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Destinus: Unternehmer aus Russland beliefert Ukraine mit Militärdrohnen

Unternehmer aus Russland liefert Langstrecken-Drohnen für die Ukraine

Mikhail Kokorich will mit seinem Start-up Destinus von der Schweiz aus die Luftfahrt revolutionieren. Er ist aber auch ein wichtiger Unterstützer der ukrainischen Armee, wie er gegenüber watson bestätigt.
02.02.2024, 12:0911.04.2024, 12:15
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Wie der römische Gott Janus habe Destinus zwei Gesichter, hält das französische Magazin «Challenges» in einem kürzlich veröffentlichten Exklusiv-Bericht fest.

«Das erste, weitverbreitete Projekt ist das eines vielversprechenden Start-ups mit Sitz in der Schweiz, das Hyperschalldrohnen und -flugzeuge (Geschwindigkeiten über Mach 5) sowohl für den Fracht- als auch für den Passagiermarkt entwickeln will.

Das andere Gesicht blieb bisher im Schatten: Seit letztem Jahr ist Destinus, gegründet vom russischstämmigen Unternehmer und Putin-Gegner Mikhail Kokorich, auch einer der wichtigsten, europäischen Lieferanten von Militärdrohnen für die Ukraine.»

Auf Anfrage von watson nimmt der Firmengründer zum Bericht Stellung und erklärt, was er mit seinen Unternehmungen in der Schweiz und der Europäischen Union vorhat.

«Wir möchten nicht den Anschein erwecken, dass wir etwas tun, das im Widerspruch zum Schweizer Recht steht.»
Mikhail Kokorich
Der russischstämmige Stanford-Absolvent Mikhail Kokorich beschreibt sich als Luft- und Raumfahrtunternehmer, Ingenieur und Erfinder.
Der russischstämmige Stanford-Absolvent Mikhail Kokorich beschreibt sich als Luft- und Raumfahrtunternehmer, Ingenieur und Erfinder.Bild: zvg

Wie wurde der Firmengründer zum Putin-Gegner?

Mikhail Kokorich wurde schon als «russischer Elon Musk» bezeichnet. Doch im Gegensatz zum amerikanischen Techmilliardär zeigt der aus Russland stammende Unternehmer (47) keinerlei Verständnis für den Kriegstreiber Putin.

Im Gegenteil: Er setzt sich nach Kräften für die von Russland überfallene Ukraine ein. Und er distanziert sich von den imperialistischen Bestrebungen seines Heimatlandes.

Mitte Januar 2024 informierte Kokorich:

«Diese Woche habe ich bewusst und offiziell auf meine Staatsbürgerschaft der Russischen Föderation verzichtet und damit meine formale und einzige Verbindung zu diesem Land beendet. Ab Februar 2022 war dies eine bewusste Entscheidung, die von meiner grundsätzlichen Ablehnung der russischen Invasion in der Ukraine und der Politik der derzeitigen Putin-Regierung getragen wurde.»
quelle: twitter.com
Tweet von Mikhail Kokorich, der aus Protest die russische Staatsbürgerschaft abgegeben hat (Januar 2024).
Screenshot: twitter.com

Was hat das mit der Schweiz zu tun?

Das 2021 von Kokorich gegründete Start-up Destinus will nicht weniger als die Luftfahrt revolutionieren. Im Oktober 2023 eröffnete das Unternehmen mit Partnern auf dem Flughafen Payerne VD das erste private Testgelände in der Schweiz zur Entwicklung von Wasserstofftechnologien.

Was ist der «Destinus H2 Park»?
Nach ihrer Fertigstellung soll die auf dem Areal des Flugplatzes Payerne VD gebaute Testanlage Forschern und Privatunternehmen aus der Schweiz und anderen Ländern offen stehen. Erklärtes Ziel der Initianten ist es, «die Entwicklung von Wasserstofftechnologien für den Verkehr (Antrieb) und die Energie (Erzeugung) voranzutreiben, die eine entscheidende Rolle bei der Schaffung einer saubereren Zukunft in Europa spielen werden». Der sogenannte «Destinus H2 Park» sei das Ergebnis einer Zusammenarbeit von Destinus mit dem Technologiepark Swiss Aéropôle und dem Waadtländer Innovationszentrum Innovaud.

Destinus sei insbesondere für die Entwicklung einer autonomen Überschall-Flugzeugrakete mit Wasserstoffantrieb bekannt, berichtete die Nachrichtenagentur Keystone-SDA. Das Start-up habe bereits zwei Prototypen fliegen lassen und plane einen dritten Versuch für 2024.

