Er hat den derzeit wohl verantwortungsvollsten Job der Schweiz. Seit Wochen ist Daniel Koch, Leiter Übertragbare Krankheiten des Bundesamts für Gesundheit (BAG), auf allen Kanälen präsent. Mit einer stoischen Ruhe informiert «Mr. Coronavirus» die Schweizerinnen und Schweizer, redet nie um den Brei herum: «Die Lage ist ernst und wird immer ernster. Es ist unwahrscheinlich, dass wir in der Schweiz keine Todesfälle haben werden», sagt der 64-Jährige am Mittwoch und trägt dazu eine schwarz-weiss-gestreifte Krawatte. Nicht einmal 24 Stunden später vermeldet das BAG den ersten Corona-Todesfall in der Schweiz.
Seiner belegten Stimme ist die Müdigkeit anzuhören. Von Sitzung zu Sitzung, von Mikrofon zu Mikrofon: Koch hat in den letzten Tagen manchmal bis um 2 Uhr gearbeitet und stand in der Früh schon wieder auf der Matte.
Woher nimmt er diese Kraft? «Er braucht wenig Schlaf und kann gut mit seinen Ressourcen umgehen», sagt eine frühere BAG-Arbeitskollegin von Koch im Gespräch mit watson. Sie will aus persönlichen Gründen anonym bleiben.
Koch habe in seinem Leben schon viel erlebt. Vor seiner Zeit beim BAG war er 14 Jahre als Arzt für das Internationale Komitee des Roten Kreuzes (IKRK) unterwegs, hat viel Schlimmes gesehen. In schrecklichen Bürgerkriegen wie in Sierra Leone, wo Kindersoldaten Hände abgehackt wurden. «In Afrika lernte er, Ruhe und Gelassenheit zu bewahren. Sonst kann man dort nicht arbeiten», sagt die Bekannte weiter. Die Zeit auf dem schwarzen Kontinent habe ihn hart und geduldig gemacht. «Es ist nicht einfach, mich in Panik zu versetzen», sagte Koch denn auch zum Blick.
Der Arzt arbeitet seit 2002 beim BAG, wo er unter anderem in Taskforces gegen die Sars-Krise und die Vogelgrippe mitwirkte. 2019 kämpfte er in seiner Funktion gegen die Ausbreitung der Masern in der Schweiz.
Nun hat er es beim Coronavirus mit einer ungleich grösseren Aufgabe zu tun. «Er zieht seine Energie aus der Herausforderung und geht in seinen Aufgaben total auf», sagt die Arbeitskollegin weiter. Sein Charakter helfe ihm, den Job zu bewältigen. «Er ist ein sehr empathischer Mensch und kann wahnsinnig gut mit Menschen umgehen.» Weiter könne er sich emotional gut distanzieren – etwa vor vorlauten Journalistenfragen, die er sich dieser Tage oft anhören muss. «Er hat viel Verständnis, dass man ihn und die kommunizierten Massnahmen gegen das Coronavirus nicht immer sofort versteht», sagt Bekannte weiter.
Das Coronavirus ist die letzte grosse berufliche Mission Kochs. Am 13. April feiert er seinen 65. Geburtstag und sollte eigentlich in Pension gehen. Womöglich bleibt er aber nun noch länger an Bord, je nachdem wie sich die Situation in der Schweiz weiterentwickelt. Ein Chefwechsel mitten in der Corona-Krise käme wohl zur Unzeit.
Kraft tanken kann Koch bei seinem grossen Hobby, seinen zwei Boxer-Hunden. Zeit für Geländerennen (Canicross) mit den Vierbeinern hat der Vater zweier erwachsener Töchter aber momentan nicht. Die Hunde musste er nun wegen der grossen zeitlichen Belastung in den Hort geben, wie der Blick weiter schreibt. «Irgendwann wird auch er an seine Grenzen kommen», sagt die Bekannte.
Koch engagiert sich nicht nur für notleidende Menschen, sondern auch für Tiere. Er ist in der Stiftung Certodog aktiv, die sich für das Wohl der Hunde einsetzt. Dort gab er vor einigen Jahren Kurse zum Thema «Erste Hilfe beim Hund – Theorie und Praxis».
Koch gibt sich privat bedeckt. Er ist weder auf Facebook, Twitter noch Instagram auf die Schnelle auffindbar.
Man trifft sie oft bei Menschen, die in ihrem Beruf und Leben mit menschlich sehr herausfordernden, schwierigen Situationen konfrontiert sind.
Nur wenigen gelingt das auf so lange Zeit, mit einer solchen Leidenschaft, ohne auszubrennen. Dennoch geht es auch für sie nicht ohne persönliche Verluste. Der Preis ist oft hoch, wie auch die Erfüllung, die sie daraus schöpfen.
Solchen Menschen gilt mein allergrösster Respekt und Dank.
Der Titel des Artikels ist jedoch unangebracht.