Wenn Emmanuel Macron diese Woche mit dem Zug auf Staatsbesuch gekommen wäre, hätte er umsteigen müssen: Seit vier Jahren fährt kein Zug mehr zwischen Bern und Paris. Dafür wurde das Angebot zwischen Zürich und der französischen Metropole ausgebaut. Diese Stärkung von Zürich wiederholt sich nun, während mit dem Fahrplanwechsel Städte wie Bern und Olten Züge ins Ausland verlieren.
Ab dem 10. Dezember fährt ein weiteres Zugpaar zwischen Zürich, St.Gallen und München und umgekehrt, pro Richtung werden dann sieben tägliche Verbindungen angeboten. Zudem erhält Zürich einen neuen Eurocity nach Frankfurt. Bereits ab dem 24. November wird das Angebot von Zürich nach Stuttgart auf 11 Direktzüge pro Tag ausgebaut.
Zwischen Basel, Bern und Mailand hingegen werden ab Dezember wegen mehrjährigen Bauarbeiten in Italien werktags nur noch drei statt bisher vier Züge pro Richtung verkehren. In der Gegenrichtung entfällt der Eurocity von Mailand via Bern nach Frankfurt. Das trifft auch Brig, Visp, Spiez, Thun und Olten. Ein Auslands-Ausbau ist ab diesen Städten nicht geplant, abgesehen von kleinen Verbesserungen. So gibt es neu an den Wochenenden morgens einen Regio-Express von Bern nach Frasne, der dort Anschluss an den TGV nach Paris herstellt.
Düster sieht es für Luzern aus. Der Eurocity von Frankfurt via Basel nach Mailand, der bisher in dieser Richtung über Olten und Luzern fuhr, wird neu via Zürich verkehren, und zwar bis mindestens 2027. Während der Gotthard-Basistunnel gesperrt ist, fährt er allerdings nur zwischen Zürich und Frankfurt. Ebenfalls Folge der Sperrung: Ein weiterer Eurocity von Basel via Olten und Luzern nach Mailand wurde gestrichen. Damit hat Luzern vorerst keine Direktzüge ins Ausland mehr.
Der Fokus auf Zürich zeigt sich in der Statistik: Ab 10. Dezember fahren ab der grössten Schweizer Stadt nach jetzigem Planungsstand täglich 52 Fernverkehrszüge ins Ausland (ohne die Interregio-Züge nach Konstanz). Ab Basel SBB sind es 39; ab Bern, Olten, Winterthur und St. Gallen je 7.
Zwar fallen während der Gotthard-Sperrung auch vereinzelt umsteigefreie Züge aus Zürich weg, etwa der Eurocity nach Bologna. Doch am Trend der letzten Jahre ändert das nichts: Die Bahn fokussiert sich auf Zürich. Hier kamen in den letzten Jahren direkte Züge nach Genua, Venedig und Bologna hinzu, genauso wie Nachtzüge nach Amsterdam oder Prag. Anderswo herrschte Stagnation oder Abbau.
Das bringt den SBB Kritik ein, etwa aus der Zentralschweiz. Der Kanton Bern versuchte mit einer Arbeitsgruppe bisher erfolglos, den TGV nach Paris zu retten. Doch die SBB planen den nicht subventionierten internationalen Verkehr vorwiegend nach kommerziellen, nicht nach regionalpolitischen Überlegungen. Zudem sind sie von ausländischen Bahnen abhängig. Der TGV von Bern nach Paris etwa verschwand, weil die Betreibergesellschaft Lyria, an der die SBB nur eine Minderheitsbeteiligung halten, die Nachfrage als zu gering erachtete.
Die Zahlen scheinen den SBB recht zu geben. Die Nachfrage im internationalen Personenverkehr liegt laut Sprecherin Jeannine Egi dieses Jahr 20 Prozent über dem bisherigen Rekordjahr 2019. Die Direktverbindungen etwa von Zürich nach München seien «sehr gefragt» - «dank des dichten Fahrplans innerhalb der Schweiz auch bei Reisenden, die in Zürich umsteigen müssen».
