Das Wetter ist mild. Die Sonne scheint. Fast ein Frühlingstag. Es fehlt nur Vogelgezwitscher. Der Chronist hat noch etwas in Burgdorf an der Emme zu erledigen. Warum nicht vom Burgdorfer Eistempel der Emme entlang nach Kirchberg wandern, dort bei Willi Vögtlin im Weinladen vorbeischauen und wieder zurück? Frische Luft tut sowieso gut. Hier ist historisches Terrain. Vom Eisstadion aus gesehen auf der anderen Seite der Emme ist 2013 das Eidgenössische Schwingfest zelebriert worden. Noch heute erinnert eine Gedenktafel an das historische Ereignis.
Aber weiter der Emme entlang bis nach Kirchberg. Dort, am Wendepunkt bei der nächsten Brücke ist eine Beiz. Kurzer Kaffeehalt. Und wer sitzt da am Tisch mit einem Kumpel? Eine wahre Trainerlegende. Kurt Feuz (69). Natürlich ist mir der Name ein Begriff. Zwischen 1975 und 1984 hat er für St.Gallen und YB mehr als 200 Partien in der Nationalliga A bestritten. Im Gedächtnis sind mir natürlich nur seine Auftritte als Kult-Verteidiger bei YB geblieben. Logisch treffe ich ihn hier. Er lebt ja in Kirchberg. Bald schwelgen wir in Erinnerungen an die «Belle Epoque» des Berner Sportes ohne Hosentelefone und über den regionalen Fussball von Düdingen über Burgdorf, Langenthal bis Huttwil.
Ich wusste schon, dass Kurt Feuz beim FC Münsingen als «ewiger Trainer» gilt. Aber viel habe ich mir dabei nie gedacht. Erst jetzt wird mir endlich bewusst, was «ewig» im Trainergeschäft tatsächlich bedeutet. Bisher bin ich davon ausgegangen, dass Arno Del Curtos 20 Jahre in Davos oben für den Begriff «Ewigkeit» stehen. Aber 20 Jahre sind ja im Vergleich zu Kurt Feuz bloss eine Episode, ein Wimpernschlag der Sportgeschichte. Er steht in Münsingen seit 1984 mit nur einem kurzen einjährigen Unterbruch (1996/97 in Biel) an der Seitenlinie. 37 Jahre! Das ist so, wie wenn Arno Del Curto noch bis 2033 den HCD als Bandengeneral kommandieren würde.
Trainer in Münsingen seit 1984: Damals spielten Ajoie, Ambri, Zug, der SC Bern, Lausanne und der SC Rapperswil-Jona – fast die halbe heutige National League – noch in der NLB. Trainer in Bern war Craig Sarner und das Budget betrug 1,2 Millionen Franken. Heute setzt der Hockey-Konzern SCB 60 Millionen um. Trainer in Zug waren Frantisek Dum und Ivan Hlinka, einer der spektakulärsten Ausländer, der je in der Schweiz gespielt hat. In Ambri polterte Lasse Lilja an der Bande. Und damals war Kurt Feuz schon Trainer beim FC Münsingen.
Ach, die guten alten Zeiten. Kurt Feuz erzählt. Bei YB sei Aleksander Mandziara 1984 Trainer geworden. Im Gespräch habe er herausgespürt, dass sein Platz im Team nicht mehr gesichert ist. Also sei er mit 32 gegangen. Eigentlich hätte er Trainer beim damaligen Erstligisten SC Burgdorf werden sollen. An einem Samstag sei man sich mit Präsident Max Konrad einig geworden. Am Montag habe er in der «Berner Zeitung» gelesen, dass ein anderer den Job bekommen habe. Das Blatt sei ihm fast aus der Hand gefallen. Also habe er das Angebot von Münsingen angenommen und dort als Spielertrainer begonnen. Von der höchsten Liga direkt in die 3. Liga.
Unter Kurt Feuz ist aus dem Drittligisten ein Klub in der 1. Liga geworden. Der Gedanke ist ja schon reizvoll, was aus ihm und dem SC Burgdorf geworden wäre, wenn er damals nicht im letzten Moment so stillos ausgebootet worden wäre. Der SC Burgdorf darbt heute im Mittelfeld der 3. Liga. 1991 stiegen die Emmentaler aus der damaligen NLB ab und stürzten in nur acht Jahren bis in die 3. Liga hinunter. Von der zweithöchsten in die siebthöchste Liga. Wohl Schweizer Rekord. Vom vergangenen Ruhm, von den glanzvollen Zeiten stehen nur noch Ruinen. Kein Schelm, wer denkt, mit Kurt Feuz wäre es anders gekommen.
Episoden aus der alten Zeit. Kurt Feuz ist ein charmanter Gesprächspartner und Geschichtenerzähler. Bescheiden, freundlich, mit viel Sinn für Humor und Selbstironie. Noch einmal leben grosse Namen auf. Eine Anekdote über Jürg Stäubli, dem legendären Immobilien-Baron und YB-Mäzen aus den 1980er Jahren, gefällt dem Chronisten ganz besonders.
Kurt Feuz, schon Trainer beim FC Münsingen, ist oft im alten Wankdorf beim YB-Match. Über die Köpfe von fünf, sechs Zuschauern in der Sitzreihe hinweg fragt er Jürg Stäubli: «Jüre, ich sollte noch einen Matchballsponsor für das Spiel vom Sonntag haben.» Der kostet beim FC Münsingen 150 Franken. Jürg Stäubli, Übername «Millionen-Mandli», habe eine Tausendernote aus dem Gilettäschli hervorgekramt. Der Geldschein sei von Mann zu Mann zu ihm weitergereicht worden und der Jüre habe lautstark über alle Köpfe hinweg plagiert und posaunt, es sei schon gut so.
Ja, so hat es früher gerockt im Bernbiet. Aber so wird es nie mehr rocken. Nun geht Kurt Feuz Ende Saison definitiv im Fussball-Business in Pension. Die Zeit der Sport-Romantik im Lande Bern ist damit definitiv und für immer zu Ende. Die Begegnung mit Kurt Feuz stimmt so kurz vor dem Jahreswechsel schon ein wenig melancholisch.
Das nächste Mal muss ich Arno Del Curto vorhalten, er sei ja bloss 20 Jahre Trainer in Davos gewesen. Das sei eigentlich gar keine so lange Zeit.
PS: Später hat der Chronist dann noch bei Spielplan-General Willi Vögtlin im Weinladen vorbeigeschaut.