Für eine Familienfehde mit zwei Toten im solothurnischen Oensingen haben sich am Mittwoch ein Vater und dessen Sohn vor Amtsgericht Thal-Gäu verantworten müssen. Sie sind wegen Mordes angeklagt. Sie sollen Vater und Sohn einer anderen Familie erschossen haben. Die Anklage fordert 18 und 20 Jahre Gefängnis.
Bei der Fehde zwischen der ursprünglich aus dem Kosovo stammenden Familien A. und B. waren die zwei Männer am Abend des 5. Juli 2012 auf dem Vorplatz ihres Wohnhauses in Oensingen mit mehreren Schüssen niedergestreckt worden. Die Angeklagten waren gemeinsam zum Tatort gefahren.
Die Getöteten gehören zur Familie A. Es handelt sich um einen 51-jährigen Mann und dessen 26-jährigen Sohn. Ein Bekannter der Opfer erlitt eine Schussverletzung. Wahrscheinlicher Hintergrund der Tat: Eine Tochter aus der Familie B. war mit dem erschossenen Sohn aus der Familie A. verheiratet gewesen. Sie soll schlecht behandelt worden sein.
Vor Amtsgericht Thal-Gäu sassen am Mittwoch Vater und Sohn der Familie B. – beide angeklagt wegen Mordes und vorsätzlicher Tötung. Der Staatsanwalt forderte für den 26-jährigen Sohn eine Freiheitsstrafe von 20 Jahren. Der 52-jährige Vater soll für 18 Jahre ins Gefängnis.
Sie hätten aus nächster Nähe auf die Männer geschossen, sagte der Staatsanwalt. Diese seien regelrecht «gelyncht und durchlöchert» worden.
Der Verteidiger des Sohnes forderte sieben Jahre Gefängnis wegen mehrfachen Totschlags oder zehn Jahre Gefängnis wegen vorsätzlicher Tötung. Der Angeklagte habe aus Sorge um seine Schwester in einer heftigen Gemütsbewegung gehandelt.
Der Verteidiger des Vaters forderte auf der ganzen Linie einen Freispruch für seinen Mandaten. Der Angeklagte solle für die Untersuchungshaft entschädigt werden. Dieser habe nicht geschossen. Das belege eine Zeugenaussage.
Bei der ausführlichen Befragung vor Gericht gestand der Sohn die Taten erneut. Er habe mit dem Sturmgewehr 90 und einer Pistole auf die Opfer geschossen. Es täte ihm leid, was geschehen sei.
Er gab an, sein Vater habe nicht geschossen. Der massige Mann mit kurzen, dunkelblonden Haaren befindet sich im vorzeitigen Strafvollzug. Der Vater, ein IV-Rentner, ist auf freiem Fuss. Die beiden Anklagten wurden 2009 zusammen mit ihrer Familie im Kanton Solothurn eingebürgert.
In den Details machten Vater und Sohn unterschiedliche Aussagen – die teilweise im Widerspruch zu den Erkenntnissen der Ermittlungsbehörden stehen. Der Vater sagte, er habe nicht geschossen. Sein Sohn sei es gewesen. Alles sei schnell gegangen.
Er habe die Waffen nur entladen und deren Munitionsmagazine weggenommen. Er fühle sich unschuldig. Im Haus der Angeklagten bei Olten wurden eine Box mit 600 Schuss Munition und weitere Waffen gefunden.
Die Hintergründe der tödlichen Familienfehde liessen sich vor Gericht nicht vollständig erhellen. Es ging wohl um eine Frau und um Eheprobleme. Die Tochter der Familie B. war zur Tatzeit mit dem Opfer der Familie A. verheiratet gewesen.
Diese Frau, also die Schwester des angeklagten Bruders und die Tochter des angeklagten Vaters, fühlte sich von der Familie A. misshandelt und ausgenutzt. Sie sei wie ein Gegenstand behandelt worden, gab sie dem Gericht zu Protokoll.
Ihr Mann sei gewalttätig gewesen. Er war wegen häuslicher Gewalt verurteilt worden. Die Mutter von zwei Kindern wohnte zur Tatzeit in Oensingen bei der Familie A. Ein weiterer Zeuge stellte die Aussage über die Probleme in Abrede.
Der Prozess vor Amtsgericht Thal-Gäu fand im Saal des Obergerichtes in Solothurn statt. Die zahlreich erschienen Angehörigen der beiden Familien wurden vor dem Betreten des Gerichtssaales wie an einem Flughafen sorgfältig kontrolliert. Sie sassen getrennt nach Familie auf der Tribüne. Das Amtsgericht wird die Urteile übernächste Woche eröffnen. (aeg/sda)