Bald ist die Hälfte der Saison gespielt und der FC Basel gibt weiterhin ein sonderbares Bild ab. Er ist – wie alle anderen Super-League-Teams ausser YB – eine Wundertüte. Er gewinnt immer mal wieder, aber er lässt viel zu oft Punkte liegen. 2020 diente noch die fehlende Vorbereitung als Ausrede. Doch auch nach der Wintervorbereitung wurde es nicht besser. Nach drei Spielen im Jahr 2021 ist klar: Der FCB hat keinen Schritt nach vorne gemacht. Er bleibt Mittelmass und er dürfte es aus unterschiedlichen Gründen schwer haben, dem zu entrinnen.
Vier Heimspiele in Serie ohne Sieg. Der schlechteste Saisonstart seit Einführung der Super League. Ein Torverhältnis von 26:24. Elf Verlustpunkte Rückstand auf YB. Und das mit einer Mannschaft, die von den Namen her eigentlich wieder um die Meisterschaft mitspielen müsste. Stattdessen zeugen Auftritte wie jüngst gegen Lugano oder Zürich von Unsicherheit.
Defensive Aussetzer führen gepaart mit offensiver Ideenarmut zu zahlreichen Punktverlusten. Die Folge ist, dass der FCB zwar noch auf Rang zwei, aber mit so wenigen Punkten wie noch nie in diesem Jahrtausend dasteht. Nur beim Auswärtsspiel in Vaduz dominierte Rotblau den Gegner von A bis Z. In allen anderen Partien fehlte die Souveränität. Das ist eine Entwicklung, an die man sich gewöhnen muss.
«Spiiled Fuessball», schreit Ciriaco Sforza gerne und immer wieder von der Seitenlinie rein. Aber für welchen Fussball steht der neue Trainer eigentlich? Was genau will er von seinen Spielern? Das zum Saisonstart angekündigte Offensiv-Pressing war in Pflichtspielen selten zu sehen und auch sonst bleibt die Spielidee unklar. Oft sind es einzelne Spieler, die mit ihren überdurchschnittlichen Qualitäten den Unterschied machen.
Möglich, dass es auch an Sforzas kommunikativen Schwächen liegt, dass seine Ideen nicht bei den Spielern ankommen. Dass dort nicht alles rosig ist, machte ein Ausruf Eray Cömerts in Richtung des wild nach Andrea Padula rufenden Sforzas während dem Lugano-Spiel deutlich: «Dr Andrea isch jo doo», schrie Cömert. Aber nicht nur er machte seinem Unmut über Sforza Luft. Das tun längst auch die Fans. Auch sie sehen keine Ideen, keine Philosophie und vor allem keine Resultate. Die Kritik gegenüber Sforza wird lauter.
Neben der fehlenden Spielidee muss sich Sforza ankreiden lassen, dass Leistungsträger wie Fabian Frei oder Eray Cömert unter ihm eher Rück- als Fortschritte gemacht haben. Sforzas Gestikulieren und die Schreie an der Seitenlinie wirken oft eher wie Nervositätsabbau denn konstruktive Anweisungen. Die Spieler zeigen sich mehr und mehr genervt davon.
Auch die Analysen des Trainers werfen Fragen auf. Sforza ist stets bemüht, sein Team zu schützen. Das hat zur Folge, dass er Unentschieden gegen Vaduz oder Lugano öffentlich schönredet. Man müsse die starken Gegner respektieren, heisst es dann. Früher wäre alles andere als ein deutlicher Sieg gegen den Aufsteiger peinlich gewesen. Heute wird es vom Trainer akzeptiert. Das ist bei aller Fairness eine Einstellung, die nicht zum FCB und dessen Ambitionen passt.
Es ist die ewige Diskussion: Sind die Jungen nicht gut genug oder bekommen sie zu wenig Zeit? Klar ist: Anders als erwartet setzt Sforza zuletzt mehr auf Routiniers denn auf hoffnungsvolle Talente. Abrashi statt Marchand und Lindner statt Nikolic sind nur zwei Beispiele. Der Altersschnitt der Startelf gegen Lugano und Sion lag bei 28 Jahren. Diese Entwicklung ist ein erneutes Abwenden der eigentlichen Strategie, für die Talentflüsterer Sforza doch so gut passen soll.
Der Trainer betont, dass der Mix stimmen müsse. Doch er kam offenbar zum Schluss, dass die Alten dem FCB aktuell besser helfen als die jungen Talente.
