Wir sind es uns, besonders nach dem Rekordjahr 2022, zwar langsam gewohnt. Doch die Temperaturen hören auch im Januar 2023 nicht auf, zu erstaunen. Die ersten Tage im Jahr haben für weitere Rekorde gesorgt – und eine deutliche Veränderung ist noch nicht in Sicht.
Dank ziemlich starkem Föhn gab es um den Jahreswechsel ungewöhnlich hohe Temperaturen, besonders in den Alpen. Gemäss dem Wetterdienst Meteonews wurden im Zuge dessen gleich an zwölf Orten neue Januarrekorde aufgestellt.
In Delsberg/Delémont im Kanton Jura wurden demnach 20,2 Grad gemessen – die höchste je gemessene Temperatur an einem Januartag.
Aber nicht nur in Bezug auf Höchstwerte gab es Rekorde, auch neue höchste Minimaltemperaturen wurden registriert. Das heisst, an elf Wetterstationen wurden an einem Januartag noch nie so hohe Tagestiefstwerte gemessen. So lag die Minimaltemperatur in Andermatt (1437 Meter über Meer) bei 5,3 Grad, in Bad Ragaz bei 12,4 Grad und in Chur sank das Thermometer nur ganz knapp unter zehn Grad – alles neue Rekordwerte.
Zwar hat die Schweiz am 3. Januar eine Kaltfront erreicht, die leicht kühlere Luft in den Alpenraum brachte. Trotzdem kann auch in den nächsten Tagen von «Winter aber keine Rede sein», wie Meteonews schreibt.
Am Donnerstag gibt es zwar erneut grossflächigen Niederschlag, die Temperaturen liegen aber weiterhin im Bereich um 12 Grad. Schnee gibt es also bis weit in der Höhe keinen, die Schneefallgrenze liegt bei 1700 bis 2000 Meter.
Am Freitag erwartet das Flachland Hochnebel. Über 1200 bis 1700 Metern ist es zwar schön – aber auch warm. Das verheisst weiterhin wenig Gutes für die Alpen, denn die Nullgradgrenze liegt mit 2600 bis 2900 Metern ausserordentlich hoch.
Am Wochenende schliesslich kehrt der Föhn zurück, am Samstag erreichen uns damit erneut Temperaturen von um die zwölf Grad. Immerhin: Danach wird es etwas kühler und am Sonntag und Montag sinkt die Schneefallgrenze auf 1500 respektive 1000 Meter. Dank prognostiziertem Niederschlag dürfte es in den Alpengebieten dann also etwas weisser werden.
Und danach? Bleibt es mild: Gemäss Meteoschweiz dürfte ein Tief mit Zentrum bei den Britischen Inseln nächste Woche für unbeständiges Wetter sorgen – und Höchsttemperaturen von bis zu zehn Grad.
Doch wie sieht eigentlich die allgemeine Wetterlage aus? Weshalb hat uns der wirklich kalte Winter bis jetzt zwar sehr früh (Anfang Dezember) kurz besucht – aber danach bis heute wieder verlassen?
Grund dafür ist der sogenannte Polarwirbel. Wie Meteonews schreibt, befindet sich dieser gerade in einer «wahren Höchstform». Was aber ist der Polarwirbel genau?
In den jeweiligen Wintermonaten entsteht jedes Jahr über den Polen abwechslungsweise ein sogenanntes Höhentief. Das bedeutet, es kommt in grossen Höhen zu extrem kalter Luft. Dem liegt zugrunde, dass in den Wintermonaten an den Polen das Sonnenlicht die hohen Breiten nicht mehr erreicht. Der Austausch der Luftmassen findet dadurch nur noch begrenzt statt.
In der Folge kann sich ein mächtiger, im Normalfall abgeschlossener Kaltluftkörper bilden. Abgeschlossen wird die Luft nämlich durch einen starken Jetstream, dem Polarjetstream.
Ist die Lage wie im Bild links, dann besteht eine starke Westwindströmung bei uns. Wie Meteonews weiter erklärt, kann diese Strömung Sturmtiefs beinhalten, «die typischerweise vom Nordatlantik über die Britischen Inseln nach Skandivien ziehen.» Kommen solche Sturmtiefs gelegentlich etwas südlicher zu liegen, können sie auch bei uns Winterstürme auslösen.
Eine solche Lage mit starkem Jetstream und «eingeklemmter» Kaltluft über dem Nordpol äussert sich bei uns in Form eines eher milden, dafür niederschlagsreichen Winter. Und genau das ist im Moment der Fall.
Während es in unseren Breitengraden sehr mild ist, äussert sich die eingeschlossene Kaltluft über dem Nordpol in Form von rekordreifen Minustemperaturen: Wie Meteonews meldet, liegen Temperaturen im Zentrum des Polarwirbels (in etwa 30 Kilometer Höhe) teilweise zwischen -85 und -90 Grad. Das liege im Bereich der Allzeitrekorde.
Jein. So sollte es gegen Mitte Januar zu einem sogenannten «wave breaking» kommen. Der Polarwirbel werde dabei etwas verformt und als Folge davon teilweise nach Süden abgedrängt. Zu einer richtigen Disruption oder gar einem sogenannten Polarwirbelsplit, der kalte Luft in unsere Breitengrade führen würde, komme es aber gemäss den aktuellen Modellen nicht.
Trotzdem werde sich der Polarwirbel im letzten Januardrittel etwas abschwächen. Die Temperaturgegensätze zwischen unseren Breitengraden und der Polarregion nehmen dadurch etwas ab. Zu einer Umkehrung – die bei uns zu extrem kalten Temperaturen führen kann – kommt es aber nicht.
Bei einem starken Polarwirbel ist meist auch der Jetstream über unseren Breitengraden gut ausgeprägt. Ist der Jetstream stark, wie das im Moment der Fall ist, ist bei uns dynamisches – also wechselhaftes, unbeständiges – Wetter vorherrschend. Zurzeit zeigt sich gar eine «ähnliche Situation wie im Februar 2022, als Winterstürme wie Zeynep Schlagzeilen machten», schreibt Meteonews. Die Schweiz dürften diese Sturmtiefs aber nach aktuellem Stand nur am Rande tangieren.
Diese durchziehenden Tiefdrucksysteme führen in nächster Zeit zwar zu teilweise absinkenden Schneefallgrenzen – aber: auf einen nachhaltigen Wintereinbruch müssen wir uns weiterhin gedulden.