Anfangs noch neugierig beäugt, gehören sie inzwischen zum Stadt- oder Dorfbild: die meist weissen Zelte oder Container, wo das Personal der Laufkundschaft im Akkord lange Wattestäbchen in die Nase bohrt oder Spucke einsammelt. Seit Pandemiebeginn sind Testzentren wie Pilze aus dem Boden geschossen. Betrieben werden diese nicht nur von Kantonen, Universitäten oder Apotheken, sondern auch von Privaten.
Ein im Testwesen tätiger Insider bekräftigt gegenüber watson: «Insbesondere das Angebot von Antigen-Tests ist für private Betreiber ein lukratives Geschäft». Im Unterschied zu aufwendigen PCR-Tests, die in einem Labor ausgewertet werden müssen, können Antigen-Schnelltests bei einem Grosshändler relativ günstig eingekauft werden, sagt er.
Die Preise dafür sind im Gegensatz zu regulären medizinischen Massenprodukten äusserst intransparent. Lieferantinnen und Hersteller aus dem EU-Raum und der Schweiz – so etwa die Lucerna Chem AG oder die Vertriebsorganisation der Basler Roche – bieten Antigen-Schnelltests um 6.50 Franken pro Stück an.
Der Betrag kommt nicht von ungefähr: Es ist der Höchstbetrag fürs Schnelltest-Testmaterial, den der Bund seit Mitte Dezember übernimmt, wenn sich jemand testen lässt: Neben sechs Franken fürs Teststäbchen und Analysematerial, dürfen Testzentren insgesamt bis zu 36 Franken für den Abstrich der Schleimhäute den Krankenkassen verrechnen. Diese können wiederum den Betrag vom Bund auf Kosten der Steuerzahlenden zurückfordern.
In der Praxis dürfte der tatsächliche Einkaufspreis eines Antigen-Schnelltests aber tiefer als die maximalen 6.00 Franken liegen: Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) listet derzeit über 140 Antigen-Schnelltest-Produkte, die in der Schweiz angewendet werden dürfen. Viele davon werden von Firmen in chinesischen Städten wie Hangzhou oder Shenzhen hergestellt. Verkauft werden sie von europäischen Importhändlern für rund 3 Franken das Stück.
Somit überrascht es nicht, dass immer mehr Testzentren seit einigen Wochen in Schweizer Städten zu sehen sind. Die Menge macht dabei den Gewinn aus: Private Betreiber von Testzentren können die Kosten nicht nur beim Material optimieren, sondern auch bei der notwendigen Infrastruktur, beim Personal oder etwa bei der IT.
Der Platz fürs Testzentrum ist entweder gemietet oder im Fall der Stadt Zürich gar kostenlos zur Verfügung gestellt, wie das zuständige Sicherheitsdepartement auf Anfrage von watson verrät. Man habe «auf die Erhebung von Gebühren für die Benützung des öffentlichen Grundes für Testzentren verzichtet», da die Testkapazitäten benötigt werden. Sie seien ein «wichtiges Mittel im Kampf gegen die Pandemie», sagt Robert Soós von der städtischen Verwaltung.
Auch die regulatorischen Hürden gestalten sich niederschwellig, heisst es von mehreren Kantonen. Unter anderem muss ein Schutzkonzept eingehalten werden, geeignete Räumlichkeiten vorhanden und eine fachverantwortliche Person zugegen sein. Das Personal muss für die Probeentnahme praktisch geschult sein, aber kein Diplom besitzen. Werden diese Bedingungen eingehalten, erhalten die Betreiber vom Kanton eine Bewilligung.
Wie viele solche privat betriebenen Testzentren es gibt und welche Anbieter dahinter stecken, weiss allerdings nicht jeder Kanton. Auf Anfrage heisst es beispielsweise vom St. Galler Gesundheitsdepartement: «Wir führen keine Liste, das Testangebot ändert sich laufend.» Auch in Zürich weiss man nicht, wie viele Testzentren es gibt und wer diese betreibt. Beim Kanton Graubünden sei eine entsprechende Auflistung derzeit in Bearbeitung, heisst es.
