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Kroatiens Handballer wurden zwei Mal Olympiasieger (1996 und 2004) und Weltmeister (2003). Vor vier Jahren holten sie in London Bronze und auch jetzt in Rio gehören sie wieder zum erweiterten Anwärterkreis auf eine Medaille. Doch gleich zum Auftakt des olympischen Turniers gab es eine böse Klatsche: Gegen Katar verloren die Kroaten mit 23:30.
Gegen Katar? Wirklich? Nun ja, das Emirat am Persischen Golf, das 2022 die Fussball-WM ausrichtet, ist im Handball längst kein unbeschriebenes Blatt mehr. 2015 im eigenen Land gewann der Asienmeister von 2014 und 2016 mit Silber seine erste WM-Medaille.
Ist da etwa eine goldene Handball-Generation in Katar herangewachsen? Mitnichten. Handball hat im Wüstenstaat keine Tradition, der Coup gelang nur dank einem ebenso fragwürdigen wie tiefen Griff in die staatliche Schatzkammer. Mit hohem finanziellen Aufwand engagierte man den spanischen Weltmeistertrainer Valero Rivera und überzeugte mehrere Starspieler wie Eldar Memisevic (Bosnien), Bertrand Roiné (Frankreich), Rafael Capote (Kuba), Goran Stojanovic oder Zarko Markovic (beide Montenegro) zu einem Nationenwechsel.
Möglich war dies, weil im Gegensatz zum Fussball Handballspieler nach einer dreijährigen Wartefrist für die Nationalmannschaft eines neuen Verbandes auflaufen dürfen. So sind vom 14-köpfigen Olympia-Team, das in Rio eine Medaille im Visier hat, elf Spieler nicht in Katar geboren.
Ganz schwierig hatte es im Auftaktspiel Marko Bagaric. Der gebürtige Kroate musste während der Hymne seines Heimatlandes schweigen und danach spielte er gegen ehemalige Teamkollegen, ja sogar Zimmergenossen aus den U-Nationalmannschaften. «Was soll ich tun?», fragte Bagaric nach der Partie etwas wehmütig. «Katar gab mir die Möglichkeit, bei den Olympischen Spielen teilzunehmen. Das ist der Traum eines jeden Sportlers.»
Doch nicht nur im Handball setzt der Wüstenstaat, der bei Sommerspielen seit 1984 vier Bronzemedaillen gewonnen hat, auf ausländisches Know-How. 23 von insgesamt 39 Athleten stammen gemäss der «Washington Post» ursprünglich nicht von der 11'437 Quadartkilometer grossen Halbinsel mit 2,5 Millionen Einwohnern, sondern aus 17 Staaten von allen fünf Kontinenten. Von den 25 Nicht-Handballern ist also ebenfalls rund die Hälfte der Athleten teils im Eiltempo eingebürgert worden.
Einer von ihnen ist der Tischtennisspieler Li Ping. Der heute 30-Jährige begann mit fünf Jahren mit dem Tischtennissport und wurde mit 15 ins chinesische Nationalkader aufgenommen. 2009 wurde er im Mixed Weltmeister, doch die Konkurrenz im Reich der Mitte war riesig. «In China war es sehr schwierig für mich, einen Platz bei internationalen Turnieren zu ergattern, geschweige denn bei Olympischen Spielen», erklärte Ping zu Beginn dieses Jahres. Deshalb war er mehr als dankbar, als 2015 der katarische Verband anklopfte und ihm einen Nationenwechsel anbot. Eine Medaille verpasste Ping in Rio aber klar. In der 3. Runde scheiterte er am Deutschen Dimitrij Ovtcharov.
Auch die beiden Beachvolleyballer, die sensationell den Achtelfinal erreicht haben, sind keine Ur-Katarer. Jefferson Santos Pereira stammt aus Brasilien und spielt wegen der grossen Konkurrenz in der Heimat seit 2013 für die Araber, sein Teamkollege Cherif Younousse Samba ist Senegalese und steht seit 2015 in fremden Diensten.
Die beiden Boxer Hakan Erseker und Thulasi Tharumalingam sind in Deutschland geboren. Und auch in der Leichtathletik wurde grosszügig eingebürgert: Die Läufer stammen aus dem Sudan, Marokko und Nigeria, der Hammerwerfer aus Ägpyten.
Zu den Medaillenkandidaten gehören aber ausgerechnet die waschechten Katarer: der Hochspringer Mutaz Essa Barshim sowie Wurfscheibenschütze Nasser Al-Attiyah, der 2011 und 2015 übrigens auch schon die Rallye Dakar gewann.
Wie Katar haben auch andere Golfstaaten längst entdeckt, dass die Chancen auf olympisches Edelmetall mit ausländischen Fachkräften steigen. Die zwei Frauen im dreiköpfigen Olympia-Team der Vereinigten Arabischen Emirate sind gebürtige Äthiopierinnen.
Noch extremer ist es in Bahrain: 18 Leichtathleten und 13 Leichtathletinnen hat das Insel-Königreich nach Rio geschickt, in Bahrain geboren ist allerdings niemand. Sie stammen ursprünglich aus Kenia, Äthiopien und Marokko und wurden teils schon im Teenager-Alter nach Bahrain geholt. Anfangs mussten die Athleten nach dem Nationenwechsel ihren Namen ihrem neuen sportlichen Heimatland anpassen (1500-m-Läufer Belal Mansoor Ali hiess früher John Yego), mittlerweile ist dies nicht mehr der Fall.
Die Konkurrenz beobachtet die Einbürgerungen in den Golfstaaten längst mit Argusaugen, ist aber machtlos. Katar, Bahrain und die VAE spielen innerhalb des sportlichen Regelwerks. Was bleibt, ist Frustration: «Wir spielen aus Liebe zum Sport, sie spielen für Geld», ärgerte sich der französische Handballer Valentin Porte über den Medaillen-Konkurrenten aus dem Nichts.
Auch bei den Leichtathleten ist die Stimmung gedrückt. Für Europäerinnen und Asiatinnen wird die ohnehin schon überlegene afrikanische Konkurrenz in den Lauf-Disziplinen noch erdrückender. Was an den Olympischen Spielen ärgerlich ist, weitet sich an den asiatischen Kontinentalmeisterschaften zum Riesenfrust aus. Statt Japaner, Chinesen oder Koreaner räumen die eingebürgerten Katarer und Bahrainer die Medaillen ab. Bei den Asian Athletics Championships 2015 in Wuhan gingen die Goldmedaillen bei den Männern – Frauen-Sport fristet in den Golfstaaten noch immer ein Schattendasein – in sämtlichen Einzelbewerben der Laufdisziplinen ohne Hürden an Athleten aus Katar und Bahrain.