In einer National-League-Saison mit vielen unerwarteten Entwicklungen ist es die grösste Überraschung. Die SCRJ Lakers, lange ein prädestiniertes Playout-Team, grüssen nach der Hälfte der Spiele vom dritten Platz in der Tabelle.
Dieser Erfolg kommt umso überraschender, da die Rapperswiler nach der letztjährigen Playoff-Halbfinal-Qualifikation einen grösseren Umbruch zu verzeichnen hatten. Trainer Jeff Tomlinson erhielt keinen neuen Vertrag mehr, ebenso verliessen Verteidiger-Stütze Dominik Egli und der beste Torschütze Kevin Clark den Klub.
Wie kommt es also, dass die St.Galler dieses Jahr nun sogar noch weiter vorne mitmischen? Die Spieler sagen, sie trainieren so hart wie noch nie zuvor. Doch die Gründe gehen noch tiefer.
Der wichtigste Schlüssel für den aktuellen Rappi-Höhenflug ist, dass sich jeder Spieler genau an das System des neuen Trainers Stefan Hedlund hält. Der Schwede weiss, dass er mit seinem Kader das Spiel nicht über 60 Minuten dominieren kann. Also lässt er seine Spieler über weite Strecken das Spiel «zerstören».
Was auf den ersten Blick negativ klingt – eine positivere Formulierung wäre etwa: Kontrolle des Spielrhythmus –, ist im Fall der Lakers hocheffizient. Sie stellen die neutrale Zone zu, erschweren dem Gegner so den Wechsel in die Offensive und verlangsamen das Spiel. Aber sobald die Linie um Roman Cervenka auf dem Eis steht, sieht es anders aus. Dann heisst es, das Talent des Tschechen zu nutzen, mit voller Offensivpower.
Den Lakers ist es gelungen, ein perfektes Team für dieses System zusammenzustellen. Gemäss dem Tracking von nlicedata.com hat nur ein Spieler einen negativen Einfluss in der Defensive (Benjamin Neukom), während die Mehrheit einen guten bis sehr guten Einfluss hat. So agiert Rapperswil aus einer äusserst soliden Defensive heraus – der zweitbesten der Liga – und schlägt offensiv mit Cervenka und Co. zu, sobald sich die Chance bietet.
Apropos Roman Cervenka. Der Tscheche spielt derzeit so gut, dass er einen eigenen Abschnitt verdient. Auch wenn Goalie Nyffeler ebenfalls wichtig ist, ist es nicht vermessen zu behaupten, dass Cervenka der wichtigste Einzelspieler der Rosenstädter ist. Der Beweis: Mit derzeit 37 Punkten aus 28 Spielen hat der 35-Jährige mehr als doppelt so oft geskort wie der nächstbeste Laker (Sandro Zangger mit 18 Punkten).
Das Team von Stefan Hedlund ist gemäss dem Tracking von nlicedata.com die Mannschaft, die pro 60 Minuten die meisten High-Danger-Pässe der Liga spielt. Dabei spielt Cervenka, der einer der besten Passer der Liga ist, eine grosse Rolle. Der Lakers-Stürmer ist bei den Expected Assists absolute Ligaspitze. In den effektiven Assists ist nur Tigers-Stürmer Alexandre Grenier mit 26 gegenüber Cervenkas 25 noch besser.
Dass Melvin Nyffeler ein sicherer Rückhalt ist, wissen wir nun bereits seit einigen Jahren. Doch dieses Jahr ist der 26-Jährige für seine Mannschaft noch wertvoller geworden, hat er doch eine Schwäche der letzten zwei Saisons ausgemerzt.
2019/20 und 2020/21 hatte Nyffeler jeweils Mühe, in Back-to-back-Spielen – also Partien an Tagen, bei denen er am Tag zuvor auch schon gespielt hatte – sein gewohntes Level abzurufen. Vorletzte Saison wies er in zehn Back-to-back-Spielen eine Fangquote von 89,5 Prozent vor. Letztes Jahr war es in fünf dieser Partien gar nur eine Fangquote von 84,8 Prozent – deutlich unter seinem gewohnten Niveau.
Doch diese Saison ist vieles anders: Der Rappi-Rückhalt hat seine Fangquote auch in Back-to-back-Spielen auf über 92 Prozent hochgeschraubt. Dazu kommt, dass Ersatz Noël Bader in seinen bisherigen vier Einsätzen ebenfalls überzeugt hat, was etwas Druck von Nyffelers Schultern nimmt.
Sandro Zangger und Dominic Lammer: Zwei Stürmer, die letztes Jahr beim HC Lugano auf dem Abstellgleis landeten, starten in Rapperswil plötzlich wieder durch. Zangger, von den Lakers unlängst mit einem Vertrag bis 2024 ausgestattet, rechtfertigt das Vertrauen und ist mit je neun Toren und Assists der zweitbeste Rappi-Skorer dieser Saison. Schon jetzt ist das mehr als eine Vervierfachung seiner totalen Ausbeute im letzten Jahr.
Die Gründe? Einerseits dürfte der 27-Jährige erleichtert und motiviert sein, dass er wieder bei einem Klub ist, der uneingeschränkt auf ihn setzt. Andererseits ist er schlicht und einfach auch in einer Position, die einen grösseren Erfolg ermöglicht: Er erhält fast doppelt so viel Eiszeit wie letzte Saison in Lugano und steht auch mit besseren Mitspielern im Einsatz. Die Steigerung ist also fast schon logisch.
Neben Zangger profitieren auch andere Spieler vom Vertrauen, das Lakers-Sportchef Janick Steinmann und Trainer Stefan Hedlund in sie setzen. Dominic Lammer hat nach 20 Spielen schon gleich viele Skorerpunkte auf dem Konto wie letzte Saison in 43 Partien. Die jungen Verteidiger Nathan Vouardoux, David Aebischer und Inaki Baragano haben sich als zuverlässige Stammkräfte entpuppt. Und vorne sind Nando Eggenberger, Gian-Marco Wetter oder Yannick Brüschweiler kaum mehr wegzudenken.
Neben Statistiken und Analytics spielen sicher auch Soft-Faktoren eine Rolle – Team-Chemie, Druck oder Wohlbefinden der Spieler. Und auch diese scheinen am Obersee absolut zu passen.
Als bestes Beispiel dafür dient der Saisonstart. Niemand im Klub verlor die Nerven oder die Geduld, als die ersten vier Spiele im September allesamt verloren gingen. Man vertraute darauf, dass die Mannschaft bald den Tritt finden und dann auch die Siege ins Trockene gebracht würden.
Genau so kam es dann auch. Mittlerweile ist Rapperswil-Jona auf dem dritten Platz der National League wiederzufinden. Von den letzten zehn Spielen haben die Lakers nur eines verloren und heute Abend könnten sie mit einem Sieg in Genf gar die Leader-Position übernehmen.
Die Spieler strotzen auf dem Eis nur so von Selbstvertrauen, bleiben daneben aber weiterhin bescheiden. Ihre Chancen auf eine direkte Playoff-Qualifikation liegen gemäss nlicedata.com bei 96,4 Prozent. Es ist offensichtlich: Auch wenn irgendwann einmal wieder mehr Niederlagen kommen sollten, würden diese Lakers davon nicht erschüttert werden.
Da haben Ober und Untersportchef in Personalunion einen besseren Job gebrachte wie ihr Äquivalent aus der Beamtenstadt.