«Natürlich haben wir uns das anders vorgestellt», sagt Trainer Patrick Rahmen nach der zweiten Niederlage im zweiten Saisonspiel mit YB. Derzeit stehen die Young Boys – in den letzten sieben Jahren sechsmal Meister – auf dem letzten Tabellenplatz. Auch sehr früh in der Saison und mit einem Spiel mehr als die restlichen Klubs ist das für die Berner eine überaus unangenehme Situation.
Über die Gründe für den Fehlstart mit 1:2- und 1:3-Niederlagen gegen Aufsteiger Sion und Cupsieger Servette ist man sich beim Meister einig. «Wir haben viel zu viele Fehler gemacht», sagt Rahmen, der das Team im Sommer übernommen hat. Auch Stürmer Cedric Itten bemängelte die «vielen individuellen Fehler», während Verteidiger Lewin Blum etwas konkreter wurde: «Wie schon letzte Woche fehlte es uns beim Pressing an der nötigen Intensität. Ohne Ball waren wir oft zu weit weg vom Geschehen.»
Wer sich die Gegentore beim Spiel gegen Servette ansieht, weiss sofort, was das YB-Trio meint. Beim ersten Treffer der Genfer stimmt die Zuteilung in der Berner Defensive überhaupt nicht. Linksverteidiger Noah Persson muss deshalb in der Mitte helfen und so steht Joël Monteiro plötzlich im eigenen Strafraum. Der Offensivmann ist überfordert, wird von Servettes Keigo Tsunemoto überrannt und kann nur noch zusehen, wie der Japaner eiskalt einnetzt.
Wer glaubt, dass das ein Ausrutscher war, wird acht Minuten später enttäuscht. Hier ist das Defensivverhalten der Young Boys noch viel schlimmer. Sandro Lauper agiert gegen Bradley Mazikou fast schon schulbübisch, Blum ist aus der Offensive nicht rechtzeitig zurück, weshalb Persson wieder in der Zentrale aushelfen muss. Dadurch steht Miroslav Stevanovic plötzlich völlig frei und trifft aus gut fünf Metern zum 2:0.
Und während hier erneut die Hintermannschaft gesamthaft versagt, ist der dritte Treffer durch einen Penalty von Enzo Crivelli das alleinige Werk vom kurz zuvor eingewechselten Anel Husic. Es zeigt: Bei YB läuft in der Defensive bisher einfach alles schief.
Schon gegen Sion stellten sich die Berner Verteidiger alles andere als geschickt an. Dem ersten Gegentreffer ging ein missratener Klärungsversuch sowie eine Unsicherheit von Goalie David von Ballmoos vorher. Dann sah Jaouel Hadjam Gelb-Rot, weil er einen Konter nach einem Eckball mit einem taktischen Foul unterband. Und zu guter Letzt liess sich YB, das selbst in Unterzahl extrem hoch stand, von einem einzigen langen Ball komplett überrumpeln und das 1:2 einschenken.
Das Fazit nach zwei Partien unter dem neuen Trainer fällt leicht: Noch passt beim Berner Sport Club unter Patrick Rahmen wenig bis gar nichts zusammen. Zumal auch die Offensive noch nicht wirklich glänzte.
Dennoch wäre es verfrüht, nun in Panik zu verfallen. Auch den Coach zu harsch zu kritisieren, wäre aktuell nicht gerechtfertigt. Denn trotz der offensichtlichen Schwächen, gibt es Tatsachen und Gründe, die YB hoffen lassen und Rahmen entlasten. Erstens ist die Saisonvorbereitung beim frühen Saisonstart in der Schweiz sehr kurz. Der 55-jährige Basler, der Winterthur in der letzten Saison auf den überragenden sechsten Platz geführt hat, hatte kaum Zeit, sein System und seine Ideen zu implementieren. Zwar ist dies auch beim gestrigen Gegner Servette, der mit Thomas Häberli ebenfalls einen neuen Coach hat, der Fall, doch kommt bei YB ein weiteres Problem hinzu.
Denn mit Mohamed Ali Camara und Loris Benito sind die eigentlichen Stamm-Innenverteidiger verletzt. Somit spielte nun einerseits Sandro Lauper, der bevorzugt im defensiven Mittelfeld spielt und letztmals im Februar 2022 auf der Position Innenverteidiger agierte. Und andererseits Neuzugang Tanguiy Zoukrou sowie Anel Husic, der im Winter aus Lausanne gekommen war, aber bisher noch kaum spielte. Dass die Abstimmung in der Defensive da noch nicht perfekt sein kann, ist klar. Gerade im Pressing und bei der Zuteilung – zwei Schwächen der Berner in den ersten beiden Spielen – wäre eine gewisse Eingespieltheit aber immens wichtig.
Hinzu kommt noch, dass YB zum Saisonstart auch etwas Pech hatte. Gegen Sion traf Silvère Ganvoula einmal den Pfosten, gegen Servette rettete der Genfer Goalie Joël Mall bei Meschack Elias Doppelchance sensationell. Die insgesamt 32 Schüsse – wovon aber nur neun tatsächlich aufs Tor kamen – deuten zumindest darauf hin, dass aktuell eher die Chancenverwertung als das Herausspielen von Möglichkeiten ein Problem sei.
Vieles dürfte bei den Bernern mit der Zeit besser werden. Dass YB auch in einigen Wochen noch im unteren Tabellenviertel herumdümpelt, dürfte kaum jemand erwarten. Doch ist auch klar, dass sich Patrick Rahmens Team am Sonntag in St.Gallen keinen weiteren Ausrutscher erlauben sollte. Denn wie der Trainer schon am Mittwochabend sagt: «Es ist klar, dass nun Druck kommt. Dem müssen wir uns jetzt stellen.»
Ich würde eher sagen: "Zu früh um sich schon zu freuen".