Unternehmer aus Russland liefert Langstrecken-Drohnen für die Ukraine
Wie der römische Gott Janus habe Destinus zwei Gesichter, hält das französische Magazin «Challenges» in einem kürzlich veröffentlichten Exklusiv-Bericht fest.
Das andere Gesicht blieb bisher im Schatten: Seit letztem Jahr ist Destinus, gegründet vom russischstämmigen Unternehmer und Putin-Gegner Mikhail Kokorich, auch einer der wichtigsten, europäischen Lieferanten von Militärdrohnen für die Ukraine.»
Auf Anfrage von watson nimmt der Firmengründer zum Bericht Stellung und erklärt, was er mit seinen Unternehmungen in der Schweiz und der Europäischen Union vorhat.
Wie wurde der Firmengründer zum Putin-Gegner?
Mikhail Kokorich wurde schon als «russischer Elon Musk» bezeichnet. Doch im Gegensatz zum amerikanischen Techmilliardär zeigt der aus Russland stammende Unternehmer (47) keinerlei Verständnis für den Kriegstreiber Putin.
Im Gegenteil: Er setzt sich nach Kräften für die von Russland überfallene Ukraine ein. Und er distanziert sich von den imperialistischen Bestrebungen seines Heimatlandes.
Mitte Januar 2024 informierte Kokorich:
Was hat das mit der Schweiz zu tun?
Das 2021 von Kokorich gegründete Start-up Destinus will nicht weniger als die Luftfahrt revolutionieren. Im Oktober 2023 eröffnete das Unternehmen mit Partnern auf dem Flughafen Payerne VD das erste private Testgelände in der Schweiz zur Entwicklung von Wasserstofftechnologien.
Destinus sei insbesondere für die Entwicklung einer autonomen Überschall-Flugzeugrakete mit Wasserstoffantrieb bekannt, berichtete die Nachrichtenagentur Keystone-SDA. Das Start-up habe bereits zwei Prototypen fliegen lassen und plane einen dritten Versuch für 2024.
Die Hoffnung bestehe darin, Kontinente in wenigen Stunden zu verbinden, zunächst für den Transport von Fracht und später von Passagieren. Die Raketenflugzeuge sollen mit fünffacher Schallgeschwindigkeit, also rund 6000 Kilometern pro Stunde (km/h), fliegen, ohne klimaschädliches CO₂ (Kohlenstoffdioxid) auszustossen. So könnte etwa die Strecke Paris – New York in 90 Minuten zurückgelegt werden.
Gegenüber watson stellt Kokorich klar:
Bislang hatte Destinus seinen Hauptsitz in Payerne (Schweiz). Seine Drohnen stellt das Unternehmen aber in Deutschland (München), Spanien (Madrid) und den Niederlanden (Hengelo) her, wie «Challenges» schreibt. «Die meisten Geräte werden aus Deutschland exportiert. Auch in der Ukraine ist eine Fabrik an einem unbekannten Standort geplant.»
Der Destinus-Gründer betont:
Und zur Schweiz erklärt der Unternehmer:
Ein Besuch auf destinus.ch zeigt, dass die Schweizer Website derzeit ausser Betrieb ist. Kokorich bestätigt, dass dies mit der Verlegung des Hauptsitzes nach Frankreich und der neuen Internetadresse densus.com zu tun habe. Die neue Website gehe dieses Wochenende in Betrieb.
Um seine Beziehungen zu Frankreich zu verbessern, hat der russischstämmige Unternehmer den ehemaligen Weltraumkommandanten der französischen Armee, General Michel Friedling, in den Destinus-Vorstand berufen. Und «um seine europäischen und pro-ukrainischen Wurzeln zu würdigen», habe er zudem den ehemaligen Astronauten und spanischen Innovationsminister Pedro Duque sowie den ehemaligen Finanzminister und Sekretär des Nationalen Sicherheitsrates der Ukraine, Oleksandr Danyljuk, an Bord geholt.
Gegenüber watson erklärt das Destinus-Team, dass man sich darauf vorbereite, nur den Hauptsitz nach Paris zu verlegen. «Dies wird uns auch die Möglichkeit geben, von der zunehmenden Verfügbarkeit öffentlicher Mittel für Forschungs- und Entwicklungsprojekte in der Luft- und Raumfahrt in den Ländern der Europäischen Union zu profitieren.»
Was liefert Destinus der ukrainischen Armee?
Im Interview erklärte Kokorich:
Nach Informationen des französischen Business-Magazins hat Destinus seit dem zweiten Quartal 2023 «Hunderte kostengünstige Langstreckendrohnen nach Kiew geliefert». Diese propellergetriebenen Geräte mit dem Namen Lord hätten je nach Ausführung eine Reichweite von 750 bis über 2000 km und seien für Bodenangriffe gedacht.
Die unbemannten Fluggeräte seien auch in der Lage, Geheimdienstmissionen durchzuführen sowie elektromagnetische Störungen durch die russische Armee zu umgehen.
Die Aktionsreichweite der Destinus-Drohnen wäre demnach deutlich grösser als die der bisher von der ukrainischen Armee eingesetzten, unbemannten Fluggeräte wie der Ukrjet UJ-22, der UJ-25 Skyline oder der UJ-26 Beaver – diese verfügten über eine maximale Reichweite von 1000 km.
Das Start-up werde ausserdem zwei weitere Arten von Drohnen nach Kiew liefern, berichtet «Challenges»:
- Die Ruta verfüge über ein Düsentriebwerk und habe das Aussehen eines Marschflugkörpers, sie sei mit Flossen ausgestattet und habe eine Reichweite von 300 km. Sie eigne sich für Bodenangriffe und Überwachungsmissionen.
- Die Hornet sei «eine sehr schnelle Minidrohne» mit einem Gewicht von wenigen Kilos (fast 300 km/h). Dieses Fluggerät sei in der Lage, «feindliche Drohnen abzufangen und zu zerstören, aber auch ein Gebiet zu kartieren oder als Telekommunikationsrelais zu dienen».
An den Fluggeräten werden Handgranaten und andere Sprengladungen befestigt, um sie dann als Kamikaze-Drohnen gegen feindliche Stellungen einzusetzen. Sie sind wegen ihrer geringen Grösse kaum auszumachen. Abgesehen von Tötungsmissionen werden sie auch zu Überwachungs- und Aufklärungszwecken eingesetzt.
Im Dezember 2023 sagte der ukrainische Minister für digitale Transformation, Mykhailo Fedorov, in einem Interview, dass FPV-Drohnen für die Kämpfer an der Front inzwischen nützlicher seien als Artillerie. Sicher ist, dass ein technologisches Wettrüsten um die Fluggeräte läuft und auch massiv an der Abwehr solcher Angriffe geforscht wird.
Drohnen mit grosser Reichweite sind für die Ukraine enorm wichtig, weil sie damit den hinter der Front ablaufenden militärischen Nachschub bekämpfen können.
Quellen:
Mit Material der Nachrichtenagentur Keystone-SDA
- challenges.fr: Destinus, la start-up qui arme secrètement l’Ukraine en drones militaires (30. Januar)