Als die letzten Vorbereitungen für die SRF-«Arena» im Gange waren, die Kamerafrauen und -männer ihre Positionen einnahmen, da nutzte Moderator Sandro Brotz die verbleibende Zeit für einen kurzen Schwatz mit einer Gruppe Jungbürger, die der Sendung als Studiogäste beiwohnten. Das Gespräch drehte sich, wieso auch immer, ums Kart fahren.
Auch die freitägliche Politrunde mutete ein wenig wie eine Motorsport-Veranstaltung an. Mal drückte der Vertreter der GLP aufs Gas, dann war die Abgesandte der Sozialdemokraten an der Reihe. Es kam zu einigen verbalen Crashs und Rennleiter Brotz musste die Bundesparlamentarier zwecks Verschnaufpause auch mal kurz in die Boxengasse verweisen.
Insgesamt konnte der Grand Prix Zürich Nord am Leutschenbach aber ohne grössere Turbulenzen zu Ende gebracht werden, es blieb sogar noch Zeit für Kinderbuch-Heldin Pippi Langstrumpf. Doch dazu später mehr.
Im Zentrum der «Arena» standen die Klima- und Energiepolitik, folgende Politikerinnen und Politiker sassen für ihre Farben im Cockpit:
Die dramaturgisch mit allen Wassern gewaschene «Arena»-Redaktion stieg gleich in der ersten Rennrunde mit demjenigen Thema ein, das der Schweizer Bevölkerung vor Wochenfrist den Atem stocken liess. Die Strompreise. Sie werden im Jahr 2024 steigen und zwar deutlich. Im Durchschnitt um 18 Prozent, 222 Franken bezahlt ein typischer Haushalt im kommenden Jahr mehr.
Zunächst ging es darum, den Schuldigen für diesen wuchtig zuschlagenden Stromhammer zu ermitteln. Für SP-Nationalrätin Nadine Masshardt war der Fall klar: Es wurde sowohl in den Ausbau erneuerbarer Energien als auch in die Energieeffizienz zu wenig investiert. Ganz anders sah dies SVP-Nationalrat Mike Egger, für ihn liegt die Wurzel des Übels in der vom Stimmvolk gutgeheissenen Energiestrategie 2050. Man habe damals der Bevölkerung «völlig falsche Versprechungen gemacht auf völlig falschen Grundlagen».
Masshardt liess diesen Vorwurf nicht auf sich sitzen und zählte Egger – von Mitte-Nationalrat Stefan Müller-Altermatt inhaltlich sekundiert – auf, wo seine Partei in der energiepolitischen Vergangenheit überall auf das Bremspedal gedrückt habe. Klimaschutz, Solarpflicht auf Neubauten, die Liste ist lang.
Die von der SP-Nationalrätin angesprochenen Kernenergie hat eine Zwietracht lanciert, die auch beim Apéro nach der Sendung Bestand gehabt haben dürfte. Während Links-Grün die Schweizer Atomkraftwerke am liebsten sofort vom Netz nehmen würde, plädierten die Bürgerlichen dafür, an den bestehenden AKW festzuhalten und – geht es nach der SVP – über neue Kernkraftwerke zu diskutieren.
Support für einen momentanen Weiterbetrieb gab's auch von Martin Bäumle, der GLP-Gründungspräsident redete sich sogar kurzzeitig in Rage. Auslöser war der von der Walliser Kantonsbevölkerung gefällte und von den Grünen unterstützte Entscheid, beschleunigte Verfahren für den Bau von grossen Solarkraftwerken in den Alpen abzulehnen. Am vergangenen Sonntag hat das Stimmvolk ein Dekret der Kantonsregierung mit knapp 54 Prozent Nein-Stimmenanteil versenkt.
Es war in diesem intensiv geführten Atomenergie-Hick-Hack nicht immer einfach, den Voten der anwesenden Parlamentarier zu folgen. Etwas Abhilfe schaffte Florence Brenzikofer. Die Nationalrätin der Grünen ist Vizepräsidentin des Vereins «Nie wieder Atomkraftwerke» und warf punkto Rentabilität eine Zahl in die Runde. Ein Ausfall eines AKW koste eine Million Franken – pro Tag.
Nebst grossen Kisten wie der Zukunft von Atomenergie haben die Politiker in der «Arena» auch aktuelle Beschlüsse diskutiert. Etwa die Motion, die der Nationalrat diese Woche im Rahmen der Herbstsession angenommen hat. Der von SVP-Nationalrat Erich Hess eingereichte Vorstoss will die Autobahn A1 auf den Stecken Lausanne-Genf und Bern-Zürich auf mindestens sechs Spuren ausbauen.
Kaum hatte Moderator Brotz den Spurenausbau angesprochen, warfen die «Arena»-Teilnehmenden ihre Argumente in den Ring. SVP-Egger verwies auf die Zuwanderung, die Platz benötige. Auch deshalb unterstütze seine Partei den geplanten Ausbau auf der A1. Susanne Vincenz-Stauffacher von der FDP – auch sie für sechs Spuren – sieht zwar klar «Handlungsbedarf in Sachen Klimawandel», sie stehe aber auch ein «für eine Schweiz, die sich entwickelt» und – Stichwort Zuwanderung – «sich entwickelt hat».
Wenig Verständnis hatte SP-Masshardt, der Entscheid der Grossen Kammer für einen Spurenausbau stehe «total quer in der Landschaft bei unseren Bemühungen für mehr Klimaschutz», die Bevölkerung habe deutlich Ja gesagt zum Klimaschutzgesetz. Und Florence Brenzikofer, Nationalrätin der Grünen, lieferte wie schon bei der Atomenergie eine griffige Zahl. Heute sässen in der Schweiz zu Stosszeiten 1,3 Personen in einem Auto, «das kann es doch nicht sein».
Kunterbunt ist nicht nur das zuweilen etwas nervöse Argumenten-Potpourri, Kunterbunt ist auch der Name der Villa, in der Kinderbuch-Heldin Pippi Langstrumpf lebt – und diese kommt in der Energie-«Arena» tatsächlich zur Sprache.
SVP-Nationalrat Mike Egger beschuldigt die links-grüne Seite, eine «Pippi-Langstrumpf-Politik» zu betreiben. «Ich mach mir die Welt, wie sie mir gefällt», wirft der Rorschacher seinen politischen Gegnern an den Kopf. Man wolle den Leuten alles versprechen, am Schluss habe man aber keinen Strom mehr.
Vielleicht ist es manchmal gar nicht so schlimm, wenn der Strom ausgeht. Nach 78 «Arena»-Minuten sind die meisten Studiogäste wohl nicht ganz unglücklich, dass eine komplexe Sendung zu Ende ist. In fünf Wochen finden die Parlamentswahlen statt, die Jungbürger können zum ersten Mal im Leben einen Wahlzettel in die Urne werfen – wenn sie nicht gerade auf der Kartbahn ihre Runden drehen.
Die Firma gegenüber hat ein kleineres Hochregal gebaut mit Solarpanelen an der Fassade.
Aber MMB jammert über die Energiepreise.
Ach ja, sie hat zwei EMS Kraftwerke an die Axpo verkauft. Schnelles Geld, doch jetzt bezahlt die Dame für den Strom