Für Fussballer sind englische Wochen, also mehrere Spiele innerhalb von sieben Tagen, eine Tortur. Für Eishockeyspieler seit Jahren «courant normal». Aber inzwischen geht die zusätzliche Belastung auch an den harten Jungs auf der glatten Unterlage nicht mehr spurlos vorbei. Derzeit schwappt eine riesige Verletzungswelle über die National League A. Mannschaften, die mit nur sechs statt acht Verteidigern agieren müssen. Elite-A-Junioren, die kurzfristig ins Team beordert werden. In der aktuellen Saison keine Seltenheit.
Statistisch lässt es sich nicht belegen, aber der äussere Eindruck täuscht kaum: Die Verletztensituation ist quer durch die ganze Liga derzeit so schlimm wie nie zuvor. Auch Jean-Claude Küttel, Verbandsarzt und Team-Doc bei den Kloten Flyers, bemerkt: «Im November haben wir öfters mehr Verletzungen als beispielsweise im Januar.» Die Suche nach plausiblen Erklärungen gestaltet sich schwierig. Aber die Zahlen sprechen für sich: Stand letzten Freitag haben seit Beginn der Saison 15/16 haben in der NLA 157 verletzte Spieler insgesamt 768 Spiele verpasst.
Martin Schär, Teamarzt beim SC Bern, bemerkt, dass bei seinen Spielern derzeit auffällig viele Gehirnerschütterungen und deren Nachwirkungen beklagt werden müssen. Triftige Gründe, wieso Kopfverletzungen bei den Hauptstädtern so zahlreich sind, können nicht eruiert werden. «Vor zwei Jahren hatten wir zum gleichen Zeitpunkt viele Adduktoren-Verletzungen, was durch Überbelastung erklärt werden kann. Gehirnerschütterungen können aber nicht darauf zurückgeführt werden», erklärt Schär.
Wenn man Ursachenforschung betreibt, kommt man schnell zum Schluss, dass sich das Eishockey in den letzten Jahren markant verändert hat. «Die Spieler sind viel athletischer und schneller geworden», sagt Küttel und auch Schär bestätigt: «Einige Spieler haben schon nach fünf Metern eine extrem hohe Beschleunigung, das ist unglaublich.» Wenn also zwei austrainierte Kraftpakete aufeinandertreffen, wirken derart grosse Kräfte, dass es schnell zu Verletzungen kommen kann, wenn ein Spieler einen Check nicht sehen kommt und sich entsprechend darauf einstellt.
Seit der Saison 2007/08 werden in der NLA 50 Qualifikationsrunden statt wie bis anhin 44 bestritten. Seit der letzten Spielzeit steht auch der Schweizer Cup wieder auf dem Spielplan. Zusätzlich dazu muss die Nationalmannschaft mit Spielern gefüttert werden und die Champions Hockey League drängt auch noch in den Kalender. Zudem erfordert die immer ausgeglichenere Liga intensiveres Training, um konkurrenzfähig zu bleiben.
Da stellt sich die Frage, ob die Belastung für die Spieler inzwischen zu gross geworden ist. Sowohl Jean-Claude Küttel, als auch Martin Schär sehen darin mögliche Gründe, wenn nicht gar den Hauptgrund für die vielen Verletzten. Die verschiedenen Wettbewerbe bewirken zusätzlich, dass kein richtiger Spielrhythmus entsteht. «Der SCB hatte jetzt 14 Tage kein Spiel, anschliessend kommen wieder Wochen mit drei Partien. Das macht es schwierig», sagt Schär.
Gehirnerschütterungen gehören zu den schlimmsten Verletzungen im Eishockey – und kommen immer häufiger vor. Jeder Spieler kann sich selbst so gut wie möglich schützen, indem er seinen Kopf bei der Puckkontrolle nicht gesenkt hält, um die Umgebung optimal wahr zu nehmen und nicht völlig unerwartet mit einer gegnerischen Schulter in Kontakt kommt.
Doch auch die Stadionbetreiber können für die Gesundheit der Spieler sorgen. «Flexible Banden senken das Verletzungsrisiko von der Schulter an aufwärts um bis zu 30 Prozent», erklärt Küttel. Martin Schär ist ebenfalls überzeugt davon: «Das ist ein grosses Anliegen von mir, dass diese Banden in jedem Stadion installiert werden. Der Aufwand von 250'000 Franken pro Stadion lohnt sich ganz klar.» Bisher haben erst die Stadien in Biel, Lausanne und Lugano die neuen Banden eingebaut, in Bern soll dies auf die nächste Saison hin geschehen. Die Spieler werden es ihnen danken.