Der Schock sass tief bei den Brasilianern am Dienstagabend. Es dauerte lange, bis die Tränen getrocknet waren. Diese Demütigung durch die Deutschen hatte man im Land des Rekord-Weltmeisters nie für möglich gehalten.
In den Reihen der «Seleçao» tat man sich teilweise schwer mit der Aufarbeitung der Schmach von Belo Horizonte. Der gescheiterte Trainer Luiz Felipe Scolari bemühte sich mit schönen Worten darum, der Situation Positives abzugewinnen. So sagte er, dass Brasilien immerhin erstmals seit 2002 und dem letzten Titelgewinn (mit Scolari) in die WM-Halbfinals vorgestossen sei.
Viele in seinem Land konnte «Felipão» mit seinen Reden nicht besänftigen. Zu kopflos hatte das Team gegen Deutschland agiert. Die Kritik an Scolari fiel in manchen Kreisen heftig aus. Es fielen auch wüste Schimpfwörter und Beleidigungen. Scolaris Abgang ist so gut wie beschlossen, auch wenn er darauf verweist, dass nach der Heim-WM Gespräche anstehen würden. Die Spekulationen über die potenziellen Nachfolger sind in vollem Gang.
Dass Louis van Gaal den Posten des holländischen Nationaltrainers verlässt, ist seit längerem bekannt. Er wechselt zu Manchester United. Deshalb ist es heute in Brasilia sein Abschiedsspiel mit der «Elftal». Begeistert ist Van Gaal von der heutigen Pflichtaufgabe nicht. Er sieht wie die meisten seiner Spieler keinen Sinn in diesem Match um «Bronze».
Er machte nach dem verlorenen Halbfinal gegen Argentinien jedenfalls keinen Hehl daraus, dass er überhaupt keine Lust auf das nun anstehende Spiel um Platz 3 hat: «Ich sage seit zehn, nein 15 Jahren, dass dieses Spiel überflüssig ist. Denn wenn man am Ende eines so grossartigen Turniers zweimal verliert, fährt man als Loser nach Hause. Das hat mit Sport nichts mehr zu tun. Es kann nur ein Final geben: das um den Titel.» Auch Arjen Robben meinte: «Das Spiel um Platz 3 kann mir gestohlen bleiben, nur der Titel zählt.»
Man darf gespannt sein, wie freundschaftlich sich die beiden Mannschaften begegnen werden. Die Holländer hatten sich am Ende der Gruppenphase darüber beschwert, dass Brasilien durch den Spielplan bevorteilt sei, weil es sich den Achtelfinal-Gegner aussuchen könne. Dies löste im Lager der Brasilianer Irritationen aus.
Holland und Brasilien sind auch vor vier Jahren an der WM in Südafrika aufeinander getroffen. Im Viertelfinal in Port Elizabeth siegte «Oranje» nach einem Rückstand und zwei Toren von Wesley Sneijder mit 2:1. Es war das Ende für Carlos Dunga als brasilianischer Nationaltrainer.
Die Länderspiel-Bilanz zwischen diesen zwei Nationen ist ausgeglichen. Nach elf Vergleichen stehen jeweils drei Siege, fünf Unentschieden, drei Niederlagen und ein Torverhältnis von 15:15 zu Buche.
Das Spiel um Platz 3 ist zwar nicht sonderlich beliebt, es garantiert aber meistens einige Tore. Letztmals sind 1974 weniger als drei Treffer gefallen. Die taktischen Fesseln sind in der Regel nicht mehr allzu eng. (pre/si)