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Du willst nur das Beste? Voilà:
Peter Hegglin sprach
aus, was bislang undenkbar war: «Es wird kaum ohne Steuererhöhungen
gelingen, die Kantonsfinanzen mittel- bis langfristig ausgeglichen zu
gestalten. Wir werden ernsthaft über den Steuerfuss sprechen
müssen», sagte der Zuger CVP-Finanzdirektor am Mittwoch bei der
Vorstellung des Budgets 2016. In den Medien war von einem Tabubruch
die Rede. Der eiserne Tiefsteuerkanton Zug denkt laut über eine
Trendwende nach.
Er steht nicht
allein da. Die Obwaldner Regierung, deren aggressive Steuersenkungen
vor zehn Jahren für Schlagzeilen sorgten, will die Steuern ab 2017
um rund zehn Prozent erhöhen, wie sie am Dienstag bekanntgab. Am
Donnerstag forderte die Schwyzer Regierung im Voranschlag 2016 eine
Steuerfusserhöhung, um das Defizit nicht ausufern zu lassen. Luzern
erwägt diesen Schritt ebenfalls. Einzig Nidwalden will ihn
vermeiden, zumindest vorerst: «Die Steuererhöhung ist nicht vom
Tisch, aber aufgeschoben», sagte Finanzdirektor Alfred Bossard
(FDP).
Diese Entwicklung
ist bemerkenswert, sie kommt einer Zeitenwende gleich. Jahrelang
hatten sich die Zentralschweizer Kantone einen Wettlauf um den
tiefsten Steuerfuss geliefert. Zug als Pionier setzt seit Jahrzehnten
auf eine Tiefsteuerstrategie und entwickelte sich vom armen
Agrarkanton zum boomenden Wirtschaftsstandort. Nebengeräusche
blieben nicht aus. So brachten etwa die Geschäfte des umstrittenen
Rohstoffhändlers Marc Rich den Kanton international ins Zwielicht.
Als die Schweiz in
den 1990er Jahren in einem hartnäckigen Nullwachstum verharrte,
wollten die Nachbarn dieses Erfolgsrezept dennoch kopieren. Nidwalden
und Schwyz lockten viele Reiche an, die sich in bevorzugten Wohnlagen
am Vierwaldstätter- und Zürichsee niederliessen. Obwalden führte
die Flat Rate Tax ein. Der aggressive Steuerwettbewerb setzte den
Zentrumskanton Luzern unter Zugzwang, er führte die schweizweit
tiefsten Gewinnsteuern für Unternehmen ein.
Geblendet wurden sie
durch die Verheissung auf satte Mehreinnahmen dank den tieferen
Steuern. Zug hatte es schliesslich vorgemacht. Der parteilose
Luzerner Finanzdirektor Marcel Schwerzmann brachte es auf den Punkt:
«Der Sinn einer Steuersenkung ist es schliesslich, dass man im
Endeffekt mehr Geld einnimmt.» Gerade in seinem Kanton hat das
bislang überhaupt nicht funktioniert. 2013 stimmte das
Kantonsparlament erstmals für eine moderate Steuererhöhung.
Tiefe Steuern gleich
höhere Einnahmen – diese Rechnung kann nicht aufgehen. Man braucht
für diese Erkenntnis keinen Abschluss in Mathematik, nur etwas
gesunden Menschenverstand. Längst nicht alle Reichen und Unternehmen
wählen ihr Domizil anhand der Steuerbelastung. In Zug hat diese
Steuer-Alchemie lange funktioniert, vor allem dank seiner
Vorreiterrolle. Als kleiner Kanton ohne Zentrumslasten verfügt Zug
ausserdem über schlanke Strukturen. Nun aber klagt Peter Hegglin
über fehlende Einnahmen: «Unsere Erwartungen werden nicht
erfüllt.»
Als «Sündenbock» muss der Nationale Finanzausgleich (NFA) herhalten. Nidwalden, Schwyz und Zug sind Geberkantone und lamentieren über die Millionen, die sie den finanzschwachen Ständen abliefern müssen. Die Schwyzer Regierung bezeichnet den NFA als wichtigsten Grund für die steigenden Defizite. Der Finanzausgleich bestrafe die Erfolgreichen, klagt Nidwalden.
Ausgerechnet der liberale Think-Tank Avenir Suisse hat das Problem letztes Jahr als weitgehend hausgemacht entlarvt. Die Abgaben an den Finanzausgleich werden nicht anhand der realen Steuereinnahmen berechnet. Grundlage ist das so genannte Ressourcenpotenzial, das zu wenig ausgeschöpft werde, heisst es in der Studie. Im Fall von Schwyz liege dies an der «extrem niedrigen Steuerbelastung».
Zusammen mit Schaffhausen haben die drei Nettozahler das Kantonsreferendum gegen die von den eidgenössischen Räten beschlossene Neuregelung des ergriffen. Ein aussichtsloses Unterfangen. Nötig wären acht Kantone, und Zürich als gewichtigster Geber macht nicht mit. Die Innerschweizer müssen mit ihren roten Zahlen selber fertig werden. Die Zeche zahlen die Normalverdiener, etwa wenn die Prämienverbilligungen gekürzt werden. Dabei leiden sie schon heute unter den Nebenwirkungen der Tiefsteuerstrategie, etwa hohen Mieten. NF A
Gier frisst Hirn,
lautet eine während der Finanzkrise oft zitierte Redensart. Man kann
sie auf jene Kantone anwenden, die sich vom Steuer-Hokuspokus blenden
liessen. Die angestossene Trendwende ist so gesehen nichts anderes
als eine Rückkehr zur Vernunft. Peter Hegglin wird die
Steuererhöhung in Zug nicht mehr selber verantworten müssen, er hat
beste Chancen, in den Ständerat gewählt zu werden. Sein
Nachfolger oder seine Nachfolgerin werden die Aufgabe haben, das
Steuerparadies auf den Boden der Realität zurückzuholen.