«Der Weg zum Aufstieg führt unbestritten nur über uns.» Schon nach dem 1:0-Sieg bei RB Leipzig und dem damit verbundenen Herbstmeister-Titel hatte Ralph Hasenhüttl seine Zurückhaltung endgültig abgelegt. Nach dem 2:1-Sieg gegen den FC St. Pauli am Mittwoch hatte der österreichische Trainer des deutschen Zweitliga-Leaders FC Ingolstadt 04 noch mehr Grund zur Freude. Sieben Punkte beträgt der Vorsprung auf den ersten Verfolger Darmstadt bereits.
Ingolstadt hat sich klammheimlich zu einer Art «FC Bayern München der 2. Bundesliga» gemausert. In zehn Heimspielen haben die «Schanzer», so der Spitzname des Vereins, nie verloren und in 18 Partien insgesamt erst 12 Gegentore kassiert.
Sie haben zehn Mal zu null gespielt und haben in der ganzen Hinrunde nur einmal verloren: am 14. Spieltag in Nürnberg beim Debüt von René Weiler als Trainer des einstigen Aufstiegsfavoriten. Zuvor hatte Ingolstadt in der Liga saisonübergreifend 19 Auswärtspartien ohne Niederlage überstanden.
Doch woher kommt der Erfolg der Überraschungsmannschaft? Auf den ersten Blick könnten man meinen, der FCI sei nur ein weiterer, von einem Grossunternehmen finanzierter Retortenklub wie Hoffenheim, Wolfsburg oder RB Leipzig. Nun ja, komplett falsch ist das nicht.
2004 entstand der FC Ingolstadt aus der Fusion der Vereine MTV Ingolstadt und ESV Ingolstadt. Rund 20 Prozent an der Fussball GmbH des FC Ingolstadt hält Audi, im Aufsichtsrat sitzen vor allem Audi-Leute. Der 2006 als Trikotsponsor eingestiegene Autobauer hat mit dem Bau des schmucken Stadions – der Audi-Sportpark fasst 15'800 Zuschauer – und dem Trainingsgelände vor allem in die Infrastruktur viel Geld gesteckt.
Im sportlichen Bereich sollen die Audi-Investments dagegen im tiefen einstelligen Millionenbereich liegen. Das zeigt auch ein Blick auf das Kader. Mit einem Marktwert von 15,5 Millionen Euro ordnen sich die Ingolstädter brav hinter den meisten Traditionsvereinen der 2. Bundesliga im Mittelfeld ein.
"39 Punkte sind erreicht, uns fehlt nur noch 1 Punkt zum Erreichen des ersten Saisonziels. Das ist sensationell zu diesem Zeitpunkt!"
— FC Ingolstadt 04 (@fussballclub) 17. Dezember 2014
Selbst die Ingolstädter «Stars» wie Torhüter Ramazan Özcan, Regisseur Pascal Gross oder Abwehrchef Benjamin Hübner sind noch fast gänzlich unbekannt. Mehr sagen einem da schon die Namen von Marvin Matip, Bruder von Schalke-Profi Joel, oder Lukas Hinterseer, Neffe von Ex-Ski-Ass und Schlagersänger Hansi Hinterseer. Mit sieben Treffern führt letzterer gar die interne Torschützenliste an.
Die Baumeister des Erfolgs sind also nicht die Audi-Millionen, sondern viel mehr die sportliche Leitung mit Trainer Hasenhüttl, dem früheren Hitzfeld-Assistenten Michael Henke und Sportdirektor Thomas Linke, 2001 Champions-League-Sieger mit Bayern München. Als Hasenhüttl im Oktober 2013 Marco Kurz als Cheftrainer ablöste, lagen die Oberbayern auf dem letzten Tabellenplatz.
Der 47-jährige Österreicher hat den Spielstil seiner Mannschaft dann komplett umgekrempelt. Wie Borussia Dortmund zu den besten Zeiten der Ära Klopp und der letztjährige Aufsteiger Paderborn überzeugen die Ingolstädter mit ihrem schnellen Umschaltspiel, wenn sie dank aggressiver Störarbeit dem Gegner wieder einmal den Ball abgenommen haben. In der Offensive sind sie dann nur schwer auszurechnen, weil fast jeder Akteur Tore schiessen kann. Die 28 Treffer wurden von zehn verschiedenen Torschützen erzielt.
Der Aufstieg in die 1. Bundesliga würde zwar überraschend kommen, «Nein» sagen würde man in Ingolstadt aber sicher nicht. «Wir müssen uns nicht kleiner machen, als wir sind. Wir haben einen Riesenschritt in unserer Entwicklung gemacht», sagt Hasenhüttl. «Wir könnten nicht nur kämpferisch, sondern auch spielerisch dagegen halten.»
Neun Punkte beträgt der Vorsprung auf den ersten Nicht-Aufstiegsplatz. Seit Einführung der Drei-Punkte-Regel 1995/96 hat am Ende der Saison nur einmal ein Verein mit einer solch starken Bilanz den Aufstieg nicht geschafft. Doch auch wenn die Aufstiegschancen von Spieltag zu Spieltag grösser werden, die Euphorie der Mannschaft ist noch nicht auf die Fans übergesprungen. Im Schnitt kamen bislang nur knapp 7'500 Fans ins Stadion. Das ist noch alles andere als Bundesliga-würdig.