Die Hoffnung bestehe darin, Kontinente in wenigen Stunden zu verbinden, zunächst für den Transport von Fracht und später von Passagieren. Die Raketenflugzeuge sollen mit fünffacher Schallgeschwindigkeit, also rund 6000 Kilometern pro Stunde (km/h), fliegen, ohne klimaschädliches CO₂ (Kohlenstoffdioxid) auszustossen. So könnte etwa die Strecke Paris – New York in 90 Minuten zurückgelegt werden.

Gegenüber watson stellt Kokorich klar:

«Destinus SA, ein Schweizer Unternehmen, stellt keine Militärdrohnen oder Komponenten für solche Drohnen für die Ukraine her, hat sie nicht hergestellt und beabsichtigt auch nicht, sie herzustellen.»

Bislang hatte Destinus seinen Hauptsitz in Payerne (Schweiz). Seine Drohnen stellt das Unternehmen aber in Deutschland (München), Spanien (Madrid) und den Niederlanden (Hengelo) her, wie «Challenges» schreibt. «Die meisten Geräte werden aus Deutschland exportiert. Auch in der Ukraine ist eine Fabrik an einem unbekannten Standort geplant.»

Der Destinus-Gründer betont:

Unsere Unternehmen in den EU-Ländern sind an der Produktion dieser Drohnen beteiligt und tun dies in Übereinstimmung mit den Genehmigungen und Lizenzen, die sie von den zuständigen nationalen Behörden erhalten haben.»

Und zur Schweiz erklärt der Unternehmer:

«Die Schweizer Tochtergesellschaft Destinus SA in Payerne konzentriert sich ausschliesslich auf die Entwicklung von kombinierten Antriebstechnologien für Hyperschallflugzeuge. Ausserdem bauen wir in Payerne ein Testzentrum für die Erprobung dieser Triebwerke auf, einschliesslich der Verwendung von kryogenem Flüssigwasserstoff.»

Ein Besuch auf destinus.ch zeigt, dass die Schweizer Website derzeit ausser Betrieb ist. Kokorich bestätigt, dass dies mit der Verlegung des Hauptsitzes nach Frankreich und der neuen Internetadresse densus.com zu tun habe. Die neue Website gehe dieses Wochenende in Betrieb.

«Die Neutralität der Schweiz erschwert den Export. Frankreich verfügt über umfangreiches Luftfahrt- und Militär-Know-how. Wir glauben, dass es einfacher sein wird, Exportlizenzen zu erhalten.»
Mikhail Kokorichquelle: challenges.fr

Um seine Beziehungen zu Frankreich zu verbessern, hat der russischstämmige Unternehmer den ehemaligen Weltraumkommandanten der französischen Armee, General Michel Friedling, in den Destinus-Vorstand berufen. Und «um seine europäischen und pro-ukrainischen Wurzeln zu würdigen», habe er zudem den ehemaligen Astronauten und spanischen Innovationsminister Pedro Duque sowie den ehemaligen Finanzminister und Sekretär des Nationalen Sicherheitsrates der Ukraine, Oleksandr Danyljuk, an Bord geholt.

Gegenüber watson erklärt das Destinus-Team, dass man sich darauf vorbereite, nur den Hauptsitz nach Paris zu verlegen. «Dies wird uns auch die Möglichkeit geben, von der zunehmenden Verfügbarkeit öffentlicher Mittel für Forschungs- und Entwicklungsprojekte in der Luft- und Raumfahrt in den Ländern der Europäischen Union zu profitieren.»

Was liefert Destinus der ukrainischen Armee?

Im Interview erklärte Kokorich:

«Wir gehören bereits zu den grössten Drohnenproduzenten in Europa. Wir liefern jeden Monat mehr als hundert grosse Drohnen aus, und die Ukraine ist einer unserer Hauptkunden. Bei unseren Produkten handelt es sich um Dual-Use-Geräte, die sowohl zivile als auch militärische Einsätze erfüllen.»
quelle: challenges.fr

Nach Informationen des französischen Business-Magazins hat Destinus seit dem zweiten Quartal 2023 «Hunderte kostengünstige Langstreckendrohnen nach Kiew geliefert». Diese propellergetriebenen Geräte mit dem Namen Lord hätten je nach Ausführung eine Reichweite von 750 bis über 2000 km und seien für Bodenangriffe gedacht.

