economy.
In der Bevölkerung scheint die Bereitschaft zu existieren, für grünere Flüge ohne Emissionen einen höheren Ticketpreis in Kauf zu nehmen. Rund 40 Prozent wären laut der Auftragsstudie von Easyjet demnach bereit, bis zu 10 Prozent mehr für eine solche Bordkarte zu bezahlen. 17 Prozent würden sogar einen Fünftel mehr bezahlen. 28 Prozent der Leute sind hingegen gar nicht gewillt, dafür tiefer in die Tasche zu greifen.
Und: In Bezug auf eine nachhaltigere Aviatik sehen die Befragten in erster Linie die Flugzeughersteller in der Verantwortung (23 Prozent), gefolgt von den Regierungen (18 Prozent) und den Airlines (11 Prozent). (aargauerzeitung.ch)
es ist wie wenn die leute zu nach ihrem black friday shopping trip ausrechnen, wieviel sie gespart haben. gar nichts habt ihr gespart. wer konsumiert gibt geld aus. wer fliegt, verpestet die umwelt.