Der französische Multimedia-Händler Fnac richtet mit der grossen Kelle an: Der Konzern mit einem Jahresumsatz von 8 Milliarden Franken will die Deutschschweiz erobern und M-electronics, Orell Füssli und Co. Kundschaft abjagen. Dies, obwohl ein erster Versuch 2008 mit einer Filiale in Basel gescheitert ist. Für die neue Offensive setzt Fnac auf die Kooperation mit dem Schweizer Warenhaus Manor. In 27 Filialen wird Fnac künftig den Bücher-, Computer- und Haushaltselektronik-Verkauf übernehmen.
Fnac setzt auch beim Personal an. Auf der Verkaufsfläche werden mehr Angestellte als zuvor unter der Regie von Manor eingesetzt, um die Kundschaft zu beraten. Mit der Expansion schaffe man 150 neue Stellen, wobei rund 40 Angestellte von Manor übernommen werden, sagt Fnac-Suisse-Chef Cédric Stassi im Gespräch. Allerdings müssen die Fnac-Angestellten ein neues Lohnmodell akzeptieren, wie Stassi auf Anfrage einräumt. «Unsere Vergütungsstruktur besteht aus einem Fixsalär und einem variablen Teil.»
Und wovon hängt dieser ab? «Einerseits natürlich von den Verkäufen, andererseits aber vor allem auch von der Zufriedenheit unserer Kunden und Mitglieder.» Nach jedem Kauf schicke man dem Kunden oder der Kundin eine Umfrage mit einer Notenskala von 1 bis 10, sagt Stassi. «1 bis 6 ist unbefriedigend, 7 bis 8 ist mittelgut, und 9 bis 10 ist sehr gut.»
Auch sogenannte Mystery-Shopper würden eingesetzt, um die Servicequalität vor Ort regelmässig zu überprüfen. Analysiert werden zudem Rezensionen auf Bewertungsplattformen. «Diese verschiedenen Parameter tragen zum Gesamtgehalt der Mitarbeiter bei, und wir unterstützen sie mit entsprechenden Ausbildungen auch, sich stetig zu verbessern», sagt Stassi. Der variable Lohnanteil betrage beim Management 25 Prozent, beim Verkaufspersonal sei er «etwas niedriger». Eine genaue Zahl nennt der Konzern nicht.
Auch andere Punkte bleiben auf Nachfrage unbeantwortet: Was ist der Basissalär, und kann der Lohn bei schlechten Bewertungen auch darunter fallen? Wie viel hängt vom Verkauf und wie viel von der Kundenzufriedenheit ab? Ein Sprecher sagt einzig, dass das Grundgehalt eine kollektive und individuelle variable Vergütung umfasse. Fnac habe mit diesem Salärmodell sehr gute Erfahrungen gemacht, auch in der Romandie, wo der Händler seit mehreren Jahren mit eigenen Filialen präsent ist. Zudem würden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter durch Schulungen unterstützt.
Dennoch stösst das Fnac-Modell bei der Gewerkschaft Unia auf Ablehnung. Ein Lohnsystem, das auf dem subjektiven Gusto der Kundschaft und als Kunden getarnten Käufern beruhe, sei äusserst stossend, sagt Leena Schmitter, Detailhandelsexpertin bei der Unia. Die Anstellungsbedingungen seien schon heute oft prekär. «Wenn nun der Lohn auch noch von der Zufriedenheit der Kundschaft abhängig ist, erhöht dies den Druck auf das Personal zusätzlich.»
Ein solches Salärsystem kenne man im Schweizer Detailhandel bisher kaum, sagt Schmitter. «Dass ein renommierter Händler wie Manor die Arbeit an Partner mit solchen unfairen Lohnmodellen auslagert, ist nicht in Ordnung.»
Die Gewerkschafterin verweist darauf, dass Manor während der Coronapandemie die Anstellungsbedingungen für das Verkaufspersonal verschärft und die Wochenarbeitszeit von 41 auf 42 Stunden erhöht hatte – bei gleichbleibendem Lohn (CH Media berichtete). Wer die Vertragsänderung nicht annehmen wollte, dem drohte die Kündigung.
Zudem geriet Manor im Sommer in die Kritik der eidgenössischen Datenschutzbeauftragten, nachdem das Warenhaus seine Mystery-Shopper aufgefordert hatte, ihm die Kassenzettel ihrer Testkäufe mit dem Namen der jeweiligen Kassiererinnen und Kassierer zukommen zu lassen. Gegenüber dem Portal «Bajour» sprach der Datenschutzbeauftragte von einer «sehr wahrscheinlich unverhältnismässigen Datenbearbeitung». Die Hobby-Detektive sollten im Namen von Manor überprüfen, wie oft die Kundschaft an der Kasse auf die Kundenkarte hingewiesen wird.
«Diese Entwicklung ist äusserst heikel, auch rechtlich», sagt Schmitter. «Das Salärmodell vom Partner Fnac geht nun leider in dieselbe Richtung.» Dabei sei die Logik des Lohns, dass man für die geleistete Arbeit fair bezahlt werde. «Um die Servicequalität zu erhöhen, braucht es eine gesunde Feedbackkultur, seriöse Weiterbildungen und Schulungen, aber nicht solche intransparenten und subjektiven Lohnsysteme, die für zusätzlichen Stress beim Personal sorgen und die Qualität ihrer Arbeit in Frage stellen.»
Obwohl mit Manor keine Sozialpartnerschaft bestehe, werde man mit der Warenhauskette die Diskussion suchen, um mehr über das Fnac-Salärsystem zu erfahren und Bedenken darüber anzusprechen.
Und wie macht es die Konkurrenz? Das Berner Warenhaus Loeb lässt ausrichten, dass die Kundenzufriedenheit regelmässig mittels Umfragen analysiert werde. Variabel sei für die Angestellten einzig die Prämie, die je nach Geschäftsergebnis ausbezahlt werde.
Bei Coop verweist eine Sprecherin auf die Supercard-App, über welche die Kundschaft die Zufriedenheit hinsichtlich Auswahl, Frische und Freundlichkeit in der entsprechenden Coop-Filiale angeben kann. Rückmeldungen könne man auch vor Ort im Supermarkt anbringen oder sich an den Kundendienst wenden. Einen Zusammenhang mit dem Lohn habe die Zufriedenheit nicht. Dies sei nie der Fall gewesen und sei auch nicht angedacht.
Migros-Sprecherin Cristina Maurer sagt: «Wir messen die Kundenzufriedenheit nicht mit einem Tool, sondern setzen auf Schulungen und direktes Feedback.» Sollten Kunden nicht zufrieden sein, gebe es in der Filiale den Kundendienst oder auch die M-Infoline.
Ein variabler Lohnanteil, der von der Kundenzufriedenheit abhängt, existiere nicht, und ein solches Modell sei auch nicht in Zukunft geplant, sagt Maurer – und nennt ein Argument, das Fnac und Manor nicht gefallen dürfte: «Die Methode ist nachweislich nicht sauber messbar.»
die meisten Kunden melden sich nur, wenn sie nicht zufrieden waren.
ergo besteht die Gefahr, dass das Ergebnis schlechter ausfällt und die Kundenzufriedenheit nur sehr beschränkt widerspiegelt - anhand dessen den variablen Lohnbestandteil festzulegen, finde ich äuserst fragwürdig!
Ich hasse wenig mehr am einkaufen, als wenn ich schon bevor ich die Ware erhalten habe, dazu aufgefordert werde diese zu bewerten.