Sie haben es überhaupt nicht gerne, wenn man sie gemeinsam in einen Topf wirft. Doch momentan befinden sich die beiden Tessiner National-League-Klubs in der gleichen schwierigen Situation. Ambri-Piotta und Lugano stehen in ihren Playoff-Serien gegen Biel und Zug mit dem Rücken zur Wand. Eine weitere Niederlage und die Saison ist bereits vorbei.
Das wäre natürlich ein Super-GAU für den leidenschaftlichen Hockey-Kanton, in dem sich erstmals seit 2014 beide Mannschaften für die Playoffs qualifiziert haben. Doch was läuft schief bei den «Biancoblu» und den «Bianconeri»? Und gibt es noch Hoffnung auf eine Wende?
Wir haben es analysiert.
In der Leventina fühlt man sich nach der dritten Niederlage im dritten Playoff-Spiel schlecht bedient. In zwei von drei Partien hat Ambri gut mitgespielt, am Ende fiel das Glück aber immer auf die Seiten des EHC Biel.
Das fängt natürlich beim Gegner an. Die Seeländer sind dieses Jahr der Angstgegner des HCAP. In der Regular Season verlor man alle vier Spiele mit einem gesamtem Torverhältnis von 17:2. Nun sind noch drei Niederlagen in den Playoffs dazugekommen. Das macht also in dieser Spielzeit sieben Niederlagen in Serie. Da schwindet vielleicht irgendwann sogar der Glaube, dass man Biel überhaupt bezwingen kann.
Doch woran liegt es, dass Biel Ambri derart gut im Griff hat? Grossen Anteil daran hat sicherlich EHCB-Coach Antti Törmänen. «Tages-Anzeiger»-Journalist Kristian Kapp zeigt in einer aufwändigen Arbeit, wie der Finne Ambris Toplinie aus dem Spiel nimmt.
Bei 5-gegen-5 lässt Törmänen in Heimspielen (wo Ambri jeweils zuerst wechseln muss) oft seine vierte und dritte Linie gegen Dominik Kubalik, Dominic Zwerger und Marco Müller auflaufen. Mit nur einem Ziel: Den Gegner intensiv und wann immer möglich stören.
Kubalik und Co. kriegen – ausser im Powerplay – gar keine Gelegenheit, ihr Spiel aufzubauen und sind bei 5-gegen-5 weitgehend neutralisiert. Ohne seine beste Linie ist Luca Ceredas Team deutlich ungefährlicher. Und auch sonst kommt Ambri nicht nach Wunsch zum Abschluss. Die Angreifer werden von Biel geschickt in die ungefährlicheren Aussenbahnen gedrängt.
Nicht nur vorne, auch hinten hapert's beim HCAP. Die Leventiner lassen gegen Biel in jedem Spiel mehr als 16 Schüsse aus dem Slot zu – der schlechteste Wert aller Playoff-Teams. Sie schaffen es nicht, die Bieler in die Aussenbahnen zu drängen.
Darunter leidet auch Torhüter Benjamin Conz. Der 27-Jährige weist die zweitschlechtesten Zahlen aller Playoff-Torhüter auf. Er kassiert mehr als drei Tore pro Spiel und hat eine Fangquote von knapp über 90 Prozent. Zudem scheint Biel eine Schwachstelle beim Ambri-Keeper gefunden zu haben. Jason Fuchs erwischte ihn gestern zwei Mal auf exakt gleiche Weise vom rechten Bullykreis aus.
Im zweiten und dritten Spiel hatte Ambri zwischenzeitlich alle Vorteile auf seiner Seite. Doch beide Male nahmen die Leventiner kurz nach ihrem wichtigen Ausgleichs- oder Führungstreffer eine dumme Strafe. Biel nutzte das Powerplay jeweils aus und schon war der Vorteil für Ambri wieder zerstört.
Weit vorausdenken kann und muss Ambri im Moment nicht. Das Ziel ist es, das nächste Spiel zu gewinnen. Dort kann der HCAP wieder auf den Heimvorteil zählen. Vor tausenden frenetischen Fans in der Valascia spielt es sich sicher leichter.
Zudem hat Trainer Luca Cereda dann den Vorteil des späten Wechsels auf seiner Seite. Er kann also selbst entscheiden, gegen wen er seine beste Linie um Dominik Kubalik aufs Eis schicken will. Vielleicht schafft er es so, Antti Törmänen ein Schnippchen zu schlagen.
Wenn etwas funktioniert hat bei Ambri in dieser Serie, dann sind es die Special Teams. Sechs Powerplay-Gelegenheiten haben die Tessiner gegen Biel bislang gehabt. Drei davon haben sie genutzt, das ergibt die ausserirdische Erfolgsquote von 50 Prozent. Das ist allerdings auch wichtig, da die Bieler kaum Strafen nehmen. Ambri erhält die wenigsten Überzahlgelegenheiten aller Playoff-Mannschaften. Das Penalty-Killing ist mit 80 Prozent Erfolgsquote nicht überragend, aber gerade noch gut genug.
