«Beschämend»: In der Budget-«Arena» streiten SP und SVP über Femizide
«Für gewaltbetroffene Frauen ist das wichtiges Geld», sagt SP-Nationalrätin Sarah Wyss. «Zentral ist, dass wir die Femizide in diesem Land auf null bringen», pflichtet ihr FDP-Nationalrat Andri Silberschmidt bei. Und Yvonne Bürgin, Mitte-Nationalrätin, doppelt nach: «Wir müssen Lösungen finden und echten Opferschutz betreiben.»
Eigentlich geht es in dieser letzten «Arena»-Sendung des Jahres 2025 um das Bundesbudget. Wenn dabei innerhalb kurzer Zeit trotzdem über Femizide diskutiert wird, dann liegt es an dieser Frage:
Wie viel Wert hat ein Frauenleben?
Das Thema war schon Thema einer eigenen «Arena», meine Kollegin Hanna Hubacher hat das pointierte Review dazu geschrieben.
Moderator Sandro Brotz wollte dann auch von seinen Gästen wissen, wie viel Geld im Budget für den Schutz von Frauen reserviert sein solle. Aber auch, wie viel die Schweiz für Armee, Bundesangestellte und Nachtzüge springen lassen solle.
Eingeladen hatte Brotz dafür:
- Yvonne Bürgin, Nationalrätin ZH und Fraktionspräsidentin die Mitte
- Sarah Wyss, Nationalrätin SP/BS
- Andri Silberschmidt, Nationalrat ZH und Vizepräsident FDP
- Lars Guggisberg, Nationalrat SVP/BE
In dieser Runde wollte Brotz einzelne Punkte aus der grossen Budget-Debatte aufgreifen und sie stellvertretend für den gesamten Haushalt diskutieren.
Retourkutschen und «Terrormails»
Der Grund, weshalb innerhalb der Budget-«Arena» hitzig über Femizide, häusliche Gewalt und Frauenschutz diskutiert wird, liegt in einer Entscheidung des Nationalrats. Dieser wollte dem Eidgenössischen Büro für Gleichstellung zunächst keine zusätzliche Million Franken fürs nächste Jahr zusprechen.
Das, obwohl im laufenden Jahr bereits mindestens 27 Frauen Opfer eines Femizids geworden sind. Die Fälle häuslicher Gewalt sind auf einem Höchststand.
Gleichzeitig bewilligte der Nationalrat zusätzliche 3,6 Millionen Franken dafür, Schafe besser vor dem Wolf zu schützen. Auch Winzerinnen und Winzer waren dem Parlament zusätzliche zehn Millionen Franken im Budget wert.
Sarah Wyss findet diese Entscheidung auch heute noch «beschämend»:
Wyss: «Die Antwort kam auf dem Bundesplatz»
Die Entscheidung des Nationalrats löste eine Welle der Entrüstung aus. Auf dem Bundesplatz demonstrierten hunderte Personen für einen besseren Schutz von Frauen. Die SP lancierte einen Appell, den gemäss eigenen Angaben über eine halbe Million Menschen unterschrieben haben.
Und: Der Posteingang von bürgerlichen Parlamentariern und Parlamentarierinnen wurde mit dem immergleichen Mail geflutet, das sie dazu aufforderte, die Entscheidung zu korrigieren. Lars Guggisberg spricht in der «Arena» von «Terrormails»:
Guggisberg: «Das schützt keine einzige Frau»
Etwas gelassener ging die Sache Andri Silberschmidt an. Er richtete in seinem Mailprogramm einen Filter ein, der die Protestmails ungelesen in den Papierkorb umleitete.
Schelmisch erklärt Silberschmidt, diese Methode einigen seiner Ratskollegen beigebracht zu haben:
IT-Nachhilfe mit Andri Silberschmidt:
In der Sache findet aber auch Computergenie Silberschmidt den Protest von Funiciello und der SP doof.
Jedenfalls hatten die SP und ihre Unterstützerinnen Erfolg mit ihrem Aufschrei. In einer zweiten Diskussionsrunde sprach der Nationalrat die zusätzliche Million. Sie fliesst in Kampagnen und Projektarbeit.
Kurzzeitgedächtnis und Klimaschutz
Ein zweiter Aufreger innerhalb des Budgets für 2026: Das Parlament strich die Subventionen für den geplanten Nachtzug nach Malmö. Zehn Millionen Franken wären dafür vorgesehen gewesen.
Die SBB haben bereits reagiert. Die ab April 2026 dreimal wöchentliche Nachtzug-Verbindung über Basel, Hamburg und Kopenhagen wird es nicht geben.
Yvonne Bürgin bedauert das – und unterstellt Silberschmidt ein schlechtes Gedächtnis:
Bürgin: «Jetzt ist es tot!»
SVP-Guggisberg findet hingegen: «Diesen Nachtzug braucht es nicht. Nach Malmö kommt man heute schon bequem mit dem Zug.» Und Silberschmidt sagt:
Eingespart sind die zehn Millionen Franken übrigens nicht. Da sie in einem Fonds liegen, der aus den Treibstoffabgaben der Fluggesellschaften stammt, fliessen sie nun zurück in die Luftfahrt.
Das grosse Ganze?
Beim Opfer- und Frauenschutz zankte das Parlament um einen strittigen Betrag von einer Million Franken. Bei den Nachtzügen waren es deren zehn.
Dazu muss man wissen: Das gesamte vom Parlament gebilligte Budget fürs nächste Jahr beträgt über 90 Milliarden Franken.
Man könnte Sandro Brotz und seiner Redaktion vorwerfen, zwar kontroverse, letztlich aber finanziell irrelevante Themen gewählt zu haben. Das griffe aber zu kurz.
Denn die herausgepickten Streitfragen werfen ein Schlaglicht darauf, was die Parteien mit dem vorhandenen Geld anstellen wollen.
Streit mit der besten Freundin
SVP und FDP setzen den Fokus im Angesicht des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine auf Armee, Rüstungsgüter und mehr Sicherheit.
SP und Grüne auf der anderen Seite setzen sich für einen starken Sozialstaat ein. Und einen stärkeren Klimaschutz.
Die Bürgerlichen wollen nichts von mehr Schulden wissen (Finanzministerin Karin Keller-Sutter bezeichnete die Schuldenbremse schon als ihre «beste Freundin»). Die Ratslinke macht sich für eine modernisierte Schuldenbremse stark.
Das sind oft unversöhnliche Anliegen. Leiser wird der Knatsch nicht werden: Der Bundesrat will mit dem sogenannten Entlastungspaket 2027 die Ausgaben fürs übernächste Jahr um 2,4 Milliarden senken. Und in den zwei darauffolgenden Jahren gleich nochmals um drei Milliarden.
Weniger Geld heisst mehr Streit.
