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Grippe: Warum sich Risikopersonen nicht impfen wollen, es aber sollten

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Dieses Jahr empfiehlt das Bundesamt für Gesundheit (BAG) die Grippe-Impfung mit dem Hintergedanken an die anhaltende Corona-Pandemie.Bild: sda

Warum sich Risikopersonen nicht gegen die Grippe impfen wollen – es aber tun sollten

Das BAG fordert alte und chronisch kranke Menschen auf, sich gegen die Grippe impfen zu lassen. Doch sie wollen das zum Teil nicht, weil sie eine unerwünschte oder ausbleibende Wirkung befürchten. Ein Infektiologe klärt auf.
06.10.2020, 06:4606.10.2020, 08:41
Vanessa Hann
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Am 6. November ist nationaler Impftag. Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) empfiehlt insbesondere Risikopatientinnen und deren Angehörigen, sich gegen die Grippe impfen zu lassen.

Eine davon ist Jéraldine M.*. Sie ist 27 Jahre alt und hat zystische Fibrose (CF), eine Stoffwechsel- und chronische Lungenkrankheit. Trotz Empfehlung des BAGs will sie sich nicht impfen lassen.

Grippeausbruch wegen Impfung

«Ich zweifle daran, dass die Impfung bei mir etwas bringt», sagt M. Ausserdem habe sie Angst vor den Nebenwirkungen, dass wegen der Impfung die Grippe stärker ausbrechen könnte.

Mit dieser Ansicht ist sie nicht allein. Auch die Zahlen zeigen, dass die Impfbereitschaft unter Risikopatienten relativ klein ist. Das belegt der aktuelle Bericht zur Grippesaison 2018/19. Die Umfrage mit über 3500 Teilnehmenden hat ergeben, dass sich gerade mal 25 Prozent der chronisch Kranken impfen liessen. Bei Angehörigen waren es 8 Prozent und unter den Seniorinnen über 64 Jahre war die Bereitschaft mit 31 Prozent noch am höchsten.

«Je stärker die Vorerkrankung, desto schwächer ist die Wirkung der Grippe-Impfung.»
Christoph Berger, Infektiologe

Corona während Grippesaison

Dabei ist eine gleichzeitige Infektion mit Corona und der Grippe gerade bei Risikopatienten besonders gefährlich. Der Infektiologe Christoph Berger bestätigt, dass eine Impfung bei Risikopatientinnen weniger wirken kann: «Je stärker die Vorerkrankung oder je älter man ist, desto schwächer ist die Wirkung der Impfung», so Berger. In diesen Fällen sei es deshalb besonders wichtig, dass sich Angehörige und Kontaktpersonen ebenfalls impfen lassen.

«Sie können von der
Grippe-Impfung nicht die
Grippe bekommen,
das ist nicht möglich.»
Christoph Berger, Infektiologe

Coronavirus: So hat der Bund diesen Risikopatient enttäuscht

Video: watson/Jara Helmi, Emily Engkent

Besser kleinen Schutz als keinen

Die Impfantwort ist je nach Alter und Vorerkrankung unterschiedlich. Studien schätzen die Wirksamkeit der Influenza-Impfung je nach Saison und geimpfter Person auf 20 bis 80 Prozent, wie das BAG schreibt.

«Ich hätte auch gerne einen wirksameren Grippe-Impfstoff», sagt Berger. Aber auch mit Vorerkrankung habe man einen gewissen Schutz, das sei immer noch besser als gar keinen.

«Ich hätte auch gerne einen wirksameren Grippe-Impfstoff.» Christoph Berger ist Leiter der Abteilung Infektiologie und Spitalhygiene am Universitäts-Kinderspital Zürich.
«Ich hätte auch gerne einen wirksameren Grippe-Impfstoff.» Christoph Berger ist Leiter der Abteilung Infektiologie und Spitalhygiene am Universitäts-Kinderspital Zürich. bild: zvg

Nebenwirkungen nicht grösser

Zu den Nebenwirkungen sagt er: «Am häufigsten sind Schmerzen an der Einstichstelle oder leichtes Fieber und Unwohlsein.» Das klinge nach ein bis zwei Tagen wieder ab.

Ein möglicher Ausbruch der Grippe wegen der Impfung bestreitet der Infektiologe. «Grippe-Impfstoffe sind keine lebendigen Viren. Sie können von der Grippe-Impfung nicht die Grippe bekommen, das ist nicht möglich.»

Bei Risikopatientinnen seien die Nebenwirkungen auch nicht grösser, nur die Schutzwirkung eben schlechter. Berger empfiehlt deshalb jeder Person, sich impfen zu lassen – unabhängig davon, ob sie zur Risikogruppe gehört oder eine chronische Vorerkrankung hat.

*Name der Redaktion bekannt.

Die Grippeimpfung
Eine Grippeimpfung schützt nur vor der echten Grippe und weder vor einer Erkältung noch vor Covid, sagt Florian Banderet. Er leitet die Influenzaprävention am Unispital Basel. Um sich vor dem neuen Coronavirus zu schützen, seien weiterhin die Hygienemassnahmen wichtig.

Am 6. November 2020 kann man sich auch spontan in Arztpraxen oder Apotheken impfen lassen. Risikopatientinnen wird empfohlen, für die Impfung eine Ärztin, einen Arzt aufzusuchen. Die Kosten betragen etwa 30 Franken, können aber variieren. Wer am Impftermin krank ist und Fieber hat, rät Florian Banderet, die Impfung zu verschieben.
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119 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Domimar
06.10.2020 07:18registriert August 2016
"die Impfbereitschaft unter Risikopatienten relativ klein ist" ein Erklärungsversuch; die chronisch Kranken darunter haben einen langen Weg hinter sich, der sie dazu brachte, mit der Krankheit zu leben. Dazu gehört auch die eine oder andere Fehldiagnose. Entsprechend ist das Vertrauen in die Ärzteschaft gesunken, was auch zu einem kritischen Hinterfragen aller Spritzen führt.
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azoui
06.10.2020 07:27registriert Oktober 2015
Mich knüddelt es jedes Jahr mit der Grippe. Letztes Jahr zum ersten mal impfen lassen und das erste mal keine Grippe.
Kann Zufall sein, jedenfalls werde ich mich demnächst wieder impfen lassen.
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Unicron
06.10.2020 07:42registriert November 2016
Ich lasse mich seit 20 Jahren jedes Jahr impfen und habe sehr gute Erfahrungen damit gemacht.
Mein Arbeitgeber ist so nett und übernimmt die Kosten, es kommt sogar extra ein Arzt in den Betrieb.
Auch hier machen es sich viele Leute selber unnötig schwer.
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