Viele hätten Lugano gegen das in den letzten Qualifikationsrunden nicht mehr überzeugende Zug eine Überraschung zugetraut. Doch nach drei Spielen Playoff-Hockey stehen auch sie schon unmittelbar vor dem Saisonende.
In der entscheidenden Phase der Meisterschaft müssen alle Spieler ihre besten Leistungen abrufen können, damit man Erfolg hat. Umso fataler, dass bei Lugano die Import-Spieler nach drei Spielen allesamt noch ohne Tor dastehen. Henrik Haapala hat immerhin schon drei Assists, aber noch keinen einzigen Torschuss auf dem Konto.
Jani Lajunen bleibt weitgehend wirkungslos. Maxim Lapierre findet man mehr auf der Strafbank als vor dem gegnerischen Tor. Linus Klasen hat sich im ersten Spiel verletzt und wird wohl nicht mehr spielen. Und Taylor Chorney war noch nie eine offensive Offenbarung.
War Elvis Merzlikins in den letzten Jahren noch ein «Playoff-Gott» (drei Mal eine Fangquote von über 93 Prozent), so ist er derzeit nur ein Schatten seiner selbst. Er lässt Schüsse rein, die er sonst wohl fast blind halten würde. Statistisch gesehen ist der Lette der schlechteste Keeper aller Playoff-Viertelfinals.
Die Fangquote liegt bei 84,15 Prozent. Er kassiert beinahe viereinhalb Tore pro Spiel. Und gemäss «NL Icedata» kassierte er bislang sechs Gegentreffer mehr, als ein Durchschnittskeeper an seiner Stelle erhalten hätte.
Wie bei Ambri trägt auch in Lugano der Torhüter aber nicht die ganze Schuld. In allen Spielen hat die Zuordnung in der Verteidigung der Tessiner überhaupt nicht gepasst. Auswärts verpassten die Bianconeri zudem zweimal den Start und kassierten ein frühes Gegentor. Wie Ambri lassen sie ihren Gegner zu oft und zu einfach aus dem Slot zum Abschluss kommen. Die Verteidiger müssten dort vehementer aufräumen.
Lugano schaffte es dagegen bislang nur im Heimspiel, selbst regelmässig aus dem Slot zum Abschluss zu kommen. Gerade Topskorer Gregory Hofmann fand oft seine gewünschte Abschlussposition nicht. Aber auch sonst haben die Tessiner Stürmer Mühe, sich gegen die Zuger Defensive durchzusetzen.
Was bei Ambri noch eine Stärke ist, ist bei Lugano eine eklatante Schwäche. Zehn Mal hatte das Team von Greg Ireland die Möglichkeit in Überzahl zu agieren. Kein einziges Tor haben sie dabei erzielt. So kann man keine Playoff-Serie gewinnen.
Ganz anders sieht es auf Zuger Seite aus. Die Zentralschweizer münzen jedes vierte Powerplay in ein Tor um. Oder anders formuliert: Bei Lugano funktioniert auch das Unterzahlspiel überhaupt nicht nach Wunsch.
Auch wenn die Ausländer das Tor nicht treffen, ist die Offensive des HC Lugano gestern angelaufen. Gegen das normalerweise defensiv disziplinierte Zug konnte man vier Treffer erzielen. Besonders Dario Bürgler brillierte mit zwei Toren und einem Assist.
Eigentlich ist im Sturm der Tessiner genügend Potential vorhanden, um Zug Probleme zu bereiten. Hätten sie noch zehn Spiele Zeit, könnte man sagen, dass sich das Glück auch mal auf die Tessiner Seite schlagen wird und die Tore irgendwann schon reinfallen werden. Doch so viel Zeit hat die Mannschaft nicht mehr. Zug ist aktuell das heisseste Team der Liga und wird die Serie am Samstagabend beenden wollen.
Ja, der Torhüter schafft es auf beide Seiten dieser Liste. Aus dem ganz einfachen Grund: Er ist so gut, dass er jederzeit im Alleingang einen Sieg für Lugano festhalten kann. Das hat er in der Vergangenheit schon oft bewiesen. Sollte Elvis Merzlikins plötzlich doch noch in Form kommen, hat Lugano eine Chance, die Serie zu drehen.
Morgen wird es nochmals hart für den EVZ, der vierte Sieg ist immer der schwierigste.
Der Fehler der Luganesi war die schwache Quali, dank deren man jetzt auf die ausgeruhten Zuger trifft. Der EVZ hat vor allen die bessere 3 und 4. Linie und wird daher die Serie gewinnen.