An der Europameisterschaft gab es kein Vorbeikommen am Song des Balkonultras. «Pyrotechnik ist doch kein Verbrechen», schallte es auch etliche Male aus der Schweizer Fankurve. Noch ist der Ausruf lediglich eine Hoffnung, ein Appell an die Behörden, diesen Ausdruck der Fankultur nicht zu verteufeln. Bald schon könnte er Realität werden – auch in der Schweiz.
Aktuell läuft in Norwegen ein Pilotprojekt, bei dem das Abbrennen von Pyros in ausgewiesenen Bereichen in der Fankurve unter strengen Auflagen erlaubt ist: Personen, die Pyrotechnik zünden, müssen mindestens 18 Jahre alt, nüchtern und identifizierbar sein, wie die «Bild» berichtet.
In der Schweiz beobachtet man die Entwicklungen im Ausland mit grossem Interesse. Die Swiss Football League (SFL) sei sehr interessiert an Lösungsvorschlägen, die versuchen, eine gesunde Balance zwischen Elementen der Fankultur und grösstmöglicher Sicherheit für alle Stadionbesuchenden zu finden, sagt Mediensprecher David Barras.
Der Sicherheitsbeauftragte der SFL stehe deshalb mit den Verantwortlichen in Norwegen und auch mit anderen Ligen im Austausch, die Projekte in diesem Bereich haben. Und Barras fügt an: «Die sich im Ausland abzeichnenden Lösungsansätze, die eine Zulassung in einem kontrollierten Rahmen mit klar geregelten Vorgaben ermöglichen, sind genau zu beobachten.»
Die Formulierungen sind zwar zurückhaltend gewählt, was angesichts des Sprengpotenzials der Pyro-Frage nicht überrascht, sie zeigen aber, dass die SFL grundsätzlich nicht abgeneigt wäre. Fielen die Ergebnisse der Pilotprojekte im Ausland positiv aus, könne auch in der Schweiz darüber diskutiert werden, findet Barras.
Und er geht noch weiter: «Man stellt weltweit fest, dass die Null-Toleranz-Politik – wie übrigens in allen gesellschaftlichen Brennpunkten – nicht umsetzbar ist.» Die Beispiele aus dem Ausland würden zeigen, dass sich viele Verantwortliche, die sich mit der Organisation von Fussballspielen befassen, ähnliche Überlegungen anstellten.
Während die Liga also offensichtlich gesprächsbereit ist, wenn es um die Pyro-Frage geht, steuert die Politik in die Gegenrichtung. Nicht weniger, sondern deutlich mehr Restriktion gegenüber Fussballfans wird gefordert. Auf dieses Jahr hin wurde das sogenannte Kaskadenmodell eingeführt. Damit sollen Vorfälle mit harten Strafen sanktioniert werden, von Kurvensperrungen bis hin zu Geisterspielen.
Fest steht: Ob illegal oder nicht, Pyrotechnik ist ein Teil des Fussballs. Für viele Fans ist das Abbrennen von Bengalos Ausdruck ihres Supports für ihr Team. An praktisch jedem Spieltag der Super League wird in mindestens einem Stadion gezündet.
Auch Teil der Wahrheit ist, dass es dabei gelegentlich zu Vorfällen kommt. Die über 1000 Grad heissen Fackeln werden aufs Spielfeld oder in den Sektor mit gegnerischen Fans geworfen. Zuletzt passierte dies im Cup-Halbfinal zwischen Winterthur und Servette im April dieses Jahres. Unrühmliche Ereignisse – darüber ist man sich selbst in der Fanszene grösstenteils einig – die jedoch Seltenheitswert haben.
Nach dem Vorfall in Winterthur trug der «Blick» Pyrowürfe seit 2006 zusammen. In den 18 Jahren kam die Zeitung auf acht Ereignisse, bei denen Feuerwerkskörper in Stadien als Wurfgeschoss eingesetzt wurden. SFL-Sprecher David Barras sagt denn auch: «Gerade innerhalb der Stadien gab es in den letzten Jahren nur sehr wenige Zwischenfälle und Umfragen zeigen, dass sich die Besucherinnen und Besucher der SFL-Spiele in den Stadien sehr sicher fühlen.»
Bis zu einer Legalisierung von Pyros ist der Weg noch weit. Denn bisher ist das Abbrennen aufgrund des Sprengstoffgesetzes noch verboten. Es bräuchte wohl eine Ausnahmeregelung. Eine solche könnte die SFL jedoch nicht in Eigenregie umsetzen. Die Behörden müssten dazu eine gesetzliche Grundlage schaffen.
Wenn Liga, Vereine und Fans in der Pyro-Frage gemeinsam auftreten, wächst der Druck auf die Politik. Dies auch deshalb, weil der bisher eingeschlagene Weg der Repression bisher keine Früchte trägt. (fm1today.ch)
Im Umkehrschluss ist der Aufschrei bei jenen am grössten, welche noch nie ein Stadion von innen gesehen haben und das auch in Zukunft nicht wollen.
Das Thema ist schon längst zum Politikum verkommen, bei dem die Lautesten die am wenigsten Betroffenen sind.