Der FA Cup ist der älteste Klub-Wettbewerb im Fussball. In der Saison 1871/72 erstmals ausgetragen, genoss er in England lange einen hohen Stellenwert, doch dieser beginnt im von A bis Z durchkommerzialisierten Fussball immer mehr zu bröckeln.
Füllten die Cup-Affichen früher die altehrwürdigen Stadien, bleiben die Arenen mittlerweile immer häufiger halbleer. Zur Partie zwischen den beiden ehemaligen Premier-League-Klubs Birmingham City und Blackburn Rovers kamen nur gerade 7330 Zuschauer. So wenige wie seit über 30 Jahren nicht mehr zu einem Cup-Heimspiel der «Blues» – und das obwohl die Eintrittspreise mit 12 Pfund durchaus bescheiden waren.
So wie Birmingham City ging es am ersten Januar-Wochenende, an dem traditionell die 3. Hauptrunde des FA Cups durchgeführt wird, zahlreichen weiteren Klubs. Zu Fulham gegen Aston Villa verirrten sich 12'980 Zuschauer ins Craven Cottage und bei Crystal Palace gegen Derby County war der sonst fast immer ausverkaufte Selhurst Park mit 15'507 Zuschauern auch nur etwas mehr als halbvoll.
Die Gründe für das schwindende Interesse sind vielfältig, die Probleme teilweise aber auch hausgemacht.
Die englische Premier League ist die einzige der fünf europäischen Top-Ligen, die keine Winterpause kennt. Zwischen den traditionellen «Boxing Day» (26. Dezember) und den Neujahrstag werden gar drei volle Spieltage gepfercht. Nie sind die TV-Einschaltquoten so hoch wie über die Festtage. Kein Wunder, fehlt dann am ersten Januar-Wochenende die Begeisterung für den FA Cup.
Doch auch in der restlichen Saison ist die Konkurrenz riesig. Premier League und Champions League sind die grossen Publikumsmagnete, dann sind da aber auch noch die Europa League und der Carabao Cup. Vor allem der stets belächelte englische Liga-Cup konkurrenziert den FA Cup direkt. Besonders zu Jahresbeginn, wenn in den Halbfinals meist zwei Grossklubs in Hin- und Rückspielen gegeneinander antreten.
Seit der Einführung der Premier League 1992 gab es im FA Cup nur drei Sieger, die nicht ManUnited, ManCity, Liverpool, Arsenal oder Chelsea hiessen: Everton holte den Pokal 1995, Portsmouth 2008 und Wigan 2013. Ansonsten machten die Grossklubs den Sieger stets unter sich aus. Im letzten Jahr gewann Manchester City den Final gegen Watford mit 6:0. Immer mal wieder sorgt ein Klub aus der Championship für Furore, zuletzt triumphierte mit West Ham United aber vor 40 Jahren ein Zweitligist.
Ganz dicke Überraschungen von noch tieferklassigen Klubs gibt es aber nur noch selten: 2017 sorgte Lincoln City für eine willkommene Abwechslung, als der Fünftligist dank Siegen über die Zweitligisten Ipswich und Brighton sowie Premier-Ligist Burnley sensationell in den Viertelfinal vorstiess. Solche Märchen werden aber immer mehr zur Ausnahme als zur Regel.
Anders als im DFB-Pokal, wo Bayern München und Borussia Dortmund bereits im August in der 1. Runde ran müssen, werden die Grossklubs im FA Cup gegenüber den Unterklassigen mit Freilosen bevorzugt. So steigen beispielsweise die 20 Premier-League-Klubs zusammen mit den 20 Championship-Vereinen erst in der 3. Hauptrunde Anfang Januar ins Geschehen ein.
Bis dahin sind von den 84 Klubs, die es in die 1. Hauptrunde geschafft haben, schon 60 bereits wieder ausgeschieden. Die Chance für einen dritt-, viert- oder fünftklassigen Verein, auf das grosse Liverpool oder Manchester United zu treffen, schrumpft so zusätzlich auf ein Minimum.
Die ausbleibenden Überraschungen sorgen dafür, dass der FA Cup auf allen Ebenen an Bedeutung verliert. Die Kellerkinder und Aufstiegsaspiranten der Championship, League One und League Two konzentrieren sich lieber auf Ligabetrieb statt auf den Cup-Wettbewerb, da es hier um Existenzielles geht und nicht nur um einen kurzen Moment im Scheinwerferlicht.
Der Glaube an den ganz grossen Coup – den Titelgewinn – ist verloren gegangen. Und selbst die Finalteilnahme wird für die Unterklassigen nicht richtig belohnt. Der Sieger des Wettbewerbs ist automatisch für die Gruppenphase der Europa League qualifiziert. Ist der FA-Cup-Sieger aber bereits über die Premier League für einen internationalen Wettbewerb qualifiziert, so rückt nicht der Finalverlierer nach, sondern der Premier-League-Sechste.
Wegen des übervollen Spielplans sind die ersten Spiele im FA Cup für die englischen Topklubs längst zur lästigen Pflicht verkommen. Oft treten sie mit B- oder gar C-Teams an – nicht nur gegen Unterklassige, sondern auch gegen die Konkurrenz aus der Premier League. Liverpool setzte sich am Sonntag beispielsweise gegen den Stadtrivalen Everton mit 1:0 durch, obwohl mit Adam Lallana und James Milner nur zwei Akteure über 24 Jahren auf dem Feld standen. Sie agierten als Babysitter für die talentierte Horde junger Wilder, die Klopp zur Entlastung der Stars aufs Feld schickte.
Die schamlose Rotation der Grossklubs führt dazu, dass die erhofften David-gegen-Goliath-Affichen den Charakter von besseren Freundschaftsspielen erhalten. Statt der grossen Superstars sehen die Fans, die für das erhoffte Spiel der Saison viel Geld bezahlt haben, wie talentierte No-Names ihre Lieblinge auseinander nehmen.
Auch finanziell ist der FA Cup für die Kleinen oft eine Null-Rechnung. Unterklassige geniessen kein automatisches Heimrecht, was am letzten Wochenende beispielsweise dazu führte, dass das viertklassige Port Vale statt im heimischen, 22'000 Zuschauer fassenden Vale Park im Etihad Stadium gegen den englischen Meister Manchester City antreten musste.
Kein Einzelfall: Auch der Fünftligist AFC Fylde musste gegen den Premier-League-Aufsteiger Sheffield United auswärts ran und verlor vor halbleeren Rängen 1:2. Was wohl zuhause auf der kleinen, aber schmucken Mill Farm möglich gewesen wäre?
Auch Chelsea und Arsenal kamen gegen Unterklassige zu Heimspielen und setzten sich letztlich durch. Auswärts mussten dagegen Manchester United und Tottenham Hotspur ran, die prompt nur Unentschieden spielten und deshalb nachsitzen müssen. Ein generelles Heimrecht für die Unterklassigen würde die Möglichkeit von Überraschungen wohl weiter erhöhen.
Aber das bleibt wohl Wunschdenken (wie so einiges in der modernen Fussballwelt)🤷♂️
Aber in der Schweiz ist die Entwicklung nicht gross anders. Früher war Cupfinal das Spiel des Jahres. Heute ist es ist eines unter ganz, ganz vielen. Für die Topklubs gefühlt lästige Pflichterfüllung, für die Zuschauer Reizüberflutung.