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Hier sollte DRINGEND angesetzt werden! Weder der Konsument, noch der Produzent profitiert hier, einzig und allein irgendwelche Sesselkleber. 10 Rappen mehr für den Ba er, 10 Rappen weniger im Migros/Coop und die allermeisten sind zufrieden.
Hohe Suizidraten, Notschlachtungen und ständige Preissenkungen – die Bauern stecken in der Krise. Der Kanton Freiburg zieht nun die Notbremse: Obwohl es dort bereits eine Beratungsstelle für Bauern in Not gibt, hat der Kanton nun einen zusätzlichen Massnahmenplan erarbeitet. Ende August wird er diesen präsentieren.
Die Westschweizer Zeitung La Liberté vermutet, dass den Bauern neu ein Seelsorger zur Seite gestellt wird. Eine Studie der Neuenburger Universität hatte dies empfohlen.
In den letzten Monaten stieg der Druck auf die Bauern nochmals an. Hier der Überblick in vier Punkten:
«Der finanzielle Druck hat deutlich zugenommen», sagt Sandra Helfenstein vom Schweizer Bauernverband auf Anfrage. Die Preise der Produkte würden ständig gesenkt. Erst letzte Woche senkte die Migros-Tochtergesellschaft Micarna die Preise. Pro Kilo Schweinefleisch kriegt der Bauer nun 10 Rappen weniger. «Der preisbestimmende Abnehmer nützt seine Marktmacht schamlos aus. Wir sind irritiert und enttäuscht», schreibt der Schweineproduzenten-Verband Suisseporcs.
Micarna begründet den Preisabschlag mit der niedrigen Nachfrage: «Wir mussten viel Fleisch einfrieren weil die Läden seit mehreren Wochen weniger Schweinefleisch verkaufen», sagt Micarna-Sprecherin Deborah Rutz gegenüber der «Bauern Zeitung».
Schon vor wenigen Wochen demonstrierten die Bauern vor einer Migros-Filiale. Der Grund: Elsa, ebenfalls eine Tochtergesellschaft der Migros, hat am 1. Juli die Preise für Milch um 2,5 Rappen gesenkt. Etwas mehr als 50 Rappen pro Liter bekommen die Bauern nun für ihre Milch. Dieser Ertrag sei nicht kostendeckend, sagte kürzlich Rudi Berli der Bauerngewerkschaft Uniterre zu «SRF». Er verweist darauf, dass nur schon die Produktion eines Liters Milch die Bauern rund einen Franken koste.
Wegen der Marktdominanz von Coop und Migros müssen sich die Bauern den diktierten Bedingungen fügen. Gemäss einer Studie des Staatssekretariats für Wirtschaft (Seco) bekommen die Bauern im Vergleich zu 1990 heute 30 Prozent weniger für ihre Produkte. Die Konsumenten hingegen bezahlen höhere Preise. Die Wertschöpfung hat sich demnach vom Bauernhof in den Handel verschoben.
Auch die Trockenheit macht den Bauern zu schaffen. «Die Bauern sitzen wie auf Nadeln», sagt Helfenstein vom Bauernverband. Sie verfolgten die Wetterprognose mit grosser Bange. Letzten Sommer mussten sie ihre Kühe notschlachten, weil sie keine Futter-Vorräte mehr hatten. Neues zu kaufen war für viele zu teuer. Sei jemand sonst schon finanziell knapp dran, könne das eine grosse Belastung sein.
Zudem hatten sie Ernteausfälle. «Eine schlechte Kartoffel-Ernte kann die Bauern tausende von Franken kosten», sagt Helfenstein.
Dieses Jahr ist bis jetzt weniger prekär. «Es ist nicht mit dem letztjährigen Sommer vergleichbar», sagt Helfenstein. Auch Ernteausfälle hätte es nicht in diesem Ausmass gegeben.
Oftmals kämen zu finanziellen Schwierigkeiten der Bauern noch familiäre dazu. «Auf einem Bauernhof leben vielfach verschiedene Generationen zusammen. Das führt immer wieder zu Konflikten.» Auch Probleme in der Ehe belasten die Bäuerinnen und Bauern. Zudem sei nicht jeder der geborene Unternehmer: Gewisse Bauern fühlten sich verpflichtet, den Hof zu übernehmen, obwohl ihnen das eigentlich gar nicht liege.
Nicht selten brechen die Bauern deshalb unter diesem Druck zusammen. Eine Nationalfonds-Studie zeigte vergangenen Winter: In der Schweiz begehen überdurchschnittlich viele Bauern Suizid. Zwischen 1991 und 2014 nahmen sich 447 Landwirte das Leben. Während die Suizid-Rate anderer Schweizer Männer aus ländlichen Gemeinden laufend sinkt, nimmt sie bei Landwirten seit 2003 zu. So hatten Bauern laut Studie zuletzt ein um 37 Prozent höheres Suizid-Risiko.
Seit über 20 Jahren gibt es das bäuerliche Sorgentelefon. Die Anzahl Anrufe verzweifelter Bauern stiegen in den letzten Jahren. 2015 waren es 153, zwei Jahre später 160 und im vergangenen Jahr riefen 171 Personen an. Das liege einerseits daran, dass der Druck immer grösser werde, andererseits sei das Sorgentelefon mittlerweile kein Tabu mehr bei den Bauern, sagt der Präsident des bäuerlichen Sorgentelefons, Andri Kober, zu watson. In mehreren Kantonen bieten ausserdem die lokalen Bauernverbände ein eigenes Sorgentelefon an.
Im Kanton Waadt haben sich alleine im Jahr 2016 acht Bauern das Leben genommen. Deshalb ist dort Bauernpfarrer Pierre-André Schütz im Einsatz. «Es ist dringend! Menschen sterben, weil man sie nicht unterstützt», sagt er zu «SRF». Man habe die Verzweiflung der Bauern jahrelang unterschätzt, meint er.
Das Bundesamt für Landwirtschaft hat nun die Dringlichkeit auch erkannt. Es führt mit Tierärzten, Betreuern und Kontrolleuren Tagungen durch. So will es diese Personen, die regelmässig in Kontakt mit Bauern sind, sensibilisieren. Merken sie bei den Bauern ein auffälliges Verhalten, können sie sie auf das Sorgentelefon und andere Angebote aufmerksam machen.
«Vor gut 20 Jahren hatten die Bauern ein einfacheres Leben», sagt die Sprecherin vom Bauernverband Sandra Helfenstein. Sie spielten damals – bevor viele Lebensmittel importiert wurden – eine zentrale Rolle bei der Versorgung der Schweizer Bevölkerung. Der Bund kaufte den Bauern damals die Ernte zu einem fixen Preis ab. So hätten sie eine finanzielle Sicherheit gehabt und gutes Geld verdient, so Helfenstein. «Heute müssen sie selber schauen, wo und zu welchem Preis sie ihre Produkte verkaufen können.» Heute müssten die Bauern wie Unternehmer harte Preisverhandlungen führen.
Auch die Zahlen zeigen: In den letzten rund 20 Jahren haben immer mehr Bauern den Bettel hingeworfen. Die Anzahl Landwirtschaftsbetriebe ist seit 1997 von 77'730 auf 50'852 im letzten Jahr gesunken.