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Opfer von häuslicher Gewalt erzählt: So entkam Ina* ihrem Ex

Serie "Häusliche Gewalt": Dass Ina* von ihrem Freund verprügelt, vergewaltigt und psychisch unter Druck gesetzt wurde, wusste lange niemand. Die Gewalt fand hinter verschlossener Haustür sta ...
Erst in der Schweiz konnte Ina* ihrem gewalttätigen Ex-Freund entkommen.SymbolBild: shutterstock/ watson
Häusliche Gewalt

«Er hat mich gefoltert» – Das ist Inas* Geschichte über häusliche Gewalt

Dass Ina* von ihrem Freund verprügelt, vergewaltigt und psychisch unter Druck gesetzt wurde, wusste lange niemand. Die Gewalt fand hinter verschlossener Haustür statt. Bis Ina in der Schweiz Schutz fand.
21.11.2025, 06:0921.11.2025, 13:57
Triggerwarnung
In diesem Artikel wird explizit physische, psychische, emotionale und sexuelle Gewalt beschrieben. Auch Suizid wird thematisiert. Wenn dir das zu viel ist, lies den Artikel besser nicht oder schaue, dass du dabei nicht allein bist.

Ina* verzieht angeekelt das Gesicht. Sie will den Mann, der sie drei Jahre lang durch die Hölle gehen liess, nicht ihren «Ex-Freund» nennen. Obwohl Kavish* und sie gegen aussen eine Liebesbeziehung führten. Eine Beziehung, die hinter verschlossenen Türen von Angst und Gewalt geprägt war. Ina sagt:

«Er hat mich gefoltert.»
Ina*, Überlebende

Anders könne man das nicht beschreiben.

«Verliebt» nach erstem Treffen

2021. Ina ist 24 Jahre alt, lebt in ihrem Heimatland Indien und hat einen festen Freund, als sie Kavish kennenlernt. Die beiden verstehen sich gut. Nach ihrem ersten Zusammentreffen sagt Kavish ihr: «Ich glaube, ich verliebe mich in dich.»

Ina reagiert überfordert. «Er kennt mich doch gar nicht», denkt sie. Und sagt ihm: «Wir können Freunde sein.» Kavish stimmt ihr zu. Versucht jedoch noch an demselben Abend, sie zu Sex zu überreden. Ina lehnt ab. Trotzdem schafft er es, sie zu küssen und zu begrabschen.

Wenige Monate später ist Ina von ihrem Freund getrennt und in einer Beziehung mit Kavish. Wie konnte das passieren? Diese Frage quält Ina schon lange. Denn sie findet keine Antwort darauf. Sie hat Gedächtnislücken. Über allen Erinnerungen hängt ein Nebel der Verwirrung. Das Einzige, was sie weiss, ist: «Ich konnte ihm nicht entkommen.»

Serie «Häusliche Gewalt»
Häusliche Gewalt fängt nicht erst bei Schlägen an. Sie kann viele Gesichter haben und ist von aussen oft nur schwer zu erkennen. Da allein im ersten Halbjahr 2025 18 Femizide in der Schweiz stattgefunden haben, schaut watson genau hin, was hinter verschlossenen Türen passiert. Und zeigt auf, wie schwierig es für die Opfer ist, zu gehen.

Es beginnt kaum merklich

Das erste Gefühl, das Ina gegenüber Kavish empfindet, ist nicht Zuneigung oder Angst, sondern Mitgefühl. Ina sagt:

«Irgendwie hat er mir das Gefühl gegeben, für sein Wohlbefinden verantwortlich zu sein.»
Ina*, Überlebende

Schon in den ersten Monaten der Beziehung ist Kavish aufbrausend, gemein, feindselig. Die Schuld dafür gibt er Problemen bei der Arbeit oder seinem Trauma, ohne Mutter aufgewachsen zu sein. Das trifft bei Ina einen Nerv, da ihre Mutter dieses Schicksal mit Kavish teilt. Sie sagt:

«Ich dachte, wenn ich ihm nur genug Zuneigung zeige, wird es ihm besser gehen und er wird netter sein.»
Ina*, Überlebende

Über die ganze Beziehung hinweg fühlt Ina sich ihrem Freund gegenüber schuldig. Wieso genau, kann sie nicht richtig in Worte fassen. Kavish habe gut reden können. Auf sie einreden können. Schon zu Beginn der Beziehung warf er Ina beispielsweise vor, seine Wohnung als «Rattenloch» beschimpft zu haben. «Das stimmte überhaupt nicht. Und trotzdem brachte er mich dazu, mich mehrfach dafür zu entschuldigen.»

