Schweiz
Wirtschaft

SRF Arena: Diskussion um Femizide Schweiz und gestrichene Nachtzüge

Mehrere tausend Menschen demonstrieren am Frauenstreik in Basel, am Freitag, 14. Juni 2024. (KEYSTONE/Georgios Kefalas)
Budget und Femizide verbindet man als Themen nicht automatisch miteinander. Wenn es aber darum geht, wie viel Geld in welche Femizid-Prävention fliessen soll, streitet die Politik mit Verve darüber.Bild: keystone
Review

«Beschämend»: In der Budget-«Arena» streiten SP und SVP über Femizide

Besinnlich ist anders: In der letzten «Arena» vor den Feiertagen ging es um Geld – und wie viel davon in Opferschutz oder Nachtzüge fliessen soll.
20.12.2025, 01:0720.12.2025, 14:25

«Für gewaltbetroffene Frauen ist das wichtiges Geld», sagt SP-Nationalrätin Sarah Wyss. «Zentral ist, dass wir die Femizide in diesem Land auf null bringen», pflichtet ihr FDP-Nationalrat Andri Silberschmidt bei. Und Yvonne Bürgin, Mitte-Nationalrätin, doppelt nach: «Wir müssen Lösungen finden und echten Opferschutz betreiben.»

Eigentlich geht es in dieser letzten «Arena»-Sendung des Jahres 2025 um das Bundesbudget. Wenn dabei innerhalb kurzer Zeit trotzdem über Femizide diskutiert wird, dann liegt es an dieser Frage:

Wie viel Wert hat ein Frauenleben?

Das Thema war schon Thema einer eigenen «Arena», meine Kollegin Hanna Hubacher hat das pointierte Review dazu geschrieben.

Moderator Sandro Brotz wollte dann auch von seinen Gästen wissen, wie viel Geld im Budget für den Schutz von Frauen reserviert sein solle. Aber auch, wie viel die Schweiz für Armee, Bundesangestellte und Nachtzüge springen lassen solle.

Eingeladen hatte Brotz dafür:

  • Yvonne Bürgin, Nationalrätin ZH und Fraktionspräsidentin die Mitte
  • Sarah Wyss, Nationalrätin SP/BS
  • Andri Silberschmidt, Nationalrat ZH und Vizepräsident FDP
  • Lars Guggisberg, Nationalrat SVP/BE

In dieser Runde wollte Brotz einzelne Punkte aus der grossen Budget-Debatte aufgreifen und sie stellvertretend für den gesamten Haushalt diskutieren.

Retourkutschen und «Terrormails»

Der Grund, weshalb innerhalb der Budget-«Arena» hitzig über Femizide, häusliche Gewalt und Frauenschutz diskutiert wird, liegt in einer Entscheidung des Nationalrats. Dieser wollte dem Eidgenössischen Büro für Gleichstellung zunächst keine zusätzliche Million Franken fürs nächste Jahr zusprechen.

Das, obwohl im laufenden Jahr bereits mindestens 27 Frauen Opfer eines Femizids geworden sind. Die Fälle häuslicher Gewalt sind auf einem Höchststand.

Gleichzeitig bewilligte der Nationalrat zusätzliche 3,6 Millionen Franken dafür, Schafe besser vor dem Wolf zu schützen. Auch Winzerinnen und Winzer waren dem Parlament zusätzliche zehn Millionen Franken im Budget wert.

Sarah Wyss findet diese Entscheidung auch heute noch «beschämend»:

Wyss: «Die Antwort kam auf dem Bundesplatz»

Video: srf/arena

Die Entscheidung des Nationalrats löste eine Welle der Entrüstung aus. Auf dem Bundesplatz demonstrierten hunderte Personen für einen besseren Schutz von Frauen. Die SP lancierte einen Appell, den gemäss eigenen Angaben über eine halbe Million Menschen unterschrieben haben.

Und: Der Posteingang von bürgerlichen Parlamentariern und Parlamentarierinnen wurde mit dem immergleichen Mail geflutet, das sie dazu aufforderte, die Entscheidung zu korrigieren. Lars Guggisberg spricht in der «Arena» von «Terrormails»:

Guggisberg: «Das schützt keine einzige Frau»

Video: srf/arena

Etwas gelassener ging die Sache Andri Silberschmidt an. Er richtete in seinem Mailprogramm einen Filter ein, der die Protestmails ungelesen in den Papierkorb umleitete.

Schelmisch erklärt Silberschmidt, diese Methode einigen seiner Ratskollegen beigebracht zu haben:

IT-Nachhilfe mit Andri Silberschmidt:

Video: srf/arena

In der Sache findet aber auch Computergenie Silberschmidt den Protest von Funiciello und der SP doof.

«Unsere Demokratie bewegt sich immer mehr weg von der Konkordanz und immer mehr in Richtung Kampagnen.»
Andri Silberschmidt, FDP

Jedenfalls hatten die SP und ihre Unterstützerinnen Erfolg mit ihrem Aufschrei. In einer zweiten Diskussionsrunde sprach der Nationalrat die zusätzliche Million. Sie fliesst in Kampagnen und Projektarbeit.

