Die Klub-Bosse der National League wie Marc Lüthi (SC Bern) haben für die Fans bislang kein Gehör. Bild: keystone
Die Zukunftspläne der National-League-Klubs stehen im direkten Gegensatz zu dem, was die Fans wollen. Die Klubbosse verspielen so viel Goodwill.
Seit gestern hat die neue National League AG 14 Verwaltungsräte. Neben Präsident Matthias Berner und CEO Denis Vaucher sind neu auch die zwölf Geschäftsführer der National-League-Klubs dabei. Nun gehe es darum, die «Einzelheiten» zu erarbeiten, heisst es in einer Mitteilung.
Elf der zwölf Klubs planen etwa eine Erhöhung der Ausländerbegrenzung. Statt wie bisher vier dürften neu bis zu zehn Import-Spieler eingesetzt werden. Dafür würde der Status der «Lizenzschweizer» abgeschafft, also ausländische Spieler, die bislang nicht als Ausländer gegolten haben, weil sie schon lange genug in der Schweiz spielten, würden auch unter diese Begrenzung fallen. Gleichzeitig darf die National League neu im Alleingang entscheiden, wer der Liga angehören darf und wer nicht, was einer faktischen Abschaffung des sportlichen Auf- und Abstiegs gleichkommt. Zudem soll auch ein abgeschwächte Variante eines «Financial Fairplay» eingeführt werden, um die Lohnstrukturen besser im Griff zu behalten.
Von den zwölf NL-Klubs sprechen sich einzig die ZSC Lions öffentlich gegen eine Erhöhung der Ausländerbegrenzung und eine Abschaffung des sportlichen Auf- und Abstiegs ein.
Diese zwei Punkte bringen denn auch die Fan-Seele zum Kochen. In einer Umfrage von watson geben beispielsweise bis zu 90 Prozent der Fans an, dass sie gegen die geplante Erhöhung der Ausländerbegrenzung sind. Sie befürchten den Verlust von Identifikationsfiguren und dass die zusätzlichen Ausländer dem Nachwuchs die Plätze in der ersten Mannschaft wegnehmen. Gleichzeitig sorgt man sich davor, dass die Meisterschaft aufgrund des wegfallenden Abstiegs an Spannung verliert.
Gestern veröffentlichten zudem 18 organisierte Fan-Gruppierungen aus den drei höchsten Schweizer Ligen ein gemeinsames Statement, in dem sie sich klar gegen die Pläne stellen.
Die Reform in der National League hat zwei Probleme – eines ist struktureller und eines ist kommunikativer Art. Das strukturelle Problem ist die Reform selbst. Sie kommt als Gesamtpaket mit diversen Punkten daher. Konkret bedeutet das: Kein Financial Fairplay ohne Anpassung der Ausländerregelung. Die kleinen Teams werden mit der Abschaffung des Abstiegs gelockt. Mehrere Klubs bestätigten gegenüber watson, nicht mit allen Punkten der Reform einverstanden zu sein. Man habe ihnen aber trotzdem zugestimmt, weil man einen Kompromiss habe eingehen müssen.
Eine Kompromisslösung also, die nur wenige glücklich macht. Die Reformstruktur, deren grosses Ziel es sein sollte, die Lohnkosten in der National League in den Griff zu bekommen, verkommt so zur Mogelpackung. Eine erweiterte Ausländerbegrenzung dürfte die Lohnkosten der Klubs kaum langfristig senken. Liga-CEO Denis Vaucher gibt denn auch zu, dass man nicht wisse, was die langfristigen Auswirkungen der geplanten Änderungen seien.
Das noch grössere Problem in dieser Debatte ist die Kommunikation der Liga und der Klubs. Sie haben sich bislang kaum auf eine Diskussion eingelassen und ignorieren mehrheitlich die Stakeholder, die sie vor wenigen Wochen noch um Spendenaktionen oder um einen Verzicht der Rückerstattung von Saisonabos gebeten hatten.
Gleichzeitig beklagen sich die CEOs der National League, dass man das Thema der Ausländerbegrenzung nie im Gesamtkontext mit den anderen geplanten Reformen betrachte, weigerten sich aber lange, zu den Themen Auskunft zu geben.
Stets heisst es, man könne «zu laufenden Prozessen» keine Stellung beziehen. Doch wenn die Prozesse abgeschlossen sind, muss man auch keine Stellung mehr dazu nehmen. So wirkt es auf die Öffentlichkeit, als wollten die Klubs die Reform möglichst ohne Gegenstimme durchziehen und die ganze Angelegenheit unter den Teppich kehren. Und das macht die Fans noch wütender, als sie es aufgrund der eigentlichen Reformpläne ohnehin schon sind.
Die Klubs verkennen das Ausmass dieser Wut. Denis Vaucher bringt den Fussball als Vergleich. Dass dort die Zuschauer auch ins Stadion kommen, obwohl deutlich mehr Ausländer spielen als im Eishockey.
Schon vor Corona mehrheitlich leer: die Schweizer Fussball-Stadien. Bild: TI-PRESS
Doch dieser Vergleich lässt sich so nicht exakt ziehen. Einerseits sind viele Eishockeyfans eher konservativer als der typische Fussballfan. Andererseits ist gerade der Schweizer Fussball kein Zuschauermagnet. Die Stadien der Super League sind durchschnittlich nicht einmal zu 50 Prozent ausgelastet.
Man verweist zudem auf die Abschaffung der Lizenzschweizer und betont, dass deshalb ja gar nicht so viele zusätzliche Ausländer kommen können. Dabei verschweigt man aber, dass auch mit diesem Faktor in den zwölf NL-Teams rund 40 zusätzliche Plätze für Imports frei werden.
Eines der Lieblingsargumente von den wenigen, die sich in der Ausländerdebatte äussern, lautet zudem: «Nur weil plötzlich zehn Ausländer zugelassen sind, heisst das ja nicht, dass diese Limite auch ausgeschöpft werden muss.» Doch dass fällt natürlich etwas schwer zu glauben, haben die Klubs doch in der Vergangenheit noch nie bewiesen, dass sie sich zurückhalten können. Teilweise wurden auch jetzt schon sechs, sieben oder acht Ausländerlizenzen in einer Saison verbraten. Das dürfte sich auch künftig nicht ändern.
Das erkennen auch die Fans. Im Frühling und noch bis vor kurzem haben die Klubs stets betont, wie wichtig die Fans für das Überleben sind. Gewisse Klubs riefen die Saisonkartenbesitzer gar dazu auf, auf die Rückerstattung des Kaufpreises zu verzichten, um so das Überleben des Vereins zu sichern. Und nun politisieren sie komplett am Willen der Fans vorbei.
Immerhin haben Davos und Zug jetzt als erste Klubs einen Schritt auf die Fans zugemacht. Im Januar will man sich über die Ligareformen aussprechen. Auch SCB-CEO Marc Lüthi hat sich mit einem Statement geäussert. Dennoch sind die Klubs gerade dabei, sehr viel Goodwill zu verspielen.