Er sei in seinen Anschuldigungen so überzeugend und so hartnäckig gewesen, dass sie das Vertrauen in ihre eigene Wahrnehmung und ihre eigenen Erinnerungen verlor. Ganz langsam. Kaum merklich.

In dieser Schilderung erkennt Claudia Wyss bereits das erste Anzeichen für häusliche Gewalt. Wyss ist Leiterin der Anlaufstelle gegen Häusliche Gewalt (AHG) im Kanton Aargau und arbeitet seit vielen Jahren mit Opfern sowie Tätern zusammen. Daher weiss sie: «Häusliche Gewalt beginnt häufig nicht mit Schlägen, sondern mit psychischer Gewalt. Also mit Abwertung, Beleidigungen, indem man das Gegenüber klein macht oder dessen Wahrnehmung infrage stellt.» Dieser Vorgang geschehe meist so langsam und subtil, dass es für die Opfer nur schwer zu fassen sei.

Claudia Wyss, Bereichsleiterin Anlaufstelle gegen Häusliche Gewalt (AHG) Aargau
Claudia Wyss, Bereichsleiterin Anlaufstelle gegen Häusliche Gewalt (AHG) Aargau.Bild: zvg

Auch Ina weiss nicht, wie ihr im ersten Jahr ihrer Beziehung mit Kavish geschieht. Sie konzentriert sich auf Anderes: die Bewerbung auf eine Universität in Deutschland. Kavish überredet sie dazu, eine Uni zu finden, in der sie beide aufgenommen werden, sodass sie zusammen nach Deutschland ziehen können. Ina kümmert sich um alles: Visum, Wohnung, Aufnahme an der Universität.

Kurz vor der Abreise macht Kavish mit ihr Schluss. Und verlangt gleichzeitig von ihr, dennoch mit ihm in Deutschland zusammenzuleben – mit getrennten Schlafzimmern. Ina solle aber mehr für die Wohnung bezahlen. Das sei nur fair so. Sie habe schliesslich schon einen Job in Deutschland organisiert. Er noch nicht.

Ina will das nicht. Die beiden geraten in einen Streit. Daraufhin ohrfeigt Kavish sie zum ersten Mal und verdreht ihr die Hände. Ina trägt einen verstauchten Daumen davon. Und tiefe Angst. Angst davor, nochmals «Nein» zu sagen. Und so zieht sie im Sommer 2022 mit Kavish nach Deutschland. Auch wenn sie das gar nicht möchte.

Der Körper rebelliert

«Ich war immer gut in der Schule», sagt Ina. Doch in Deutschland hat sie plötzlich schlechte Noten. Die Schuld dafür gibt sie sich selbst. Dass Kavish der Grund für ihre Konzentrationsschwierigkeiten und Erschöpfung sein könnte, will sie nicht wahrhaben. Auch wenn sie sich drei Jobs sucht, um möglichst wenig zu Hause zu sein. Auch wenn sie jeden Abend vor ihrem Häuserblock steht, in den elften Stock hinaufschaut und sich fragt, welches Drama sie heute wohl erwarten wird. Und auch wenn ihr Körper anfängt, zu rebellieren. Immer öfter ist sie krank, hat Fieber und Magenbeschwerden.

Zuhause bedeutete für Ina nicht Sicherheit und Geborgenheit, sondern Angst.
Zuhause bedeutete für Ina nicht Sicherheit und Geborgenheit, sondern Angst.symbolBild: Shutterstock

In Deutschland nimmt Kavishs Gewalt zu. Kleinigkeiten können ihn in Rage bringen. Wenn ihm Inas gekochtes Essen nicht schmeckt. Oder wenn sie sich aufgrund seiner ständigen Kritik weigert, für ihn zu kochen. Wenn sie sich mit Arbeitskollegen treffen möchte. Oder wenn sie nicht mit ihm schlafen möchte.

Ina sagt:

«Er hatte zwei Taktiken, wie er es schaffte, von mir zu bekommen, was er wollte: Schuld oder Gewalt.»
Ina*, Überlebende

Entweder redet Kavish so lange auf sie ein, bis sie einknickt – weil es einfacher ist, ihm zu geben, was er will, als gegen die Beschuldigungen anzukämpfen. Oder er jagt ihr Angst ein, rastet aus, schreit auf sie ein, zertrümmert Gegenstände, wirft ihr gekochtes Essen in den Müll.