Wer also sind die grossen privaten Player im Test-Geschäft? Im Internet wetteifern Betreiber um die besten Ränge bei Google und schalten dafür sogar Werbung. Ihre Webseiten wirken äusserst professionell, die Testzentren selbst werden aufwändig gestaltet, um möglichst aufzufallen. Wer hinter den Firmen steckt, ist aber nicht immer klar. So ist beim beliebten Anbieter «deintest.ch» auf dem Zürcher Busbahnhof quasi nur der Name bekannt.
Die Webseite verfügt über ein Impressum, das die Zuger Kessler Cooperation AG als verantwortliches Unternehmen aufführt. Die einzige im Handelsregister eingetragene Person im Verwaltungsrat entpuppt sich aber als Treuhänder. Er sagt gegenüber watson, dass er Geschäftsführer einer Firma sei, die auf das Gründen und Verwalten von Aktiengesellschaften und GmbHs spezialisiert ist. Mit dem operativen Geschäft von «deintest.ch» habe er nichts zu tun.
Die verantwortliche Person will gegenüber watson keine Stellung nehmen. Man wolle nicht in den Medien auftreten, heisst es. Die Geheimhaltung geht so weit, dass sogar die Halteranschrift der Webadresse «deintest.ch» von einem Privatsphäre-Dienstleister anonymisiert wurde.
Ein anderer grosser, privater Anbieter ist «testcenter-corona.ch» mit neun Teststellen in den Kantonen Zürich, St. Gallen, Glarus und in Liechtenstein. Als Betreiber wird zwar der St. Galler Hausarzt Michael Albertini angegeben; wer sich aber online bei ihm für einen Covid-Test anmeldet, schickt seine Daten nach Wien: Als verantwortliches Unternehmen bei der Anmeldung wird die österreichische AMZ GmbH genannt, die im Nachbarland mehrere Testzentren betreibt.
Von ihr liest man aber im offiziellen Impressum von «testcenter-corona.ch» nichts. Auch das Testzertifikat wird nur im Namen von Albertini ausgestellt. Zum Geschäftsgang sagt der Hausarzt, dass sich das Geschäft natürlich rentiere – «extrem bereichern tut man sich aber nicht». Konkrete Zahlen will er nicht nennen.
Das Thema ist auch den Behörden bekannt. Das BAG sagt etwa auf Anfrage, dass die erwähnten 36 Franken lediglich Höchstbeträge seien, der Bund übernehme nur die effektiven Kosten. In der Praxis bedeutet das: einzelne Testzentren verrechnen den vollen Betrag, bei einem Selbstversuch am Donnerstag wurden 35 Franken in Rechnung gestellt.
Diese Problematik ist dem BAG bewusst, wie es in einer Stellungnahme herauszulesen ist. Das Bundesamt spricht von einer «Gratwanderung zwischen der Versorgungssituation, der Sicherstellung der nötigen Kapazitäten und einer reinen Vergütung der effizientesten Leistungserbringung».
Der Maximalbetrag wurde in der Vergangenheit mehrmals gesenkt, zuletzt vor zwei Monaten von 47 auf 36 Franken. Für den Preisüberwacher Stefan Meierhans ist das aber immer noch zu hoch. «Der Preisüberwacher unterbreitete dem Bundesrat Mitte Dezember eine Empfehlung», sagt sein Pressesprecher. Sprich: Er forderte eine Senkung der Tarife. Ob diese kommt, dürfte sich spätestens nächsten Mittwoch zeigen. Zuständig für «allfällige Anpassungen der Tarifstruktur» bei den Covid-Tests sei der Bundesrat, heisst es vom BAG. Ob sich dann das Geschäft noch derart lohnt, wird sich zeigen.