Die unbemannten Fluggeräte seien auch in der Lage, Geheimdienstmissionen durchzuführen sowie elektromagnetische Störungen durch die russische Armee zu umgehen.

«Eine Schlüsseltechnologie, da Russland zahlreiche ukrainische Drohnen abfängt.»

Die Aktionsreichweite der Destinus-Drohnen wäre demnach deutlich grösser als die der bisher von der ukrainischen Armee eingesetzten, unbemannten Fluggeräte wie der Ukrjet UJ-22, der UJ-25 Skyline oder der UJ-26 Beaver – diese verfügten über eine maximale Reichweite von 1000 km.

Das Start-up werde ausserdem zwei weitere Arten von Drohnen nach Kiew liefern, berichtet «Challenges»:

  • Die Ruta verfüge über ein Düsentriebwerk und habe das Aussehen eines Marschflugkörpers, sie sei mit Flossen ausgestattet und habe eine Reichweite von 300 km. Sie eigne sich für Bodenangriffe und Überwachungsmissionen.
  • Die Hornet sei «eine sehr schnelle Minidrohne» mit einem Gewicht von wenigen Kilos (fast 300 km/h). Dieses Fluggerät sei in der Lage, «feindliche Drohnen abzufangen und zu zerstören, aber auch ein Gebiet zu kartieren oder als Telekommunikationsrelais zu dienen».
Der erste Drohnen-Krieg
Die Ukraine setzt massiv Drohnen im Kampf gegen russische Truppen ein. Sogenannte FPV-Drohnen basieren meist auf kommerziellen Quadcopter-Modellen, die für militärische Zwecke umgerüstet wurden. FPV steht für «First Person View», auf Deutsch «Sicht aus der Ich-Perspektive»: Die Piloten steuern die Fluggeräte über ein Headset und sehen dank Bordkamera genau, wo sie hinfliegen.

An den Fluggeräten werden Handgranaten und andere Sprengladungen befestigt, um sie dann als Kamikaze-Drohnen gegen feindliche Stellungen einzusetzen. Sie sind wegen ihrer geringen Grösse kaum auszumachen. Abgesehen von Tötungsmissionen werden sie auch zu Überwachungs- und Aufklärungszwecken eingesetzt.

Im Dezember 2023 sagte der ukrainische Minister für digitale Transformation, Mykhailo Fedorov, in einem Interview, dass FPV-Drohnen für die Kämpfer an der Front inzwischen nützlicher seien als Artillerie. Sicher ist, dass ein technologisches Wettrüsten um die Fluggeräte läuft und auch massiv an der Abwehr solcher Angriffe geforscht wird.

Drohnen mit grosser Reichweite sind für die Ukraine enorm wichtig, weil sie damit den hinter der Front ablaufenden militärischen Nachschub bekämpfen können.

Mit diesem Video präsentierte sich Destinus 2023 in Frankreich:

Quellen:

Mit Material der Nachrichtenagentur Keystone-SDA

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41 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Schlaf
02.02.2024 12:47registriert Oktober 2019
«Die Neutralität der Schweiz erschwert den Export. Frankreich verfügt über umfangreiches Luftfahrt- und Militär-Know-how. Wir glauben, dass es einfacher sein wird, Exportlizenzen zu erhalten.»

Der gute Herr kennt die Schweizer Gepflogenheiten gegenüber sich im Krieg befindenden Parteien anscheinend nicht.
An die Saudis wird auch munter geliefert.

Die "Neutralität" der CH ist halt immer so eine Sache der Auslegung..
Kommt auf den Blickwinkel an.

Schade, geht er nach Frankreich, solche Firmen würden der CH gut tun.
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AlfredoGermont
02.02.2024 12:53registriert März 2022
Visisonär, mutig und ethisch, ich wünsche Herrn Kokorich und seiner Firma viel Erfolg! Hoffentlich macht das Beispiel Schule, so dass auch andere Unternehmer realisieren, dass sie nicht nur Quartalszahlen abliefern müssen, sondern sich langfristig orientieren. Dazu gehört auch, die regelbasierte Weltordnung als Basis unseres Wohlstandes zu verteidigen.
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Rethinking
02.02.2024 13:08registriert Oktober 2018
Vor dem Kampfjetkauf habe ich hier x-mal empfohlen, das Geld in Drohnen, Flugabwehr und Cyberwar zu investieren…

Die Kriege in der Ukraine und in Israel bestätigen nun genau dies.
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