Abstumpfung und Todesangst

Nach Monaten dieses «Terrors», wie ihn Ina nennt, stumpft sie ab. Also wird Kavish noch grausamer. Er fängt an, sie zu ohrfeigen, zu schlagen, zu schubsen, zu treten, zu würgen. Und ein Jahr, nachdem die beiden nach Deutschland gezogen sind, hat Ina erstmals Angst um ihr Leben.

Kavish wirft ihr vor, ihn zu betrügen. Ina fragt, was er meine. Er habe doch selbst Schluss gemacht. Kavish antwortet mit seinen Fäusten. Ina versucht, zurückzuschlagen. Das passt ihm überhaupt nicht. Er würgt sie, nimmt ihren Kopf in die Hände und rammt ihn gegen die Hauswand.

Ina bricht am Boden zusammen. Kavish stürzt sich auf sie, presst seine Knie auf ihre Brust und pinnt sie auf den Boden. Dann sagt er ihr:

«Ich könnte dich jetzt einfach umbringen, und niemand würde es bemerken.»
Kavish* zu Ina*

Ina hat Todesangst. Sie kann sich nicht wehren, ringt nach Luft. Ihr ganzer Körper schmerzt. Ganz besonders ihr Kopf. Als er von ihr ablässt, will sie die Polizei rufen. Doch er nimmt ihr das Handy weg. «Ich muss ins Krankenhaus», fleht Ina ihn an. Doch Kavish findet, sie übertreibe. «So schlimm habe ich dich gar nicht geschlagen.» Und sowieso habe sie es verdient, wenn sie ihn betrüge.

Ina schafft es, aus der Wohnung zu flüchten. Mitten in der Nacht. In einem öffentlichen Park weint sie ihr Herz aus. Und kehrt danach zurück in die gemeinsame Wohnung. Weil sie nicht weiss, wohin sie sonst gehen soll. «Ich hatte keine Familie, keine wirklichen Freunde in Deutschland. Ich fühlte mich ausgeliefert.»

Parkbank Nacht
Allein auf einer Parkbank in der Nacht war Ina sicherer als in ihrer eigenen Wohnung.symbolBild: Shutterstock

Zurück Zuhause entschuldigt sich Kavish. Verspricht, das käme nie wieder vor. Aber es stimmt nicht.

Warum ist sie geblieben?

Die Frage, die sich die meisten Opfer von häuslicher Gewalt anhören müssen, ist: Warum bist du nicht gegangen? Ina sagt, sie habe fliehen wollen. Aber nicht gekonnt. Zu gross sei die Angst gewesen. «Ich fühlte mich wie in Geiselhaft.» Wo hätte sie vor ihm sicher sein können? Woher die Kraft für eine Flucht hernehmen sollen?

Expertin Claudia Wyss weiss, dass es für Aussenstehende oft schwer zu begreifen ist, weshalb ein Opfer sich nicht aus der Situation löse. Aber zu Gehen sei aus sehr vielen verschiedenen Gründen schwer. Für Frauen mit Migrationshintergrund ganz besonders. Ihnen fehle häufig ein unterstützendes soziales Umfeld, Sprachkenntnisse, das Wissen über Hilfsangebote. Hinzu käme häufig eine finanzielle Abhängigkeit vom Täter.

Doch selbst wenn all diese Schwierigkeiten nicht gegeben seien, könne es sich für Opfer von häuslicher Gewalt so anfühlen, als könnten sie den Berg an Arbeit, der bei einer Trennung auf sie zukommen würde, nicht bewältigen. Wyss sagt:

«Wenn jeder Tag ein Überlebenskampf ist, fehlt es den Gewaltbetroffenen manchmal sogar an der Kraft, einen einzigen Anruf zu tätigen.»
Claudia Wyss, Bereichsleiterin Anlaufstelle gegen Häusliche Gewalt (AHG) Aargau

Auch Inas Körper ist am Ende seiner Kräfte. Nicht nur wegen der Schläge und ständigen Angst. Sie leidet auch unter chronischem Schlafmangel, weil Kavish angefangen hat, sie nachts zu überfallen, um sich von ihrem Körper zu nehmen, was er möchte. Ina sagt: «Die Leute reden immer darüber, dass man Grenzen setzen muss, Nein sagen muss. Aber was, wenn diese Grenzen nicht respektiert werden? Was machst du dann?»

Ihre Antwort auf diese Frage ist es lange, die Gewalt herunterzuspielen. Sich in die Arbeit und ins Studium zu stürzen. Die Verletzungen unter dicker Kleidung zu verstecken. Zu verdrängen, was Kavish ihr antut. Seine Entschuldigungen anzunehmen.

