Am Morgen des 2. Februar 2022 spielte sich in Hinwil ein ungewöhnlicher Gefängnisausbruch ab. Ein Häftling des Vollzugszentrums Bachtel im Zürcher Oberland hatte gemäss eigenen Angaben eine dringende private Angelegenheit zu erledigen – also stellte er ein Urlaubsgesuch.
Es wurde abgelehnt.
Der verzweifelte Insasse wandte sich an einen 60-jährigen Abteilungsleiter und zwei seiner Mitarbeiter. Er schilderte ihnen seine Situation.
Mit Erfolg: Die Mitarbeiter lenken wohl aus Mitleid ein und lassen den Häftling gehen, ein Mitarbeiter fährt ihn gar mit dem Traktor an den Bahnhof, wie aus einem Strafbefehl hervorgeht, der der NZZ vorliegt. Der Insasse hält sein Versprechen und kehrt wieder zurück.
Trotzdem schleicht sich bei den drei Gefängnismitarbeitern ein schlechtes Gewissen ein: Sie meldeten den Vorfall selbst, wie das Amt für Justizvollzug und Wiedereingliederung gegenüber der NZZ zu Protokoll gab. Das Amt reichte im Anschluss eine Strafanzeige gegen die drei Mitarbeiter ein.
Die Folge: Die Zürcher Staatsanwaltschaft verurteilte den Abteilungsleiter wegen Amtsmissbrauch und Begünstigung per Strafbefehl zu einer bedingten Geldstrafe von 140 Tagessätzen à 150 Franken. Er muss eine Busse von 4200 Franken und die Verfahrenskosten von 5200 Franken bezahlen.
Zusätzlich habe das Amt personalrechtliche Massnahmen gegen die Mitarbeiter ergriffen. Weitere Details dazu waren aber nicht zu erfahren. Lediglich soviel: Zwei der drei Mitarbeiter arbeiten noch beim Amt für Justizvollzug und Wiedereingliederung. In welcher Position ist unklar.
Ob sich der Insasse immer noch im Gefängnis befindet, ist unklar. Er sass im Gefängnis Bachtel, weil er eine Busse nicht bezahlt hatte. Das Vollzugszentrum Bachtel ist auf den offenen Vollzug von Freiheitsstrafen und Ersatzfreiheitsstrafen spezialisiert. (jaw)
Ich feiere die Mitarbeitenden für ihr professionelles Habdeln. Proffessionalität ist nicht durch schreibtischtäterei gekennzeichnet, sondern dadurch im richtigen Moment die richtigen Entscheidung zu treffen.