Unzählige Menschen schreckten in der Nacht auf Dienstag aus dem Schlaf: Ein infernalischer Gewittersturm, oft von Hagel begleitet, entlud sich über verschiedenen Orten der deutschen Schweiz, besonders im Grossraum Zürich. Windböen erreichten dort um zwei Uhr nachts Geschwindigkeiten von mehr als 100 Kilometern pro Stunde.
Am Morgen zeigte sich das Ausmass der Schäden: geknickte und entwurzelte Bäume, abgerissene Äste, beschädigte Dächer, demolierte Autos. Der öffentliche Verkehr war teilweise lahmgelegt. Bilder, die diese Verheerungen zeigten, fluteten die Sozialen Medien. Und ein Begriff hatte urplötzlich Konjunktur, den wohl die meisten zum ersten Mal vernahmen: «Downburst».
Ein Downburst also war es, der an verschiedenen Orten im Grossraum Zürich und darüber hinaus Schneisen der Verwüstung geschlagen hatte. Worum handelt es sich bei diesem Wetterphänomen?
Ein Downburst ist ein starker Fallwind, auch Fallböe genannt, der meistens als Begleiterscheinung einer Gewitterzelle auftritt. Der plötzlich entstehende Abwind innerhalb der Gewitterzelle beschleunigt sich, wenn er eine trockene Luftschicht im mittleren Wolkenniveau durchquert und der in ihm enthaltene Niederschlag verdunstet, was die Luft durch Verdunstungskälte weiter abkühlt. Auch schmelzender Hagel trägt zur Abkühlung bei. Dadurch steigt die Dichte – die Luft wird schwerer und fällt noch schneller.
Der vertikal von oben nach unten fallende Abwindstrom trifft schliesslich auf den Boden und wird dort in alle Richtungen abgelenkt. Es kann dabei zu Strömungseffekten kommen, die Wirbelschleppen ähneln. Die horizontale Windgeschwindigkeit am Boden kann zu Beginn sehr hoch sein; sie nimmt aber ab, je weiter die kalten Luftmassen sich vom Auftreffpunkt entfernen. Der starke Wind kann bis zu 15 Kilometer weit spürbar sein und zwischen 5 und 60 Minuten andauern.
Die Meteorologen unterscheiden zwei Arten von Downbursts: trockene und nasse. Ein nasser Downburst, wie er kürzlich über Zürich niederging, kann in kurzer Zeit enorm viel Regen bringen und zerstörerische Winde erzeugen. Wenn hingegen die Wolkenuntergrenze sehr hoch liegt und die darunterliegenden Luftschichten ausreichend trocken sind, verdunstet der Niederschlag auf dem Weg zum Boden vollständig. Dann liegt ein trockener Downburst vor, der oft nahezu unsichtbar ist und spät erkannt wird.
Eine weitere Unterteilung richtet sich nach ihrer Dauer und dem Bereich ihrer Wirkung:
Schliesslich gibt es auch noch eine Klassifizierung hinsichtlich der Stärke der Downbursts. Verwendet werden dafür die sechsstufige Fujita-Skala und die – in Europa gebräuchlichere – Torro-Skala, die mit elf Stufen etwas feiner unterteilt. Eine schwere Fallböe gilt ab 119 Kilometer pro Stunde (Beaufort 12, Orkangeschwindigkeit) als Downburst, das entspricht Stufe T2 auf der Torro-Skala.
Downbursts treten vornehmlich bei starken Gewittern und Superzellen – den gefährlichsten und langlebigsten Gewittern – auf. In der Schweiz kommt es vornehmlich zu nassen Downbursts, die gehäuft im Sommer auftreten. Während des Winters gibt es einen zweite, allerdings geringere Häufung. Trockene Downbursts kommen hierzulande vor allem bei Föhnwetterlage in den Alpen vor; häufig sind sie in Steppenklimata, zum Beispiel in den High Plains der USA, aber auch in Südeuropa, etwa in Zentralspanien.
Da Downbursts ebenfalls starke Winde entwickeln und schwere Schäden anrichten können, werden sie oft mit einem mässig starken Tornado verwechselt. Bei Tornados handelt es sich jedoch um Wirbelwinde, während die Winde bei Downbursts geradlinig sind.
Dies führt auch zu einem unterschiedlichen Schadensmuster: Entwurzelte oder geknickte Bäume liegen nach einem Tornado chaotisch durcheinander und weisen in unterschiedliche Richtungen. Nach einem Downburst sind sie hingegen fächerförmig vom Auftreffpunkt her angeordnet und weisen eine einheitliche Fallrichtung auf. Abweichungen davon sind auf Geländebedingungen oder Verwirbelungen zurückzuführen.
Die Schäden, die von Downbursts angerichtet werden, können jene von mittleren Tornados sogar noch übersteigen, da sie eine grössere Fläche betreffen. Umkippende Bäume, herunterfallende grosse Äste, weggewirbelte Dachziegel können während des Downbursts lebensgefährlich sein.
Eine spezielle Gefahr besteht für den Luftverkehr: Besonders in der Landephase, aber auch in der Startphase können Downbursts ein Flugzeug zum Absturz bringen. Durchquert ein Flugzeug das Zentrum eines Downbursts, treten plötzliche, extreme Änderungen der Windverhältnisse auf: Auf starke Gegenwinde folgen fatale Rückenwinde, die den Flugzeugen den Auftrieb nehmen. Aus diesem Grund gibt es Warnsysteme an Flughäfen und in den Flugzeugen. Besonders gefährlich sind trockene Downbursts, da es schwieriger ist, sie rechtzeitig zu erkennen. (dhr)