Hier findest du Hilfe
Unter häuslicher Gewalt versteht man körperliche, psychische, sexuelle oder ökonomische Gewalt innerhalb einer Familie oder in einer aktuellen oder aufgelösten Paarbeziehung. Betroffene finden auf der Website ohne-gewalt.ch Informationen, Ratschläge und Unterstützungsangebote, die auf ihre Situation zugeschnitten sind. Kostenlose, vertrauliche und anonyme Beratung erhält man bei den kantonalen Opferhilfestellen. Sollten sich Frauen zu Hause nicht mehr sicher fühlen, finden sie in Frauenhäusern eine sichere Unterkunft.
Betroffene Männer können sich an die Anlaufstelle Zwüschehalt oder an das Männerbüro Zürich wenden.
Bei Straftaten im Ausland können Schweizer Staatsangehörige die Helpline des EDA kontaktieren: +41 800 24 7 365.

Brief an sich selbst

Anfang 2023 verschlechtern sich Inas Gesundheitszustand und ihre Leistungen an der Uni rapide. Als sie eine wichtige Prüfung nicht besteht, beginnen sie Albträume und Panikattacken zu quälen. Also sucht sie einen Psychologen auf. Diesem erzählt sie nicht, dass für sie jeder Tag ein Überlebenskampf ist. «Aber irgendwie hat er gemerkt, dass ich Zuhause nicht sicher bin.»

Der Psychologe gibt Ina die Kontakte von Frauenhäusern, doch sie meldet sich nicht. Sie hat Angst, dass man ihr als Ausländerin nicht glauben wird.

Im April 2023 findet sich Ina wieder verprügelt und nach Luft ringend auf dem Boden, mit Kavishs Knie auf ihrer Brust. Mit letzter Kraft keucht sie: «Ich liebe Dich», auch wenn sie das nicht so meint. In der Hoffnung, so überleben zu können.

Es funktioniert. Kavish lässt von ihr ab. Entschuldigt sich. Erklärt ihr aber gleichzeitig, weshalb sie an seinem Ausraster selbst Schuld trägt.

«Er sah sich immer im Recht, mir Gewalt anzutun.»
Ina*, Überlebende

In dieser Nacht schreibt Ina einen Brief an sich selbst, in dem sie beschreibt, was sie gerade überlebt hat. Damit sie es nicht vergisst. Oder Kavish ihr einreden kann, dass das Ganze «gar nicht so schlimm» gewesen sei.

In ihrem Brief schwört sie sich: Diesmal verzeihe ich Kavish nicht. Und in der nächsten Sitzung erzählt sie ihrem Psychologen, was sie Zuhause durchstehen muss.

Flucht in die Schweiz

Mit ihrem Psychologen schmiedet Ina einen Fluchtplan. Dieser sieht so aus: Ina bewirbt sich an einer Schweizer Universität, um dort ihre Masterarbeit zu schreiben. Daneben sucht sie sich einen Job in der Schweiz. Kavish darf sie nichts davon erzählen. Sie muss nur noch durchhalten, bis sie beide im Sommer 2024 ihre Vorlesungen abgeschlossen haben.

Im August 2024 ist es so weit. Kavish hat bereits einen Job in einer anderen Stadt ergattert, wo er seine Masterarbeit schreiben wird. Sein Umzug steht bevor. Kavish geht davon aus, dass Ina nachkommen wird. «Ich liess ihn im Glauben, ich hätte nichts gefunden. Das gefiel ihm. Er fühlte sich überlegen», sagt Ina. Ende August verlässt Kavish die gemeinsame Wohnung. Mit den Abschlussworten:

«Du kannst mir nicht entkommen. Ich werde dich überall finden.»
Kavish* zu Ina*

Aber Ina entkommt. Im Oktober 2024 beginnt sie ihr Studium an einer Schweizer Uni. Sie ist endlich frei. Und glücklich. Allerdings nicht lange.

In Sicherheit aber auf dem Tiefpunkt

Jetzt, wo Ina in Sicherheit ist, holen sie die Erinnerungen an die überlebte Gewalt ein. Erinnerungen, die sie komplett verdrängt hat. Die Spuren in ihr hinterlassen haben.

Einerseits körperliche Spuren: In der Notaufnahme im Spital findet Ina heraus, was der Grund für ihr ständiges Fieber ist – die sexuell übertragbare Krankheit Hepatitis B. Ina geht davon aus, dass Kavish sie damit angesteckt hat.

