Die Young Boys haben am Dienstag in der Champions League einen Achtungserfolg feiern können. Die Berner holten gegen Atalanta Bergamo trotz zweimaligem Rückstand noch einen Punkt und können so doch noch auf ein europäisches Überwintern hoffen.
Dennoch zeigten sich die Berner nach dem Spiel nicht ganz zufrieden mit dem Resultat. Auch sie wussten: Gegen dieses Atalanta, welches nicht seinen besten Abend erwischt hatte, wäre mehr möglich gewesen.
«Nach dem 3:2 glaubten wir an den Sieg, am Schluss war dann natürlich die Enttäuschung da», ärgerte sich Mittelfeldspieler Michel Aebischer nach dem Spiel im Interview mit blue. Zudem fügte er an: «Die Treffer von Atalanta fielen wieder zu einfach.»
Tatsächlich zeigt sich beim Blick auf die drei Gegentore: Bei allen sah die YB-Defensive nicht besonders gut aus. Ohne das Stamm-Duo aus Fabian Lustenberger und Cédric Zesiger fehlte der Verteidigung in den wichtigen Szenen die Sicherheit, wodurch drei Tore entstanden, welche für die Berner bei der Videoanalyse besonders ärgerlich sein dürften.
Der erste Treffer des Spiels ist ein richtig sehenswerter. Atalantas Sturmtank Duvan Zapata nimmt den Ball im gegnerischen Strafraum an, dreht sich um die eigene Achse und zimmert den Ball volley in die Maschen – ein herrliches Tor.
Auf den zweiten Blick fällt aber auf, dass die Young Boys dieses Tor gleich mehrmals deutlich besser hätten verteidigen können.
Die Entstehung der Situation findet bei Atalanta einige Meter hinter der Mittellinie auf der linken Aussenseite statt. Dabei schaltet sich auch der Schweizer Remo Freuler, der linke zentrale Mittelfeldspieler, ein.
Freuler wird zwar zunächst nichts ins Passspiel involviert, doch dann entscheidet er sich, in die Nähe des gegnerischen Strafraums zu laufen. In diesem Moment steht aber noch YB-Mittelfeldspieler Michel Aebischer, sein direkter Gegenspieler, gleich bei ihm.
Doch der Berner verliert in dieser Situation die Übersicht, er schaut auf den Ball, welcher an der Seitenlinie ist, und übersieht deshalb, wie ihm Freuler im Rücken enteilt.
Dieser merkt gleich, dass er Platz hat, und zeigt dies dem ballführenden Maehle an.
Dieser sieht Freulers Geste und lanciert den Schweizer, welcher so relativ unbedrängt in den Strafraum laufen und den Pass auf Zapata spielen kann.
Dass Freuler in der Nähe des gegnerischen Strafraums derart viel Platz hat, liegt auch daran, dass mit Sandro Lauper einer der beiden YB-Innenverteidiger nicht mehr an seinem angestammten Platz steht.
Lauper verfolgt Atalantas Mario Pasalic bis zur Seitenlinie, wo der Kroate an den Ball kommt. Die Position ist nicht besonders gefährlich, da Pasalic in diesem Moment nicht in Richtung Tor schaut und den Ball nur nach aussen spielen kann.
Dennoch entscheidet sich Lauper für eine Grätsche, mit welcher er den Ball allerdings verfehlt.
So läuft Atalantas Angriff weiter, während sich die Berner Verteidigung ohne Lauper neu organisieren muss. Davon profitiert Freuler, welcher den Raum erkennt und in den gegnerischen Strafraum zieht.
Für YB ist es nach diesen Problemen dennoch nach wie vor möglich, die Situation zu klären – dies, weil der Pass von Freuler etwas ungenau ist und sich Zapata vom Tor wegdrehen muss, um den Ball zu kontrollieren.
So bietet sich der Berner Verteidigung die Chance, Zapata zu bedrängen und diesen am Torschuss zu hindern. Doch sowohl Nicolas Bürgy als auch der eigentlich gedankenschnell zurückgeeilte Fabian Rieder verpassen es, nahe genug beim Kolumbianer oder in der Schusslinie zu stehen.
So kann sich Zapata in Ruhe drehen und den Ball wuchtig am chancenlosen Guillaume Faivre vorbei in die Maschen zimmern.
Auch der zweite Treffer von Atalanta ist richtig sehenswert. Doch auch hier gibt es gleich zwei offensichtliche Probleme in der Verteidigung der Young Boys.
Ausgangssituation vor dem Tor ist ein Eckball von Atalanta. Danach machen die Gäste weiter Druck, während es YB nicht schafft, hinten die Ordnung wieder zu finden.
Vor allem hinten links stimmt vieles nicht. Remo Freuler spielt einen hohen Ball auf Mehri Demiral, der ganz alleine im Strafraum weilt – Ulisses Garcia, der Linksverteidiger, steht weit weg.
Als Michel Aebischer das Problem erkennt, ist es schon zu spät. Der Berner verliert das Kopfballduell gegen den Türken und der Ball fliegt gefährlich ins Zentrum.
Beim Kopfball Demirals scheint Garcia dann doch zu realisieren, dass eigentlich er auf dieser Position hätte klären sollen.
So joggt der Verteidiger danach doch in Richtung des Türken, der aber schon lange nicht mehr am Ball ist, und lässt dabei Atalantas José Palomino alleine stehen.
Mario Pasalic, der nach Demirals Kopfball an den Ball kommt, erkennt dies sofort und legt zurück auf den freistehenden Verteidiger. Bürgy und Nicolas Ngamaleu merken dies, kommen aber ebenfalls zu spät. So kann Palomino abziehen und den Ball herrlich im Tor versenken.
Der Treffer zum 3:3 von Atalanta ist ebenfalls ein spezieller. Gian Piero Gasperini wechselt nach einem Foulspiel von Silvan Hefti an der Strafraumgrenze Luis Muriel ein. Die Ausführung des anfallenden Freistosses übernimmt daraufhin gleich der Kolumbianer – und das mit Erfolg.
Muriel versenkt den Ball in der nahen Ecke und gleicht so doch noch aus. Ein schönes Tor, welches YB aber ebenfalls gut hätte verhindern können.
Das Bittere am Ausgleichstreffer Atalantas ist, dass der Ball eigentlich in die Mauer geflogen wäre, wenn diese so hochgesprungen wäre wie eigentlich geplant. Allerdings drehten sowohl Nicolas Ngamaleu als auch Ulisses Garcia leicht zur Seite ab. Ein verständlicher Reflex, schliesslich fliegt der Ball etwa auf Kopfhöhe. Doch durch dieses Abdrehen entstand nun mal eine Lücke in der Mauer.
Genau durch diese flog der Ball auch durch, der etwas überraschte Goalie Guillaume Faivre konnte den Schaden auch nicht verhindern. So musste YB kurz nach dem Traumtor von Silvan Hefti die Hoffnungen auf den zweiten Heimsieg in dieser Champions-League-Kampagne doch noch begraben.
Auch die Atalanta-Verteidigung hat nicht nur brilliert