Der fehlende Klartext ist beim FCB auf verschiedenen Ebenen zu spüren. Wenn Eigentümer Burgener mal wieder im TV ein Interview gibt, so wie wenn Sforza nach dem Spiel in der Mixed Zone erscheint. Die vielen Verletzten? Ja, das sei ein Problem. Aber sonst? Gibt es – zumindest nach aussen kommuniziert – kaum welche. Kein Sportchef? Sowieso kein Problem. Der abgefahrene Meisterzug? Man habe ja immer gesagt, dass man oben mitspielen wolle. Die Schwierigkeiten bei den Finanzen, den Fans und dem Kerngeschäft, dem Fussball auf dem Platz? Alle auf Corona zurückzuführen und daher nicht hausgemacht. Bezeichnend auch, was Captain Valentin Stocker gegenüber blue TV bezüglich der Probleme im Klub sagte: Er wisse nicht, was er sagen könne und dürfe. Es sei, als würde man mit heissen Kartoffeln jonglieren. Die Konsequenz: Er wie auch alle anderen schweigen selbst die offensichtlichsten Probleme aktuell lieber tot.
Die Zeiten, in denen der Klub mit der gesamten Stadt auf einer Erfolgswelle ritt, sind lange vorbei. Ganz unabhängig von Corona hat der FCB in Basel an Strahlkraft verloren. Man muss nicht mehr unbedingt das letzte Spiel gesehen haben, um bei Arbeitskollegen und Freunden mitreden zu können. Im Gegensatz zu YB oder St. Gallen zeigen sich in Basel weniger Fans solidarisch. Nur 4150 Abonnenten haben ihr Saison-Ticket kostenpflichtig verlängert.
Neben finanziellen Gründen wird auch die Klubführung als Auslöser angeführt, warum die Saisonabos nicht verlängert wurden. Auch ohne Corona sind die Zuschauerzahlen seit Jahren rückläufig. Im ersten Heimspiel 2021 wollte die Muttenzerkurve mit einer Plakataktion ein Zeichen setzen. Mit einem Banner sollte auf die schlechten Wahlergebnisse an der Generalversammlung von 39 Prozent für Eigentümer Bernhard Burgener und 26 Prozent für CEO Roland Heri aufmerksam gemacht werden. Diese hatte Burgener bisher ebenfalls totgeschwiegen.
Die Muttenzerkurve wollte beim Spiel des FCB gegen den FCZ gegen die Vereinsführung protestieren. Doch der Klub hängte die Banner noch vor Anpfiff wieder ab.https://t.co/hN3pBORpCa#TBSport
— Telebasel (@Telebasel) January 24, 2021
(Bild: https://t.co/ytzO3rmHVR) pic.twitter.com/ZjZeCv5A2t
Als die Klubführung veranlasste, das Banner zu entfernen, machten die Fans die «Zensur» auf der Homepage öffentlich. In dem beigefügten Statement wurde deutlich, dass das Tuch zwischen Fans und Führung nach wie vor zerschnitten ist. Burgener selber wünscht sich Solidarität. Am Sonntag sagte er: «Es ist genug negative Stimmung da. Jetzt braucht es Unterstützung.» Doch der Umgang mit der eigentlich harmlosen Protestaktion war diesbezüglich kontraproduktiv. Der Goodwill, der beispielsweise durch den runden Tisch für Jahreskarteninhaber entstanden ist, geht so schnell wieder flöten.
Das Mittelmass beginnt in der Schweiz ab Rang zwei. Und es ist wegen der Uefa-Prämien unglaublich schwer, dem zu entrinnen. In Zukunft hat nur noch der Schweizer Meister die Chance auf Champions oder Europa League. Der Zweite, der Dritte und der Cupsieger spielen wenn überhaupt nur noch in der drittklassigen Conference League. Dort gibt es deutlich weniger zu verdienen, was bedeutet, dass das Geld, was aktuell YB von der Uefa kassiert, beim FCB mit Spielerverkäufen rein geholt werden muss. Das führt unweigerlich dazu, dass die Kluft zwischen dem Meister und dem Rest der Liga in den nächsten Jahren grösser wird.
«Wir sind immer noch Zweiter», sagte der Trainer des FC Basel im Nachgang der Auftaktpleite gegen den FC Zürich. Und auch Präsident Burgener betonte dies im Pausen-Interview des Lugano-Spiels, als der FCB in der Blitztabelle aber abgerutscht war. Aber ungeachtet dessen scheint es, als wäre man beim FCB plötzlich mit Platz zwei zufrieden. Das steht im völligen Gegensatz zum zu Beginn der Saison verkündeten Ziel. Burgener sagte Anfang Saison nämlich selber, dass ein Meistertitel seiner Meinung nach Ruhe bringen würde. Doch davon ist der FCB weiter entfernt denn je. Er steckt im Mittelmass fest und kommt nicht vom Fleck.