In keinem NHL-Team ist die Unruhe derzeit grösser als bei den Vancouver Canucks. Die Mannschaft aus der westkanadischen Metropole sah sich vor dem Saisonstart als Playoff-Team. Nach etwas weniger als einem Viertel der Saison ist die Mannschaft allerdings ein gutes Stück davon entfernt. Die Realität lautet: 19 Spiele, 13 Niederlagen, Rang 27 in der Liga und ein schon beträchtlicher Rückstand auf die Playoff-Plätze trotz einem Plus an Spielen.
Die Stimmung im Team ist deshalb äusserst angespannt. Es wird erwartet, dass der Geduldsfaden von Besitzer Francesco Aquilini bald reisst und dem Klub massive Veränderungen bevorstehen. Gemäss NHL-Insider Eliotte Friedman ist sich kaum ein Mitarbeiter bei den Canucks mehr sicher, dass er am nächsten Tag seinen Job noch innehat. Deshalb versuchen sich die Leute nun, mit den Menschen innerhalb der Organisation zu assoziieren, deren Job als einigermassen sicher gilt.
Elliotte saying Canucks org is tense right now. Everybody is looking around at each other and waiting to see if it's going to be an executive, coach or player move.
— Taj (@taj1944) November 22, 2021
Mentions how there are factions developing and people are starting to align with people who they think are safe.
Das Problem ist nicht nur, dass die aktuelle Saison schlecht läuft, sondern dass es auch in den nächsten Jahren kaum Aussicht auf Besserung gibt. Doch wie ist es zu der Schieflage der Canucks gekommen? Wir haben nach Gründen gesucht.
Das grösste Problem in Vancouver bleibt General Manager (GM) Jim Benning. Er hat den Canucks die aktuelle Suppe eingebrockt und es wäre sehr überraschend, wenn er noch genug lange dabei ist, um sie auch auszulöffeln.
Doch was hat der 58-Jährige, der den Job als Vancouver-GM seit 2014 innehat, falsch gemacht? Kurz gesagt: Er dachte meist zu kurzfristig und beurteilte Spieler zu oft falsch. In stetiger Angst um seinen Platz bei den Canucks hat Benning seine Mannschaft oft mit mittelmässigen Spielern verstärkt und für sie viel Geld und auch viele gute Draft-Picks ausgegeben.
Jüngstes Beispiel: Im Sommer 2022 wäre Vancouver endlich die Verträge von Loui Eriksson (6 Millionen), Antoine Roussel (3 Millionen) und Jay Beagle (3 Millionen) losgeworden. Damit hätte Benning genügend Salary-Cap-Flexibilität gehabt, um rund um Elias Pettersson, Brock Boeser und Quinn Hughes eine solide Mannschaft zu bilden. Stattdessen schickte er Eriksson, Roussel und Beagle zu den Arizona Coyotes und holte im Gegenzug den 30-jährigen Verteidiger Oliver Ekman Larsson und dessen Vertrag für weitere sieben Jahre für 8,25 Millionen pro Saison sowie Connor Garland (einer der wenigen guten Neuzugänge in der Ära Benning).
Here's the Canucks' rolling average expected goal share since Jim Benning became the team's general manager in 2014. #Canucks pic.twitter.com/Ppy3yRBNSj
— JFresh (@JFreshHockey) November 12, 2021
Das Problem: Oliver Ekman Larsson ist längst nicht mehr der Spieler, der er einmal war. Sein offensiver Output ging in den letzten Jahren stets zurück und auch seine Defensivarbeit ist nicht mehr so gut wie zu Beginn seiner Karriere. Einmal mehr hat Benning einen mittelmässigen bis schwachen Spieler geholt, ihm viel Geld nachgeworfen und einen langfristigen Vertrag gegeben. Und «OEL» wird Vancouver so schnell nicht wieder los, hat der Schwede doch auch noch eine No-Movement-Klausel im Vertrag, die Trades verbietet.