Wenn du mehr zu Femiziden und häuslicher Gewalt wissen willst: Wir haben eine Serie dazu gemacht!

Kurzzeitgedächtnis und Klimaschutz

Ein zweiter Aufreger innerhalb des Budgets für 2026: Das Parlament strich die Subventionen für den geplanten Nachtzug nach Malmö. Zehn Millionen Franken wären dafür vorgesehen gewesen.

Die SBB haben bereits reagiert. Die ab April 2026 dreimal wöchentliche Nachtzug-Verbindung über Basel, Hamburg und Kopenhagen wird es nicht geben.

Yvonne Bürgin bedauert das – und unterstellt Silberschmidt ein schlechtes Gedächtnis:

Bürgin: «Jetzt ist es tot!»

Video: srf/arena

SVP-Guggisberg findet hingegen: «Diesen Nachtzug braucht es nicht. Nach Malmö kommt man heute schon bequem mit dem Zug.» Und Silberschmidt sagt:

«Es ist nicht nötig, dass wir Ferienreisen nach Malmö subventionieren.»
Andri Silberschmidt, FDP

Eingespart sind die zehn Millionen Franken übrigens nicht. Da sie in einem Fonds liegen, der aus den Treibstoffabgaben der Fluggesellschaften stammt, fliessen sie nun zurück in die Luftfahrt.

Das grosse Ganze?

Beim Opfer- und Frauenschutz zankte das Parlament um einen strittigen Betrag von einer Million Franken. Bei den Nachtzügen waren es deren zehn.

Dazu muss man wissen: Das gesamte vom Parlament gebilligte Budget fürs nächste Jahr beträgt über 90 Milliarden Franken.

Man könnte Sandro Brotz und seiner Redaktion vorwerfen, zwar kontroverse, letztlich aber finanziell irrelevante Themen gewählt zu haben. Das griffe aber zu kurz.

Denn die herausgepickten Streitfragen werfen ein Schlaglicht darauf, was die Parteien mit dem vorhandenen Geld anstellen wollen.

Streit mit der besten Freundin

SVP und FDP setzen den Fokus im Angesicht des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine auf Armee, Rüstungsgüter und mehr Sicherheit.

SP und Grüne auf der anderen Seite setzen sich für einen starken Sozialstaat ein. Und einen stärkeren Klimaschutz.

Die Bürgerlichen wollen nichts von mehr Schulden wissen (Finanzministerin Karin Keller-Sutter bezeichnete die Schuldenbremse schon als ihre «beste Freundin»). Die Ratslinke macht sich für eine modernisierte Schuldenbremse stark.

Das sind oft unversöhnliche Anliegen. Leiser wird der Knatsch nicht werden: Der Bundesrat will mit dem sogenannten Entlastungspaket 2027 die Ausgaben fürs übernächste Jahr um 2,4 Milliarden senken. Und in den zwei darauffolgenden Jahren gleich nochmals um drei Milliarden.

Weniger Geld heisst mehr Streit.

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168 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Chris_A
20.12.2025 07:14registriert Mai 2021
Wenn die Bauern oder das Militär pips machen werden die mit Geld zugeschüttet. Aber wenn es zB um Schutz der Frauen, Konsumentenschutz oder Klimaschutz geht kommen SVP und FDP mit 'man muss sorgsam mit dem Geld der Steuerzahler umgehen'. In Bern wird nicht dort Geld ausgegeben wo es nötig ist sondern wer die besseren Lobbyisten hat.
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Tubel vom Dienst
20.12.2025 05:32registriert Januar 2021
Das mit den Femiziden wird nicht besser werden, so lange wir uns vor der ehrlichen Diskussion über die wahren Ursachen dieser Femizide drücken. Einfach nur zu sagen es ist ein Männer Problem, ist zu kurz gesprungen. Man muss mal darauf schauen, welche Männer sind es und warum machen die das. Man kann ein Problem nur lösen, wenn man es verstanden hat.
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@Jeff
20.12.2025 06:49registriert Juli 2023
"Wie viel Wert hat ein Frauenleben?"
---
Diese rhetorische Frage wurde schon von Mani Matter vor 50 Jahren beantwortet:
150 Schafe, für andere 220 Kamele, wobei der Preis massiv gesunken zu sein scheint seither - nur noch 37 000 pro Femizid ist im Vergleich dazu ein "wahres Schnäppchen" (= 1 Million ÷ 27)
[Vorsicht: Sarkasmus]

Wie viele Femizide die zusätzliche Million verhindert hat, sehen wir Ende nächstes Jahr. Ich rate 0.

Bedenklich ist, dass wir uns von einer Demokratie zu einer Megalophonokratie entwickeln - wer am lautesten schreit, setzt sich durch - egal ob bei DJT oder hier🙁
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