Der GP von Indianapolis auf der wohl berühmtesten Rennstrecke der Welt hat am Freitag für die Schweizer Piloten Tom Lüthi (27) und Dominique Aegerter (23) verheissungsvoll begonnen. Es ist nach dem ersten Trainingstag (1. Aegerter, 4. Lüthi) nicht einmal auszuschliessen, dass die beiden Schweizer am Sonntag nach dem Rennen (18.15 Uhr, live SRF2) gemeinsam auf dem Podest stehen werden.
Dominique Aegerter hat beim ersten GP nach der Sommerpause seinen ersten Sieg (auf dem Sachsenring) eindrücklich bestätigt. Das erste freie Training am Freitagvormittag fuhr er als einziger ohne einzigen Unterbruch durch – 45 Minuten und 27 Runden lang reihte er im Renntempo eine Spitzenzeit an die andere. Eine spektakuläre Demonstration von Fahrkunst und Selbstvertrauen, die den Konkurrenten unter die Haut gegangen ist.
Ohne je einmal seine Höllenmaschine bei einem Boxenhalt zu justieren oder ans Limit zu gehen, holte er Platz zwei heraus. «Er ist mit der Regelmässigkeit eines Uhrwerkes gefahren», staunte Teammanager Fred Corminboeuf.
Dominique Aegerter blieb cool: «Es ist eine Strecke, die für die Suter-Maschinen gut geeignet ist und die mir liegt. Ich fühle mich am wohlsten, wenn ich fahren, wenn ich Runde an Runde reihen kann. Ich wollte die umgebaute Strecke erst einmal richtig kennen lernen. Da und dort habe ich noch Fehler gemacht, aber ich fühlte mich gut und sah keine Veranlassung zu einem Boxenstopp. Am Ende war ich überrascht, vorne klassiert bin …»
Im zweiten Training legte der «Rohrbach-Rossi» noch eine Schippe drauf, hielt bloss einmal an der Box zwecks Optimierung der Maschine an und holte im Schlussspurt die Bestzeit. Auch wenn es für die freien Trainings keine Punkte gibt – für die Alphatiere hat das Üben am Freitag eine wichtige psychologische Funktion: Es ist ein Spielen mit den Muskeln. Um dem Gegner zu zeigen: Ich bin parat!
Die Frage ist nun, wer das Rohrbacher Töff-Uhrwerk hier in Indianapolis stoppen kann. Tom Lüthi ist einer der Kandidaten. Er hat sich während der Sommerpause ganz offensichtlich von der letzten schweren Niederlage (auf dem Sachsenring nur 9.) erholt. Im ersten Training kam er zwar erst auf Rang 11. Doch im zweiten Training ist ihm mit Position 4 endlich wieder ein Spitzenresultat gelungen.
Zuletzt stand Lüthi im Training beim GP von Spanien in Barcelona so weit vorne – und seither sind fünf GP- Wochenende ins Land gezogen. «Es ist wirklich schon einige Zeit her, dass ich mich so gut gefühlt habe», sagte Lüthi. «Ich hoffe, dass wir jetzt die technische Basis gefunden haben, auf der wir aufbauen können.»
Fährt er jetzt, wie Dominique Aegerter, den technischen Problemen der Suter-Bikes auf und davon? Der Emmentaler sass gestern zum ersten Mal auf der Maschine mit dem Chassis, das Aegerter schon bei den zwei letzten Rennen (Assen, Sachsenring) eingesetzt hat. «Ich habe ein sehr gutes Gefühl. Es ist eine klare Verbesserung.»
Some small change on the track layout pic.twitter.com/He8vXZXZOE
— Tom Lüthi (@ThomasLUTHI) 6. August 2014
Die Suter-Techniker konnten ihm das neue Chassis doch noch im letzten Moment organisieren. Jenes, das Tom Lüthi in einer grossen Hockey-Tasche in Zürich für den Flug via London nach Chicago als Gepäck aufgegeben hat, ist nach wie vor nicht aufgetaucht. In dieser Tasche sind auch die Team-Klamotten und so muss Tom Lüthi jetzt, wenn er nicht im Lederkombi steckt, wie ein Tourist in gewöhnlichen T-Shirts ohne Werbeaufdruck rumlaufen. «Aber ich denke, dass die Sponsoren das schon verstehen …»
Zum ersten Mal in seiner Karriere ist Tom Lüthi hier in Indianapolis nicht die Nummer 1 der Schweiz. Sondern der Aussenseiter. Nach dem ersten GP-Sieg ist Dominique Aegerter der Mann im medialen Rampenlicht. «Aussenseiter? Na ja, so kann man da schon sehen», gibt Lüthi zu. «Nach der enttäuschenden ersten Saisonhälfte beginnt für mich jetzt wieder alles von vorne.» Keine Frage: Der ehemalige 125er-Weltmeister ist ein zäher Kämpfer und es wäre fatal, ihn zu unterschätzen.