Der Schuldige für Bayern 0:4-Blamage gegen Real Madrid war schnell gefunden. Er meldete sich sogar selbst: «Wir haben schlecht gespielt. Das ist meine Verantwortung. Es war meine Taktik. Da habe ich mich vertan», sagte Bayern-Trainer Pep Guardiola nach dem überraschend deutlichen Aus.
Schon bei Barcelona war immer wieder vorgeworfen worden, dass er keinen Plan B zu seinem bevorzugten Tiki-Taka-Fussball hat. Wie in allen Spielen unter Guardiola hatten die Bayern auch im CL-Halbfinal-Rückspiel von Anfang an viel Ballbesitz, zogen ihr powerplayartiges Kurzpassspiel um den Strafraum der Königlichen auf.
Doch wie schon im Hinspiel resultierte daraus wenig Zwingendes. Die Bayern spielten stur ihr Standard-Repertoire runter, waren leicht auszurechnen, während Real mit Trainer Carlo Ancelotti tief in die Trickkiste griff.
Der Italiener stellte seine Mannen perfekt auf das Guardiola-System ein. Wie die Bayern von Jupp Heynckes in der letzten Saison überrollten die Königlichen den Gegner mit Tempo, Wucht und Präzision. Phasenweise erinnerte die Partie an den CL-Halbfinal vom vergangenen Jahr, als die Bayern Barcelona mit einem Gesamtskorte von 7:0 demütigten. Damals wirbelten Arjen Robben, Franck Ribéry, Thomas Müller und Mario Mandzukic fast nach Belieben.
Anders als noch im Hinspiel standen die Madrilenen viel höher und konnten dadurch viel Druck auf den Spielaufbau der Bayern ausüben. Und war der Ball einmal erobert ging die Post ab. Ancelotti hatte sich ein einfaches Rezept ausgedacht, wie man die Bayern am besten aushebeln kann: Mit langen, hohen Bällen über sämtliche Bayern-Spieler hinweg. Das blitzschnelle Offensive-Trio mit Cristiano Ronaldo, Gareth Bale und Karim Benzema setzte nach und übertölpelte die anfällige Bayern-Abwehr mal für mal.
Unterstützt wurden die Supersprinter von den fleissigen Arbeitsbienen Angel di Maria und Luca Modric, sowie vom überragenden Ballverteiler Xabi Alonso. Dass die ersten beiden Tore durch Sergio Ramos nach Standards fallen, passte ins Bild. Guardiola setzte auch bei Freistössen und Eckbällen auf eine Raumdeckung.
Real kam sicherlich auch zu Gute, dass es an die Spielweise der Bayern gewöhnt war. Mindestens zweimal pro Jahr spielen sie in der heimischen Liga gegen den FC Barcelona. Im Rückspiel Spiel ging dann auch alles auf. «Das war das perfekte Spiel», schwärmte Ancelotti, der mit Milan 2003 und 2007 die Champions League gewann. «Meine Mannschaft überrascht mich immer wieder. Ich habe das Glück, den besten Verein der Welt zu trainieren.»
Das Paradebeispiel für Reals perfektes Umschaltspiel war das 3:0 durch Cristiano Ronaldo: Franck Ribéry verliert im Real-Sechzehner den Ball. Di Maria passt zu Benzema, der schickt den pfeilschnellen Bale, der mit Ball deutlich schneller ist als Boateng ohne. Nach einem Sprint über den halben Platz legt Bale quer, Ronaldo schiebt kaltschnäuzig ein. Besser kann man einen Konter nicht ausführen.
Nach der Gala steht Real zum ersten Mal seit 2002 wieder im Final der Königsklasse und in Madrid träumen sie mehr denn je von der langersehnten «Décima», dem zehnten Champions-League-Titel der Vereinsgeschichte. Doch der Final wird wieder ein völlig anderes Spiel. In Lissabon steht den Madrilenen mit Chelsea oder Stadtrivale Atlético ein extrem defensiver Gegner gegenüber. Dann müssen Ronaldo und Co. wieder selbst das Spiel machen und sich einen Plan B einfallen lassen, um das Abwehrbollwerk des Gegners zu knacken.