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Besuch in Wimbledon: Warum das Tennis Roger Federer nicht braucht

Roger Federer ram
Roger Federer ist im Ruhestand.Bild: fxp-fr-sda-rtp
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Weshalb das Tennis Roger Federer nicht braucht

Wie in den vergangenen zwei Jahren hat Rekordsieger Roger Federer einen Besuch in Wimbledon in Aussicht gestellt. Doch der Sport zeigt inzwischen: Es geht auch ohne ihn – sogar besser denn je.
04.07.2025, 21:4205.07.2025, 06:00
Simon Häring / ch media
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Ein Raunen wird über die Anlage im Südwesten Londons schwappen, die Handys werden gezückt, und die Fotografen sich in Stellung bringen, wenn Roger Federer Wimbledon dieser Tage einen Besuch abstatten sollte, wie er das in den vergangenen Jahren getan hat.

Roger Federer Sui and his parents and manager Tony Godsick TENNIS : Wimbledon 2024 - 06/07/2024 AntoineCouvercelle/Panoramic PUBLICATIONxNOTxINxFRAxBEL
Roger Federer 2024 bei Wimbledon.Bild: www.imago-images.de

Mit seinen acht Titeln ist er hier immer noch Rekordsieger im Einzel, wobei sein früherer Rivale Novak Djokovic den nächsten Anlauf unternimmt, ihn auch in dieser Rangliste einzuholen. Derzeit steht der Serbe bei sieben Siegen.

Federer geniesst seinen Ruhestand

Knapp drei Jahre ist es her, seit Federer seine Karriere beendet hat. Sein letztes Spiel in Wimbledon bestritt er vor ziemlich genau vier Jahren, am 7. Juli 2021, als er im Viertelfinal in drei Sätzen dem Polen Hubert Hurkacz unterlag. Den letzten Durchgang verlor der Baselbieter dabei gleich mit 0:6.

Nach allem, was man weiss, geniesst Federer seinen Ruhestand. Kürzlich erzählte er, er wolle künftig wieder mehr Tennis spielen, die Turniere aber, den damit verbundenen Druck, die Reisen, vor allem aber die körperliche Belastung – das alles fehlt ihm nicht.

Seine Anhänger vermissen ihn, klar. Mit seiner Karriere endete für viele ein Kapitel in ihrem Leben, in dem sie sich über ihr Dasein als Fans definierten.

Besucherrekorde bei Grand Slams

Andere sorgten sich um die Zukunft des Tennis, wenn nach Federer auch seine einstigen Rivalen aufhörten. Rafael Nadal und Andy Murray haben das im vergangenen Jahr getan. Aus dem glorreichen Quartett spielt nur noch Novak Djokovic. Stellt sich die Frage: Wie lange noch?

250527 -- BEIJING, May 27, 2025 -- Andy Murray, Rafael Nadal, Roger Federer and Novak Djokovic from R to L pose for a photo during a ceremony held for former Spanish tennis player Rafael Nadal honorin ...
Andy Murray, Roger Federer, Rafael Nadal und Novak Djokovic.Bild: www.imago-images.de

Schon jetzt lässt sich mit Gewissheit sagen: Dem Tennis geht es blendend. Nein: Sogar so gut wie noch nie.

Die Grand-Slam-Turniere vermelden Besucherrekorde. Bei den Australian Open kamen 1,2 Millionen, als Federer 2019 letztmals dort antrat, waren es nur 800'000. Die US Open verzeichneten im vergangenen Jahr erstmals mehr als eine Million Besucher – das ist ein Drittel mehr als vor sechs Jahren bei Federers letztem Auftritt in New York. Auch die French Open und Wimbledon legten zu, wenn auch etwas moderater.

Begeisterung für Alcaraz und Sinner

Auch beim Umsatz vermelden die vier Major-Turniere einen Zuwachs, und zwar von den kombiniert 1,2 Milliarden 2019 auf 1,6 Milliarden Franken 2024.

Selbst die Einschaltquoten im sonst rückläufigen linearen Fernsehen sind äusserst stabil. Über zwei Milliarden Menschen in 200 Ländern verfolgen die Spiele. In Frankreich schalteten 5,5 Millionen zum Männerfinal der French Open zwischen Carlos Alcaraz und Jannik Sinner ein. Gleich viele wie beim letzten von vier Paris-Finals zwischen Nadal und Federer vor 14 Jahren.

