Mit der Verlegung in den Olympiaort von 1972 hatten die Veranstalter gehofft, dass die Athletinnen und Athleten bessere klimatische Verhältnisse als im tropischen Tokio vorfinden. Das ist freilich als relativ zu betrachten. «Das Wetter ist gleich wie in Tokio, einfach etwas weniger feucht», sagt Abraham. Den gebürtigen Eritreer dürften am Sonntagmorgen um 7 Uhr Lokalzeit an der Startlinie 27 Grad Celsius erwarten, während des Rennes bis zu 31.
Mit seinen 39 Jahren muss er nichts mehr beweisen: An der WM 2019 lief er in Doha bei ähnlichen Bedingungen in die Top Ten, die Europameisterschaften verliess er mit zweimal Gold im Halbmarathon (2016, Einzel und Team) und einmal Silber im Marathon (2018) und an den Spielen in Rio 2016 holte sich der seit 2014 für die Schweiz startberechtigte Abraham mit einem 7. Rang das olympische Diplom.
Abraham setzt in Sapporo auf die bewährte Taktik. Er hält sich nicht an einen fixen Fahrplan, sondern geht zunächst das Tempo der Spitzengruppe mit. «Und wenn dann der Angriff kommt, entscheide ich, wie weiter». In Rio war dieser Plan perfekt aufgegangen. Nach 30 km verliess er die Spitzengruppe im richtigen Moment und konnte danach doch noch in die Top Ten vorstossen, weil sich zahlreiche Läufer übernommen hatten.
Wegen der coronabedingten Absage zahlreicher Events und einer Erkrankung am Virus läuft Abraham ohne Wettkampf-Praxis los. Das könne auch ein Vorteil sein, betont er: «Nicht zu viele Starts gibt Hunger auf ein Rennen.»
Die Zielsetzung für den Olympia-Marathon mag er nicht an einer Klassierung festmachen. «Ich bin fit. Wenn ich die Leistungen des Trainings im Wettkampf umsetze, dann bin ich zufrieden.» Er geht zudem von einem taktisch geprägten Lauf aus. «Alle Athleten haben Respekt, die Siegerzeit dürfte nur knapp unter 2:10 Stunden liegen», prognostiziert der Schweizer Rekordhalter (2:06:40).
Fabienne Schlumpf hingegen hat ein klares Ziel vor Augen. «Ich will besser abschneiden als 2016 in Rio», sagt die Zürcherin, die vor fünf Jahren in Brasilien über 3000 m Steeple den 18. Rang belegt hat. In der Zwischenzeit hat sie auf die 42,195 km gewechselt und ihr Debüt im April in Belp in Schweizer Rekordzeit (2:26:14) abgespult.
«Belp und Sapporo lassen sich nicht vergleichen», betont die 30-Jährige. «Klimatisch treffe ich hier auf das Gegenteil und es hat keine Pacemaker.» Eine defensive Taktik sei wohl die bessere Wahl. Vor dem Lauf am Samstag wird sie eine Kühlweste tragen, um die Körpertemperatur so lange wie möglich niedrig zu halten, und während des Rennens kommen kühlende Stirnbänder und Liquid-Eis zur Anwendung.
«Wir müssen clever laufen und den ersten Teil vorsichtig angehen», hält sie fest. Eine Strategie, die auch Martina Strähl, die zweite Schweizerin am Start, verfolgen wird.
Den Marathon der Männer überstrahlt Eliud Kipchoge, der Weltrekordhalter und Sieger von Rio. In Sapporo könnte er ein weiteres Stück Laufsport-Geschichte schreiben. Denn nur zweimal gelang es Athleten, ihren Coup zu wiederholen: dem Äthiopier Abebe Bikila 1960 und 1964 sowie Waldemar Cierpinski für die damalige DDR 1976 und 1980.
Gold bei den Frauen wird eine Sache für die Kenianerinnen um Weltrekordhalterin Brigid Kosgei werden. (nih/sda)