Bei den Swissport-Angestellten am Flughafen Zürich brodelt es. Täglich schleppen sie Koffer, tanken Flugzeuge oder checken Passagiere ein. Jetzt mögen sie nicht mehr. Schon länger klagt das Bodenpersonal am Flughafen über schlechte Arbeitsbedingungen. Während der heissen Phase der Pandemie habe sich die Situation noch mehr verschärft, heisst es. Vergangene Woche kam es dann zum endgültigen Eklat: Die Gewerkschaften kündeten den Gesamtarbeitsvertrag (GAV) mit Swissport auf.
Ende 2020 hatten die Mitarbeitenden einem Krisen-GAV zugestimmt. Swissport steckte damals aufgrund der Pandemie in der Klemme. Die neue Zusatzvereinbarung zum sogenannten «GAV19» war als temporäre Kostensenkungsmassnahme zur Bewältigung der Corona-Krise gedacht. Die Angestellten von Swissport nahmen finanzielle Einschnitte, längere Arbeitszeiten und Ferieneinbussen in Kauf, um das wirtschaftliche Überleben ihres Arbeitgebers zu sichern. Voraussetzung für die Zustimmung zum Krisen-GAV war die Rückkehr zum regulären GAV19, sobald sich Swissport wirtschaftlich erholt hat. Doch jetzt, da sich die Situation wieder normalisiert hat, stellt sich Swissport quer.
Peter Aerni* arbeitet seit 1997 bei Swissport, er wurde noch zu Swissair-Zeiten eingestellt. Er hat sich hochgearbeitet und ist mittlerweile Teamleiter. Wie viele andere am Flughafen mag auch er seinen Job sehr. «Swissport ist eigentlich keine schlechte Firma. Wir arbeiten gerne hier, es herrscht ein spezieller Spirit», sagt der Mittvierziger. «Alles ist sehr familiär, jeder hilft jedem, wir sind super multikulti, das gefällt sehr vielen.»
Doch seit der Einführung des Krisen-GAV ist die Stimmung bei vielen im Keller, sagt Aerni. «Wir arbeiten drei bis vier Stunden mehr pro Woche und erhalten dafür rund 250 Franken weniger Lohn.» Ein einfacher Büezer erhalte bei Swissport 4100 Franken brutto. «Ausbezahlt sind das etwa 3500 Franken. Ein Hungerlohn.» Auch die Ferien wolle man von fünf auf vier Wochen kürzen.
Die Swissport-Angestellten haben 2019, kurz vor der Krise, eine Lohnerhöhung von einem Prozent bekommen. «Dies nutzt Swissport nun als Vorwand, um die Konditionen des Krisen-GAV zu behalten», sagt Peter Aerni.
Ein No-Go für Angestellte und Gewerkschaften. Die Swissport-Leitung und die Gewerkschaften werden sich deswegen seit Wochen nicht einig. Die Verhandlungsgemeinschaft besteht aus dem Kaufmännischen Verband Schweiz und den beiden Gewerkschaften VPOD und SEV-GATA. Sie sagen, Swissport sei nicht bereit, auf die Forderungen des Personals einzugehen. «Wir wollen mindestens zurück zum GAV19, dem Gesamtarbeitsvertrag, der vor der Krise gegolten hat. Zudem fordern wir aufgrund der aktuellen Situation einen Teuerungsausgleich und eine Verbesserung betreffend der sogenannten Off-Tage, um die Work-Life-Balance wieder herzustellen», sagt Regula Pauli, Gewerkschaftssekretärin von SEV-GATA.
Das Gegenteil sei jedoch der Fall, sagt Peter Aerni. «Wir arbeiten im Schichtbetrieb. Es gibt Früh-, Mittel- und Spätschichten. Aber auch sogenannte Split-Schichten.» Dabei fange man morgens um 6 Uhr an und arbeite bis 13:30 Uhr. Danach gebe es bis 16 Uhr eine Art Zimmerstunde, gefolgt von weiteren zweieinhalb Stunden Arbeit bis 18:30 Uhr. «An solchen Tagen sind wir über 12 Stunden am Flughafen.»
Gemäss Informationen, die watson vorliegen, steht nun sogar eine längere Split-Schicht zur Diskussion. Diese sei identisch mit der Ersten, mit dem Unterschied, von 18:30 Uhr bis 20:00 Uhr nochmals eine Pause zu haben und dann bis 22 Uhr arbeiten zu müssen. Ein 16-Stunden-Tag.
Normalerweise muss jeder Angestellte zwei solche Split-Schichten im Monat machen. Doch Swissport bietet auch Verträge an, bei denen man sich für acht solche Schichten verpflichtet. Dafür erhält man 750 Franken mehr pro Monat. Ein lukratives Angebot, für das sich angesichts des schlechten Lohnes viele entscheiden.
Nun könnte noch eine zweite, längere Split-Schicht dazukommen. «Swissport scheint zu vergessen, dass wir Menschen sind und keine Maschinen», sagt Aerni. Der Job am Flughafen sei hart:
Bislang scheint Swissport nicht nachgeben zu wollen. Man lehne eine Rückkehr zum GAV19 ab, heisst es. Gegenüber dem «Tages-Anzeiger» gab sich Marco Bötschi, Zürcher Managing Director von Swissport, gelassen. Er sei überzeugt, dass man gemeinsam mit den Sozialpartnern einen neuen GAV abschliessen werde.
Der Flughafen Zürich und die Passagiere befürchten nun, dass es ausgerechnet während der Sommerferien-Zeit zu einem Chaos kommen könnte. Die Swissport-Angestellten und die Gewerkschaften seien bereit für Kampfmassnahmen. So schrieben sie es in einer Medienmitteilung. Was das genau bedeutet, liessen sich noch nicht verlauten. Streiken darf das Bodenpersonal nicht. Die Kündigungsfrist für den GAV beträgt sechs Monate, so lange gilt ein Streikverbot. Es könnte aber zu Protestaktionen am Flughafen kommen, die den Flugverkehr stören.
Peter Aerni hofft zwar, dass es nicht so weit kommt. «Wenn es nicht anders geht, werde aber auch ich mich solidarisch zeigen.»
*Name von der Redaktion geändert
Die (externe) Verursachung der Krise ist vorbei, alles was jetzt noch weiter gemacht wird ist völlig unverantwortlich gegenüber den Mitarbeitenden!