Die Videoanalyse: So hat der Ständerat das Dividenden-Verbot versenkt
Auch am Tag nach der Corona-Session des Parlaments ist die Enttäuschung bei den Befürwortern des Dividenden-Verbots gross. Dieses wurde gefordert, weil mehrere Grossfirmen Dividenden für das Jahr 2019 ausschütteten, obwohl sie Kurzarbeit für ihre Belegschaft beantragen mussten.
Nachdem der Nationalrat Anfang Woche in der angeheizten Stimmung sich knapp für das Verbot aussprach, gab es am Mittwoch wenig überraschend ein Nein im Ständerat. Die Kritik daran war auch bei der watson-Community gross. In mehreren Kommentaren wurde die Transparenz beim Stimmverhalten der Parlamentarier gefordert.
Ich möchte wissen, wer im SR bei der Dividenden-Ausschüttung wie abgestimmt und wer vom NR und SR an der illegalen Party teilgenommen hat. Wie wäre es mit etwas investigativem Journalismus, damit ich mein Wahlverhalten korrigieren kann?
Diese zu liefern, ist nicht einfach. Der Ständerat veröffentlicht keine Namenslisten. Und Anfang Woche wurde entschieden, dass dass das rund 60 Sekunden lange Abstimmungsprozedere komplett analog durchgeführt wird. So, wie es über ein Jahrhundert vor dem «Stöckligate»-Skandal passierte: Stimmabgabe erfolg durch ein physisches Zeichen. An der Corona-Session geschah das durch Aufstehen statt Handerheben.
Bild-Analyse schafft Transparenz
Das offizielle Resultat war 31:10 Stimmen bei einer Enthaltung. Eine Video-Analyse der Abstimmung erlaubt es, Bild für Bild zu rekonstruieren, welche Ständerätin und welcher Ständerat wie abgestimmt hat.
Daraus ergibt sich folgendes Stimmverhalten:
Gegen das Dividenden-Verbot (31): Die gesamte rechte Ratshälfte stimmte geschlossen gegen den Vorstoss. Zwei Ständeräte fehlten bei der Abstimmung.
- Mitte-Fraktion (CVP, EVP, BDP): Pirmin Bischof (SO), Erich Ettlin (OW), Stefan Engler (GR), Peter Hegglin (ZG), Andrea Gmür-Schönenberger (LU), Daniel Fässler (AI), Heidi Z'graggen (UR), Marianne Maret (VS), Charles Juillard (JU), Othmar Reichmuth (SZ), Benedikt Würth (SG), Beat Rieder (VS). Sowie die Stimmenzählerin Brigitte Häberli-Koller (TG).
- FDP-Fraktion: Martin Schmid (GR), Hans Wicki (NW), Andrea Caroni (AR), Damian Müller (LU), Ruedi Noser (ZH), Thierry Burkart (AG), Johanna Gapany (FR), Matthias Michel (ZG), Olivier Français (VD), Philippe Bauer sowie der zweite Vizepräsident Thomas Hefti (GL).
- SVP-Fraktion: Marco Chiesa (TI), Hannes Germann (SH), Hansjörg Knecht (AG), Thomas Minder (SH), Werner Salzmann (BE) sowie der erste Vizepräsident Alex Kuprecht (SZ).
- Grüne Fraktion: Mathias Zopfi (GL).
Für das Dividenden-Verbot (10): Die Ratslinke stimmte für den Vorstoss. Allerdings nicht geschlossen: Bei der SP gab es eine Enthaltung und einen Abwesenden.
- SP-Fraktion: Marina Carobbio Guscetti (TI), Carlo Sommaruga (GE), Christian Levrat (FR), Roberto Zanetti (SO), Elisabeth Baume-Schneider (JU), Paul Rechsteiner (SG).
- Grüne Fraktion: Adèle Thorens Goumaz (VD), Lisa Mazzone (GE), Céline Vara (NE), Maya Graf (BL)*.
Keine Ja/Nein-Stimme: Eva Herzog (SP/BS, Enthaltung). Abwesend waren: Jakob Stark (SVP/TG), Josef Dittli (UR/FDP) und Daniel Jositsch (SP/ZH). Hans Stöckli (SP/BE) stimmt als Ständeratspräsident nicht ab.
Der Vorstoss ist noch nicht ganz vom Tisch
Das Geschäft war mit dem Nein des Ständerats zumindest formell gescheitert. Die Idee könnte aber in der Sommersession politisch weiterleben. SRF berichtete, dass aus den Reihen der CVP bereits an einem «alternativen Vorstoss» gearbeitet werde, der in eine ähnliche Richtung ziele.
Er müsste die Frage der Eigentumsgarantie klären, um mehr Erfolg zu haben als der erste Entwurf von der nationalrätlichen Wirtschaftskommission. Ein komplettes Dividenden-Verbot, womöglich mit Rückwirkung, wurde in der Debatte auch aus grundrechtlichen Argumenten kritisiert.
Entsprechende Bedenken wurden auch vom Berner Wirtschaftsrechtsprofessor Peter V. Kunz von der Nachrichtenagentur AWP verbreitet. Ein Dividenden-Verbot hätte gar den Kerngehalt der Eigentumsgarantie eingeschränkt, wird er zitiert. Als problematisch bezeichnete er auch die rückwirkende Gültigkeit des Parlamentsentscheids: «Das Rückwirkungsverbot stellt ein zentrales Element eines Rechtsstaats dar», sagte er. Das Nein des Ständerats begrüsste er.
* Die Stimme von Frau Ständerätin Graf wurde in einer ersten Version nicht berücksichtigt. Die Liste wurde ergänzt.