Andererseits hat die Gewalt psychische Spuren hinterlassen: Plötzlich kann Ina ihren Alltag nicht mehr bewältigen. Sie schafft es nicht mehr aus dem Bett. «Es fühlte sich an, als wäre mein Körper eine Tonne schwer.» Sie hat Flashbacks von Übergriffen. Muss sich schmerzhaft eingestehen:

«Kavish hat mich vergewaltigt. Unzählige Male. Auf brutalste Weise.»
Ina*, Überlebende

Als zu alledem ein kleiner Rückschlag in ihrer Karriere kommt, will sich Ina das Leben nehmen. Als sie überlebt, nimmt sie ihre Psychotherapie wieder auf.

Neue Kraft für eine Anzeige

Ein Jahr ist inzwischen vergangen, seitdem Ina entkommen ist. Heute sagt sie:

«Es geht mir besser, aber es geht mir nicht gut.»
Ina*, Überlebende

Um die Tage zu überstehen, nimmt sie Antidepressiva und Schlafmedikamente ein. Neben einer Psychologin besucht sie regelmässig eine Selbsthilfegruppe für Opfer von häuslicher Gewalt. «Die Gruppe hilft mir, zu wissen, dass ich nicht die einzige bin, der so etwas passiert ist», sagt Ina.

Mit ihrer gewaltgeprägten Vergangenheit ist sie auch in der Schweiz nicht allein. Seit 2009 wertet die Polizei Straftaten im häuslichen Bereich separat aus. Seither ist die Zahl der polizeilich registrierten Straftaten kontinuierlich gestiegen. Zwischen 2023 und 2024 um 6,1 Prozent. Von einer Zunahme von häuslicher Gewalt zu sprechen, ist gemäss Expertin Claudia Wyss jedoch schwierig. Es könne auch sein, dass aufgrund von Sensibilisierung mehr Fälle gemeldet würden. Die Dunkelziffer schätzt Wyss als hoch ein.

Ina will den Frauen, die dasselbe durchmachen, wie sie einst, sagen:

«Gewalt ist keine Liebe. Holt euch Hilfe! Ihr habt Respekt und ein besseres Leben verdient!»
Ina*, Überlebende

Es sei zwar schwer, sich zu lösen und zu heilen. Aber es lohne sich, um wieder ein selbstbestimmtes Leben führen zu können.

Die Sicherheit, die Ina in der Schweiz finden konnte, gab ihr die Kraft, sich gegen das, was Kavish ihr angetan hat, zu wehren. Im April 2025 erstattete sie Anzeige gegen Kavish. Mit einem Brief an die Polizeibehörden jener Stadt, in der er sie gepeinigt hatte. Nun muss sie abwarten, was passiert.

Dieses Abwarten findet Ina unerträglich. Sie sagt: «Ich brauche das Wissen, dass das, was er mir angetan hat, Konsequenzen hat.» Ob es das haben wird, hängt davon ab, ob die Strafbehörden der Meinung sind, dass Ina ausreichende Beweise für die Gewalt vorweisen kann. Etwas, das viele Opfer von häuslicher Gewalt nicht können. Gegenüber watson kann Ina Arztberichte und Chatverläufe zeigen, welche die Gewalt belegen. Jetzt muss Ina hoffen, dass diese Dokumente vor Gericht ausreichen werden.

*Name zum Persönlichkeitsschutz geändert.

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quelle: edi
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159 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Jackie Brown
21.11.2025 06:31registriert Oktober 2022
Danke für diesen Bericht. War schwer zu ertragen beim Lesen.
Ich hoffe für Ina, dass sie einen Weg findet, mit dem Erlebten umzugehen.
Vor ein paar Wochen war ich mit meiner Tochter im Kispi bei einem Termin. Da hatte es im WC Flyer mit Infos zu häuslicher Gewalt und Hilfsangeboten, in vielen verschiedenen Sprachen. Das fand ich eine gute Sache.
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Pi ist genau Drei!
21.11.2025 07:21registriert Februar 2017
Meine Mutter musste aud einer gewalttätigen Beziehung flüchten. In der Nacht. Mit 3 kleinen Kindern. Hätte soe es nicht getan wäre sie heute vielleicht nicht mehr am Lebend. Auch diese Gedchichte hier ist "gut" ausgegangen. Vielr andere werden es nicht.
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arni99
21.11.2025 07:11registriert Juli 2016
Er wurde beim ersten Treffen schon übergriffig. Ich verstehe es einfach nicht. Was braucht es denn noch für Warnzeichen.
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