Dass ab Zürich bald mehr Züge nach München und Stuttgart fahren, ist Ausbauten der Infrastruktur in Deutschland und neuen Zügen zu verdanken. Weil die Perrons in Deutschland aber oft kurz sind, können auf diesen Verbindungen keine langen Züge fahren. Für eine Weiterführung über Zürich hinaus sind sie zu kurz, weil sie etwa für die Strecke Zürich-Bern zu wenig Plätze aufweisen.
Dass sich der Ausbau in den letzten Jahren auf Zürich fokussierte, dürfte zwei weitere Gründe haben: Erstens ist hier die Nachfrage am höchsten. Der Hauptbahnhof ist nicht nur für den grossen und reisefreudigen Kanton Zürich der logische Umsteigepunkt, sondern auch für Teile der Ost- und Zentralschweiz und des Mittellandes.
Zweitens ist in Zürich viel Bahninfrastruktur vorhanden. Das ist vor allem für Nachtzüge relevant. Sie brauchen tagsüber Platz, um abgestellt und gereinigt zu werden - und ihre Bereitstellung am Abend verursacht Rangiermanöver. In Zürich und Basel ist alles dafür vorhanden, in Bern wird es schwierig.
Zudem müssen die Nachtzüge, die von den ÖBB betrieben werden, regelmässig zum Unterhalt nach Wien. In Zürich können sie die Linie wechseln: Kompositionen, die etwa auf dem Nachtzug von Hamburg nach Zürich unterwegs sind, können am nächsten Tag auf den Nachtzug nach Wien geschickt werden.
Die SBB versprechen, dass das Angebot auch ab anderen Städten wieder wachsen soll. Ein grösserer Ausbau ist auf den Deutschland-Zügen via Basel geplant. Mehr ICE-Züge sollen über Basel hinaus verlängert werden. Ab Ende 2026 werde es stufenweise neue Direktverbindungen zwischen Luzern, Lugano, Bern, Brig, Chur und Deutschland via Basel geben, verspricht Jeannine Egi.
Noch steht das Angebot nicht. Ein erster inoffizieller Planungsstand, den CH Media einsehen konnte, gibt eine Vorahnung. Ab Zürich könnten künftig tagsüber - also ohne Nachtzüge - zehn Züge via Basel nach Deutschland fahren, die meisten davon ICE. Zum Vergleich: Im Fahrplan 2024 sind es meistens sieben.
Voraussichtlich sechs davon könnten bereits in Chur starten. Das Angebot für Graubünden würde vervielfacht: Nächstes Jahr ist nur ein ICE pro Tag bis und ab Chur geplant. In Bern könnten fünf statt bisher vier Züge pro Tag nach Deutschland abfahren und in Brig zwei.
Luzern kann sich auf drei neue Züge pro Tag in Richtung Deutschland freuen, die aber nicht mit ICE, sondern mit Giruno-Zügen geführt werden dürften. Wahrscheinlich ist, dass mindestens zwei dieser Verbindungen in der Gegenrichtung nach Mailand fahren. Zudem wollen die SBB Nachtzüge von Zürich nach Rom und Barcelona einführen, wobei Letztere auch in Bern und Genf Halt machen könnten. Ihre Realisierung ist aber abhängig von der Annahme des revidierten CO2-Gesetzes, das bald in den Nationalrat kommt. Es sieht finanzielle Unterstützung für Nachtzüge vor.
Bis dahin heisst es für Bahnreisende: Bitte in Zürich umsteigen!
Der Katastrophen-Pannen-immer-mit-Verspätung-Zug. Nein Danke. Solange dieses komplette Dilemma nicht gelöst ist, nehm ich das Auto. Und das sage ich als absolute Bahn befürwortende Person.