Borg und McEnroe, nicht Federer

Auch der Wimbledon-Final mit der besten Einschaltquote bei der britischen BBC fand ohne Federer statt. 1980 klebten 17,3 Millionen vor dem TV, als Björn Borg John McEnroe besiegte. 2012 schauten immerhin 16,9 Millionen zu, als Federer Andy Murray besiegte.

FILE - Sweden's Bjorn Borg falls to his knees in front of the scoreboard on the Centre Court, Wimbledon, London, July 5, 1980, after beating American John McEnroe, unseen, 1-6, 6-3, 7-5, 6-7, 8-6 ...
Björn Borg besiegte 1980 John McEnroe.Bild: keystone

Wobei ein Final mit Beteiligung eines Briten selbstredend für mehr Publikum sorgt. 2023, als Carlos Alcaraz Novak Djokovic bezwang, schalteten so viele Menschen ein wie seit Murrays zweitem Sieg 2016 nicht mehr. Also auch mehr als 2019, als Federer gegen Djokovic verlor, nachdem er zwei Matchbälle nicht hatte verwerten können.

Glänzende Zahlen beim Streaming

Dem Tennissport gelingt es offenbar auch hervorragend, sich zu erneuern. Alle Grand-Slam-Turniere konnten in den letzten drei Jahren, also seit Federers Rücktritt, ihre Streamingzahlen zum Teil mehr als verdreifachen. Gleiches gilt für Zugriffe über die vor allem bei der jüngeren Zielgruppe populären Social Media.

Die Grand-Slam-Turniere sind ein Selbstläufer, was auf kleinere Turniere, zu denen auch die Swiss Indoors Basel zählen, nicht zutrifft. Sie sind sehr viel stärker von Erfolgen einheimischer Spieler abhängig. Im schlimmsten Fall verschwinden sie aus dem Kalender, was meist ein isoliertes Ereignis bleibt.

Milliarden dank Saudi-Arabien

Denn auch die Profi-Organisation der Männer ATP ist gut für die Zukunft gerüstet. 2023 betrug der Umsatz 260 Millionen Franken, fast 50 Prozent mehr als zwei Jahre davor. 2025 dürfte er auf über 300 Millionen wachsen. Mit ein Grund dafür ist eine mehrjährige strategische Partnerschaft mit Saudi-Arabien, die Ende des vergangenen Jahres vermeldet wurde. Über den Staatsfonds PIF sollen bis zu 9 (!) Milliarden ins Männertennis fliessen.

Wie eine Studie zeigt, spielten 2024 100 Millionen Menschen gelegentlich Tennis und damit so viele wie nie zuvor. Die meisten in den USA (23,8 Millionen). In Grossbritannien greift mehr als jeder Zehnte regelmässig zum Schläger. Bei der letzten Messung 2019 wurden «nur» 84 Millionen Tennisspieler gezählt.

China, Brasilien und Indien im Visier

Wobei das Potenzial noch längst nicht ausgeschöpft ist. Als Wachstumsmärkte gelten die bevölkerungsreichen Länder China, Brasilien, Indien und Indonesien. Zusammen zählen diese 3,4 Milliarden Einwohner, was mehr als einem Drittel der Weltbevölkerung entspricht.

Roger Federer hat während Jahrzehnten Erfolge gefeiert. Mit seinem Spiel und seinem Charisma hat er überall auf der Welt Menschen verzaubert. Doch das Tennis, das wird auch ihn freuen, schreibt auch ohne ihn neue Geschichten. Heute, morgen und im nächsten Jahr. Auch in Wimbledon.

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9 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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raab23@gmail.com
04.07.2025 22:06registriert Mai 2022
Na und? Es geht auch ohne Nadal, djokovic, Becker, lendl, mcenroe, agassi, etc

Es kommer immer neue spieler, die genauso gut, wenn nicht besser sind.
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Ajax
04.07.2025 22:58registriert August 2018
Vielleicht braucht das Tennis Federer nicht mehr, aber Simon Häring braucht ihn offenbar nach wie vor sehr. 🙄
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