Season Preview: Vancouver Canucks
— JFresh (@JFreshHockey) October 9, 2021
The Canucks got better this offseason but also rolled the dice on some defencemen who have done very poorly in the past few seasons. Big risk for 2020-21's worst defensive team, and Demko might have to save them again. pic.twitter.com/o4vpoiZP79
Dabei hatten Experten schon im Voraus gewarnt, dass ein Zuzug von Ekman Larsson eine schlechte Idee sei, und sagten voraus, dass Vancouver eine der schlechsten Verteidigungen der Liga haben wird. Benning wollte es aber einmal mehr besser wissen. Ein Bild, das sich durch seine Amtszeit zieht. Egal ob Loui Eriksson, Jay Beagle oder Tyler Myers: Jim Benning gab schwachen Spielern immer wieder viel zu viel Geld und Vertragslaufzeit und brachte die Canucks so stets in die Nähe der Salary-Cap-Obergrenze, aber nie zum Erfolg.
Ähnlich lange wie Jim Benning ist Trainer Travis Green schon lange Teil der Canucks-Organisation: Von 2013 bis 2017 war er Headcoach von Vancouvers Farmteam in Utica, danach übernahm er als Chef an der Bande von Vancouver.
Doch wie Benning ist auch Travis Green nun stark angezählt. Sein Coaching steht stark in der Kritik. Die Canucks wirken in ihren Partien jeweils nicht bereit. In 19 Spielen haben sie bereits 19 Tore im ersten Drittel kassiert und geraten oft schon früh in Rückstand. Es wäre die Aufgabe des Trainers, die Mannschaft so einzustellen, damit sie zum Start eines Spiels auch bereit ist.
Neben Green kriegen auch seine Assistenten ihr Fett weg. Nolan Baumgartner, Kyle Gustafson, Jason King und Brad Shaw kümmern sich unter anderem auch um die Special Teams und in dieser Sparte ist Vancouver die schlechteste Mannschaft der NHL. Das Powerplay wäre mit einer Erfolgsquote von 16,2 Prozent zwar schwach, aber immerhin noch im akzeptablen Bereich. Das Penalty Killing ist dagegen fast schon historisch schlecht. Nur 63,9 Prozent aller Unterzahlsituationen überstehen die Canucks ohne Gegentreffer. Das ist schlicht und einfach miserabel.
Vermutlich wären die Vancouver Canucks in der Lage, die schwierige Situation etwas zu entschärfen, wenn denn alle ihre besten Spieler ihr volles Potenzial abrufen würden. Aber dem ist nicht so. Verteidiger Quinn Hughes überzeugt voll und ganz, doch Stürmer Elias Pettersson ist bislang eine reine Enttäuschung.
Der schwedische Center, der in den letzten drei Saisons immer knapp unter einem Punkt pro Spiel skorte, hat nach 19 Spielen mickrige drei Tore und sieben Assists auf dem Konto. Dem 23-Jährigen scheint nach seiner Handgelenksverletzung letzte Saison sämtliches Selbstvertrauen abhanden gekommen zu sein.
Pettersson kommt zu weniger Torchancen als in allen drei seiner vorherigen Saisons. Aber noch extremer ist, wie viel schlechter er seine Chancen ausnützt. Lag seine Schusseffizienz in seinen ersten drei Jahren in der NHL in allen Situationen (inklusive Powerplay und Unterzahlsituationen) zwischen 15 und 20 Prozent, ist sie dieses Jahr auf 5,56 Prozent gesunken.
Da ist einerseits natürlich Pech dabei. Andererseits sind die Vancouver-Fans besorgt, dass Pettersson entweder immer noch an der Handgelenksverletzung leidet oder dass sein Schuss aufgrund dieser Verletzung langfristig an Qualität verloren hat.
Die Vancouver Canucks wollten in den Playoffs angreifen. Doch so, wie es aktuell aussieht, werden sich die Kanadier für ebendiese nicht einmal qualifizieren. GM Jim Benning hat einmal mehr die Zukunft der Mannschaft mit Fehltransfers langfristig verkompliziert. Trainer Travis Green scheint zudem die Mannschaft nicht mehr zu erreichen. Die Konsequenzen werden folgen: Wenn Benning und Green nicht noch während der Saison rausfliegen, dann wird es spätestens im Sommer der Fall sein.