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Die neue Monsterbank wird auch zum grössten Akteur im Immobiliengeschäft

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Fast 70'000 Wohnungen haben die mit der CS fusionierte UBS und ihre Anlagestiftungen im Portfolio.Bild: Shutterstock

Die neue Monsterbank wird auch zum grössten Akteur im Immobiliengeschäft

Fast 70'000 Wohnungen haben die mit der CS fusionierte UBS und ihre Anlagestiftungen im Portfolio. Mit dem Zusammenschluss entsteht der mit Abstand grösste Akteur im Immobiliengeschäft.
03.04.2023, 19:3728.03.2024, 14:09
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Selten sind in der Schweiz Anarchie und Kapitalismus so nahe beieinander wie zuletzt in Zürich-Altstetten. Während auf dem Koch-Areal gerade die grösste Hausbesetzung der Schweiz ihr Ende nimmt, ist eine Überbauung auf der anderen Strassenseite die Nummer 1 im Wohnbau-Portfolio der UBS. Fast 11 Millionen Franken spülen ihr die 354 Wohnungen an der Anemonenstrasse aus dem Jahr 1971 in die Kasse – Jahr für Jahr.

Die UBS war schon vor der geplanten Übernahme der Credit Suisse (CS) ein grosser Akteur auf dem Schweizer Immobilienmarkt. Mit dem Portfolio der Konkurrentin aber stösst sie in neue Dimensionen vor. Fast 69'000 Wohnungen sind in Besitz von Immobilienfonds der neuen Bank oder gehören Anlagestiftungen, die von ihr verwaltet werden. Damit überholt sie den bisherigen Branchenprimus Swiss Life, der derzeit auf etwa 40'500 Wohnungen kommt. Nicht einberechnet sind Wohnungen der Pensionskassen der Banken.

Wohnungen in Zürich-Altstetten: Hier investiert der UBS-Fonds «Sima».
Wohnungen in Zürich-Altstetten: Hier investiert der UBS-Fonds «Sima».Bild: Severin Bigler / CH Media

Die meisten Wohnungen gehören genau genommen nicht der Bank, sondern ihren Immobilienfonds und damit deren Investoren. Ein kleinerer Teil ist zudem im Portfolio der Credit Suisse Anlagestiftung angesiedelt. Dabei handelt es sich um eine Stiftung, in die Pensionskassen Vorsorgegelder investieren und die rechtlich unabhängig von der CS ist.

Für die Mieter ist von untergeordneter Bedeutung, welchem Fonds oder welcher Stiftung sie genau die Miete überweisen. Bei ihren Wohnungen hat so oder so die Bank das Sagen. Bei einer durchschnittlichen Belegung von 2.2 Personen pro Wohnung dürften künftig etwa 150'000 Menschen mit ihrer Miete die Performance der Immobiliengefässe der Bank stützen – vielleicht, ohne das zu wissen. Denn oft übernehmen spezialisierte Firmen wie Wincasa oder CSL die Vermietung und die Abrechnung.

Die zwei grössten privaten Anbieter UBS und Swiss Life verfügen zusammen neu über fast 110'000 Wohnungen und übertrumpfen kommunale und gemeinnützige Ersteller von Wohnungen bei Weitem. Zum Vergleich: Der Stadt Zürich gehören etwa 9400 Wohnungen, der grössten Schweizer Wohnbaugenossenschaft ABZ gut 5000.

Ob institutionelle Vermieter gut oder schlecht sind für die Mieterschaft, darüber gehen die Meinungen auseinander. Einerseits bauen sie viele der dringend benötigten Wohnungen – und laut einer Umfrage aus dem Jahr 2021 sind die meisten von über 20'000 befragten Mieter von UBS, Swiss Life und Axa «sehr zufrieden» mit ihrer Wohnsituation. Der Mieterverband ist allerdings skeptisch. CS und UBS seien ihm «nicht bekannt als Immobilienbesitzerinnen, die sich von anderen Firmen in der Branche unterscheiden», sagt Verbandsvizepräsident und Grünen-Nationalrat Michael Töngi. Als Kompliment ist das nicht gemeint.

Töngi verweist auf Leerkündigungen der CS etwa in Basel im Jahr 2019. Damals hatte die Bank rund 300 Personen die Wohnungen gekündigt, um ein Hochhaus zu sanieren – laut dem lokalen Mieterverband vor allem, um höhere Renditen zu erzielen. Sauer aufgestossen ist Töngi auch eine 2021 erschienene Studie der UBS, in der die Bank die Vorzüge von Sanierungen preist: Diese führten auch dank Mietzinserhöhungen «in vielen Fällen zu attraktiven Renditen».

UBS & CS: inkl. CS-Anlagestiftung; Pensimo: Gemäss Mieterverband 2019
Bild: Quelle: Firmen-Websites/Geschäftsberichte, Mieterverband – Grafik: ehs / ch media

Schon jetzt wird weniger gebaut

«UBS und CS sind Teil des renditegetriebenen Marktes, in dem sich alle noch eine zusätzliche Scheibe des Gewinns abschneiden wollen», sagt Töngi. «Mit dieser Ausrichtung und der schieren Grösse bedeutet dieser Zusammenschluss nichts Gutes für den Wohnungsmarkt.» Er fordert, dass die Bank den Reden zu Nachhaltigkeit Taten folgen lässt: Die UBS könne ein Statement abgeben, dass sie sich mit ihrem grossen Liegenschaftenpark der Nachhaltigkeit verpflichtet fühle – «und einen Beitrag leistet zum Erhalt preisgünstiger Wohnungen».

Nicht nur die UBS, sondern generell institutionelle Investoren – also Aktiengesellschaften, Immobilienfonds, Versicherungen, Banken und Pensionskassen – haben ihre Stellung auf dem Wohnungsmarkt zuletzt ausgebaut. Gehörten ihnen im Jahr 2000 laut Zahlen des Mieterverbands noch 29 Prozent der Mietwohnungen, waren es 2017 bereits 39 Prozent.

Welchen Anteil sie an der sich zuspitzenden Wohnungsnot haben, ist umstritten. In einer aktuellen Studie schreibt Raiffeisen von einem «bedenklich tiefen Niveau» der Wohnbautätigkeit. Dafür machen die Ökonomen aber vor allem die hohen Baulandpreise, rigide Bau- und Zonenordnungen und eine «äusserst einsprachefreudige Bevölkerung» verantwortlich. Auch fehlten Anreize für mehr Wohnbautätigkeit.

Hinzu kommt: Die Bautätigkeit ist bei Genossenschaften und der öffentlichen Hand noch tiefer. Von 2566 Neubauwohnungen, die 2022 in der Stadt Zürich fertiggestellt wurden, gingen beispielsweise 1422 auf private Gesellschaften zurück, 785 auf Privatpersonen und Stockwerkeigentümer, nur 359 auf Genossenschaften und 0 auf die öffentliche Hand. Der Mieterverband will dieses Problem angehen, indem er ein Vorkaufsrecht für Gemeinden und Kantone für Privatliegenschaften fordert, Zonen für gemeinnützigen Wohnbau definieren will oder die Aufhebung von Lockerungen bei der Lex Koller fordert. Diese regelt den Erwerb von Grundstücken durch ausländische Personen.

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17 Beispiele von schlechten Wohnungsgenossen
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21 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Lowend
03.04.2023 20:39registriert Februar 2014
Kommt es nun auch zum Personalabbau von Lobbyisten in Bern, denn wenn schon alles in einer Hand ist, dann reicht eigentlich ein Meldeläufer, der die Direktiven der UBS an den Bundesrat übermittelt. 🫡
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