Seit Beginn des Jahres geht ein Tiktok-Video aus Wengen viral. Was darin zu sehen ist, tut jedem Skifahrer weh. Mühselig watscheln einige Wintersportler im braunen Matsch den Hang hinauf. Um sie herum ist alles grün – und das, obschon Januar ist.
Dieses Video geht nun um die Welt. Auf TikTok wurde es bereits 300'000 Mal angeschaut. Es wird kommentiert auf Englisch, Französisch, Italienisch und Deutsch.
Die Kommentare sind eindeutig: So lässt man es besser sein. «Hat mit Wintersport nichts mehr zu tun. Besser Biken oder Wandern», schreibt ein User. «Ich würde nach Hause gehen, wirklich», meint ein anderer.
«Dieses TikTok-Video ist mir bekannt», sagt Rolf Wegmüller, Direktor von Wengen Tourismus, zu watson. Es sei auf der Talabfahrt im Dorf aufgenommen worden. Er erklärt: «Die Pistenpräparation führte an diesem Tag zu starken Verschmutzungen beim vorhandenen Schnee. Darum ist der eigentliche weisse Schnee nicht mehr ersichtlich.»
Sind die Schneeverhältnisse im Skigebiet wirklich derart prekär, wie es auf dem Video vermittelt wird? Wegmüller verneint. Man habe in den vergangenen Jahren viel in moderne Beschneiungsanlagen investiert, dies zahle sich jetzt aus. «Diese Situation ist nur auf diesem Abschnitt für ca. 20 bis 30 Meter vorgekommen. Die restliche Talabfahrt war weiss und ohne Probleme zu befahren.»
Es sei natürlich schade, dass es momentan kein richtiges Winter-Feeling mit einer verschneiten Landschaft gebe, führt Wegmüller aus. Dennoch zieht er eine positive Bilanz für die Festtage: «Mit den Logiernächten über die Festtage sind wir sehr zufrieden. Praktisch alle Unterkünfte waren vollständig ausgebucht.»
Wenig Schnee hat es auch in Gstaad. Dies zeigt ein Bild, das der Klimawissenschaftler Reto Knutti auf Twitter veröffentlicht hat. Über mehrere hundert Meter zieht sich ein weisser Streifen durch eine grüne Landschaft ins Tal.
«Ich bin hier in Gstaad aufgewachsen und habe in den 70er-Jahren auf dieser Piste Skifahren gelernt», schreibt Knutti. «Damals hatten Wissenschaftler Beweise, dass fossile Brennstoffe die Erwärmung verursachen. Jetzt ist der 1. Januar 2023.» Klimawissenschaften seien seine Profession, so Knutti weiter, «aber hier wird es persönlich».
Klimawissenschaftler rund um den Globus kommentieren Knuttis Bild. «Ihr Bild vom 1. Januar ist wirklich furchtbar eindrucksvoll», schreibt ein Forscher aus England.
I grew up here in #Gstaad and learned skiing on this slope in the 70s. Back then scientists had evidence that fossil fuel causes warming. This is Jan 1, 2023.
— Reto Knutti (@Knutti_ETH) January 1, 2023
Climate science is my profession, but this is where it gets personal.
When do we understand that we need to change? pic.twitter.com/sbYpGBhQiY
Das Bild stammt vom Wasserngrat, wie Airane Ludwig-Meichtry von Gstaad Saanenland Tourismus sagt. Momentan sind im Skigebiet, das sich bis zum Glacier 3000 erstreckt, nur etwa die Hälfte der Lifte in Betrieb.
Von prekären Pistenverhältnissen will Ludwig-Meichtry nicht sprechen. «Die meisten Hauptpisten sind geöffnet und wir können täglich zwischen 5000 und 6500 Skifahrer in der Region verzeichnen», sagt die Leiterin für Marketing und Sales. «Der Naturschnee schmilzt, jedoch hilft hier der Kunstschnee, ein Angebot für unsere Gäste bereitzuhalten.»
Man kenne solche Situationen bereits aus den vergangenen Jahren, führt sie aus. «Jedoch sind die andauernde Süd-West-Lage sowie der Föhn recht ausserordentlich.» Die Gäste würden es daher schätzen, dass Gstaad auch Angebote im Nicht-Skibereich habe. Etwa Museen oder Minigolfanlagen.
Nicht nur im Berner Oberland und in der Westschweiz müssen sich die Skifahrer mit Kunstschnee begnügen. Auch in der Ostschweiz sieht es nicht nach Winter aus. Für Aufsehen sorgte ein Bild aus dem Familienskigebiet Ebenalp-Horn, welches von SRF Meteo veröffentlicht wurde. Auf einer grünen Wiese sind zwei weisse Pistenstreifen zu sehen. Dazwischen ein schmaler weisser Korridor, auf dem der Schlepplift die Skifahrerinnnen nach oben bringt.
#Skifahren 2022. …. ^sbo pic.twitter.com/AKoZRmQVeZ
— SRF Meteo (@srfmeteo) December 28, 2022
«Ich fahre ja sehr gerne Ski, aber so nicht», schreibt eine Userin auf Twitter. Auf Mundart fährt sie fort: «Mich dünkt das krank! Eifach öpis duurestiere!» Ein anderer User meint: «Der Klimawandel lässt grüssen, dann ist eben kein Skilaufen mehr. Ich habe vor vielen Jahren aufgehört.»
Luftseilbahn Ebenalp sagt gegenüber watson, dass der Kunstschnee dank der tiefen Temperaturen im Dezember effizient hätte produziert werden können. Das Angebot sei gut angekommen, meint das Unternehmen: «Der Skibetrieb über die Festtage wurde insbesondere von regionalen Familien sehr geschätzt.»
Unterhalb von 2000 Metern dürfte sich die Lage diese Woche nicht entspannen, sagt Klaus Marquardt von MeteoNews. «Es gibt zwar immer wieder ein wenig Niederschlag. Vor allem in der Nacht auf Donnerstag und am Donnerstagmorgen. Doch für die Jahreszeit ist es weiterhin massiv zu mild.» Die Schneefallgrenze liege zwischen 1700 und 2100 Metern über Meer.
Nächste Woche zeichne sich etwas mehr Dynamik beim Wetter ab, erklärt Marquart. Nachhaltig nach Winter sehe es momentan aber nicht aus.
Es sei auch schon früher vorgekommen, dass im Januar wenig Schnee liege, führt der Meteorologe aus. Aber der Trend sei eindeutig: «So milde Winter häufen sich.» Die mittlere Schneefallgrenze werde im Zuge des Klimawandels immer weiter ansteigen, sagt Marquardt und wagt eine düstere Prognose: «Skigebiete zwischen 1000 und 1500 Metern über Meer haben keine Zukunft.»
Wenigstens rostet mein Velo weniger, wenn bei diesen hohen Temperaturen nicht tonnenweise Salz auf die Strassen gekippt wird!
Eigentlich ist mein leicht zynischer Kommentar aber nur der Versuch, aus der Misere das beste zu machen und meine Angst zu verdrängen.
Und ja, wer SVP wählt, wählt Klimakatastrophe. Die SVP schadet. Immer. Und das seit Jahrzehnten.